Vollstreckung für andere

Vollstreckung für andereDie Gehaltspfändung eines Mitarbeiters sollten Arbeitgeber nicht auf die leichte Schulter nehmen. Was zu beachten ist.Leicht kann es einem Arbeitnehmer passieren, dass er sich finanziell, etwa durch größere Anschaffungen, übernimmt. Seine Privatsache? Nur so lange, bis sein Gläubiger ausfindig macht, dass der Mann Lohn von seinem Arbeitgeber erhält. Aus heiterem Himmel wird dem Chef eines Tages ein amtsgerichtliches Schriftstück zugestellt: Ein so genannter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Darin wird er als "Drittschuldner" bezeichnet und aufgefordert, dem Gläubiger Auskünfte über die Lohnansprüche des Arbeitnehmers zu erteilen. Grund: Der Mitarbeiter hat seine Raten für das neue Wohnzimmer seit Monaten nicht beglichen. Jetzt ist Vorsicht geboten! Denn falls Arbeitgeber das gerichtliche Schreiben auf die leichte Schulter nehmen oder unbeachtet im Papierkorb entsorgen, kann es ganz schön teuer werden.Zwei-Wochen-Frist beachtenDer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hat mehrere Wirkungen. Die wichtigste gilt sofort: Keine volle Lohnauszahlung mehr an den Mitarbeiter! Denn die Lohnansprüche stehen jetzt unmittelbar in Höhe der Schulden – vom pfändungsfreien Lohnanteil abgesehen – nicht mehr ihm, sondern dem Möbelhändler zu. Falls der Chef dennoch ungekürzt den Lohn auszahlt, so muss er den pfändbaren Lohnanteil später nochmals, dann an das Möbelhaus, berappen. Sobald der Arbeitgeber den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in Händen hält, beginnt eine Zwei-Wochen-Frist, innerhalb der er dem Gläubiger Rede und Antwort stehen muss. So hat er ihm zu beantworten, ob er die Forderung anerkennt und zur Zahlung bereit ist, ob schon Ansprüche anderer Personen auf den Lohn bestehen und ob die Lohnansprüche des betreffenden Mitarbeiters gar bereits anderweitig gepfändet worden sind. Diese Fragen werden im Allgemeinen zusammen mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss an den Arbeitgeber zugestellt. Ihre Beantwortung sollte schriftlich und direkt gegenüber dem Gläubiger erfolgen. Zwar kann diese so genannte Drittschuldnererklärung unmittelbar auch gegenüber dem zustellenden Gerichtsvollzieher abgegeben werden. Hiervon ist jedoch abzuraten, solange der Vorgang nicht genau bekannt ist.Hinweis: Nur die genannten Fragen müssen beantwortet werden. Weiter gehende, in der Praxis nicht seltene neugierige Fragen – etwa nach der Bruttolohnhöhe, eventuellen Mehr- und Nebenverdiensten, der Steuerklasse oder dem Familienstand des Mitarbeiters – können Arbeitgeber getrost unbeantwortet lassen. Wichtig: Sie sollten die Zwei-Wochen-Frist nicht verstreichen lassen! Anderenfalls sind Chefs dem Gläubiger zum Schadenersatz verpflichtet. Gleiches droht bei unrichtiger oder unvollständiger Antwort. Die Auskunft muss in jedem Fall innerhalb der Frist beim Vollstreckungsgläubiger eingehen. Das bloße Absenden dieses Schreibens innerhalb der Frist ist nicht rechtzeitig. Aus Beweisgründen sollte die Erklärung stets mittels Einschreiben und Rückschein erfolgen, um spätere Beweisprobleme hinsichtlich der Fristeinhaltung zu vermeiden. Nicht selten gehen zeitgleich mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse verschiedener Gläubiger ein. Dann ist der pfändbare Lohn aufzuteilen. Hat ein Gläubiger eine Forderung von 1000 Euro, der andere eine von 500 Euro, ist der pfändbare Lohnanteil im Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel zu quotieren. Bestehen frühere Pfändungen für andere Gläubiger, so muss dies in der Drittschuldnererklärung dem neuen Gläubiger mitgeteilt werden, ohne Angabe von Name, Anschrift und Forderungshöhe des früheren Gläubigers.Arbeitgeber treffen vielfältige PflichtenDann geht es ans Rechnen: Der Arbeitgeber muss den unpfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ermitteln, denn nur der überschießende Betrag darf dem Gläubiger ausbezahlt werden. Der unpfändbare Teil verbleibt dem Mitarbeiter für seinen Lebensunterhalt. Die Höhe dieses Betrags variiert nach seinen Nettoeinkünften sowie der Zahl der von ihm zu unterhaltenden Personen wie Ehegatte oder Kinder. Für den Chef ist wichtig, wie man den pfändbaren Teil hieb- und stichfest ermittelt. Wertvolle Hilfe leisten die Hinweise auf dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Im Übrigen sollte der Arbeitgeber sich eine aktuelle Tabelle zu den Pfändungsfreigrenzen beschaffen (etwa bei der Agentur für Arbeit, Amtsgericht, Buchhandel). Im Augenblick gilt die Tabelle vom 1. Juli 2005, und zwar bis zum 30. Juni 2009. Zu beachten ist, dass die Pfändung nur den Nettolohn umfasst, sodass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Lohn- und Kirchensteuer sowie die Sozialversicherungsbeiträge zuvor von der gesamten Bruttoarbeitsvergütung abzuziehen. Bestimmte Lohnanteile sind von der Lohnpfändung ausgeschlossen, etwa vermögenswirksame Leistungen, die Hälfte der durch Mehrarbeitsstunden verdienten Bezüge, zusätzlich bezahltes Urlaubsgeld, Entschädigungen sowie Weihnachtsgeld bis zur Hälfte des monatlichen Einkommens, maximal 500 Euro brutto. Per Gesetz sind Pfändungsgrenzen festgelegt, bis zu denen Arbeitseinkommen unpfändbar ist. Hier gilt gegenwärtig ein unpfändbarer Arbeitseinkommensbetrag von 985,15 Euro im Monat. Bei Unterhaltspflicht für eine oder mehrere Personen gibt es pfändungsfreie Zuschläge. Haben Arbeitgeber das pfändbare Einkommen errechnet, so ist dieser Teil vom Lohn einzubehalten und an den Gläubiger zu überweisen – so lange, bis die auf dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ausgewiesenen Beträge samt Kosten und Zinsen getilgt sind. Scheidet der Mitarbeiter aus dem Betrieb aus, so sollte dies dem Gläubiger vor der Einstellung weiterer Zahlungen umgehend mitgeteilt werden. Übrigens: Die Kosten der Bearbeitung von Lohn- und Gehaltspfändungen kann der Chef seinem Mitarbeiter nicht in Rechnung stellen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (Urteil vom 18.7.2006, Az.: 1 AZR 578/05).Die Pflichten, die dem Arbeitgeber bei Zahlungsschwäche seines Mitarbeiters auferlegt werden, sind also vielfältig. Für die komplizierte Berechnung des an den Gläubiger abzuführenden Betrags sind fachlicher Rat von der berufsständischen Interessenvertretung, vom Rechtsanwalt oder Steuerberater und Literatur sowie aktuelle Berechnungssoftware empfehlenswert. Denn zahlt der Arbeitgeber zu wenig an den Gläubiger, kann dieser den Differenzbetrag geltend machen. Und berechnet er den seinem Mitarbeiter verbleibenden Betrag zu niedrig, hat er Ansprüche auf Nachzahlungen. ❙❚■ Klaus Krohn, freier Journalist

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