VerkehrsRundschau-Index: Teuer, teuer, teuer

Es ist wie in der Mode: Irgendwann kommt alles mal wieder. So ergeht es aktuell der Wirtschaft. Jahrzehntelang waren steigende Teuerungsraten in Deutschland kein Thema. Preissteigerungen von mehr als drei Prozent in einem Jahr: Die gab es zuletzt Anfang der 90er-Jahre, um genau zu sein 1993. Jetzt ist die Inflation zurück - und durchseucht die gesamte Wirtschaft wie Corona zu seinen besten Zeiten. Mehrere Rekordmarken für den VR-Index Diesem Virus kann sich auch die Transportbranche nicht entziehen: Die Frachtraten im Straßengüterverkehr klettern in nie da gewesenen Dimensionen. Nach den Zahlen, die das Meinungsforschungs-Institut Kynetec für die VerkehrsRundschau (VR) erhoben hat, beträgt das Plus im nationalen Straßengüterverkehr im zweiten Quartal 2022 sage und schreibe 6,93 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Einen solch starken Anstieg hat es in der immerhin schon 17-jährigen Geschichte des VR-Index noch nicht gegeben. Der bisherige Höchstwert mit 5,04 Prozent wurde im dritten Quartal 2005 registriert, als der VR-Index gerade wenige Monate alt war und der hohe Anstieg auch darauf zurückzuführen war, dass sich erst mal alles einspielen musste. Aber das ist nicht die einzige Rekordmarke im zweiten Quartal: So hält der Trend zur Verteuerung - wenig überraschend - an. Der VR-Index steigt zum achten Mal hintereinander. Der bisherige Höchstwert lag bei sechs Quartalen in Folge. Und fast schon überflüssig zu erwähnen: Mit 148,98 Punkten hat der Indikator bezogen auf den absoluten Wert im zweiten Quartal 2022 seinen bisherigen Gipfel erklommen. Doch was sind die Ursachen für den enorm hohen Anstieg? Im letzten Quartal verteuerten sich die Frachtraten doch nur um 3,19 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Jetzt klettern die Preise in einem mehr als doppelt so schnellen Tempo. Der primäre Grund für die Verteuerung, aber nicht der einzige, ist relativ eindeutig: die hohen Energiepreise als Folge des Ukraine-Krieges. Dabei muss man eines vorwegschicken: Im ersten Quartal 2022 fand die VR-Index-Befragung von Mitte Februar bis Mitte März statt, also in einem Zeitraum, als der Ukraine-Krieg gerade begonnen hatte. Viele Teilnehmer der Umfrage dürften damals ihre Preise abgegeben haben, als die Verteuerung des Diesels noch nicht beziehungsweise noch nicht in dem Ausmaß abzusehen war. Hinzu kommt, dass die Weitergabe der hohen Dieselkosten durch die Transportunternehmen an die Auftraggeber eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. So waren für viele Dienstleister die monatlichen Zahlen vom Statistischen Bundesamt (Destatis) der Bezugspunkt für ihren Dieselfloater. Mittlerweile gibt es für Deutschland wöchentliche Daten aus dem Oil-Bulletin der EU. Doch die Umstellung erfolgte erst mit Verzögerung von einigen Wochen nach Kriegsbeginn, sodass der rasante Anstieg der Dieselpreise vor allem im März sich nur geringfügig in den VR-Index-Zahlen des ersten Quartals widergespiegelt haben dürfte. Der Preisanstieg von 3,19 Prozent - so schon unsere Vermutung vor drei Monaten bei der Veröffentlichung - dürfte eher zu gering ausgefallen sein. Dieselpreise sogar leicht gesunken Die Folge: Es gab einen großen Nachholeffekt im zweiten Quartal. Auf den dürfte der hohe Anstieg der Frachtraten im Wesentlichen zurückzuführen sein. Denn sieht man sich die Dieselpreisentwicklung in den vergangenen drei Monaten an, sind die Notierungen an den Tankstellen nicht gestiegen, im Gegenteil. Am 27. Juni zahlte man in Deutschland für einen Liter Diesel durchschnittlich 2,048 Euro (inklusive Steuern und Abgaben). Drei Monate zuvor, am 28. März, ist Diesel mit 2,179 Euro sogar teurer gewesen, und zwar um 6,0 Prozent oder 13 Cent. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass ab dem 1. Juni der Tankrabatt in Kraft getreten ist. Diesel sollte damit um 17 Cent billiger werden. Maßgeblich ist aber in diesem Fall nicht der Dreimonatsvergleich (siehe Begründung oben), sondern der Wert vor Beginn des Ukraine-Krieges. Und am 21. Februar betrug der Wochen-Durchschnittswert für Diesel an den Tankstellen in Deutschland 1,663 Euro. Im Vergleich dazu ist der Dieselpreis bis Ende Juni um 23,15 Prozent geklettert. Im Jahresvergleich (28. Juni 2022, 1,38 Euro) steht sogar ein Plus von 57,9 Prozent zu Buche. Dieselpreise sind der Kostentreiber Wenn man davon ausgeht, dass im Fernverkehr die Kraftstoffkosten etwa ein Viertel ausmachen, dann bedeutet der Anstieg der Dieselpreise um 23,15 Prozent einen Anstieg der Gesamtkosten im Transport um 5,8 Prozent. Das entspricht also fast dem Frachtratenanstieg im zweiten Quartal. Auch wenn die höheren Dieselpreise sicher der Haupttreiber für den Kostenanstieg im Straßengüterverkehr sind und auch in diesem Artikel der Schwerpunkt darauf liegt, so darf keinesfalls vergessen werden, dass auch andere Kosten zum Teil kräftig zugelegt haben. Abgesehen von steigenden Energiekosten für Bürogebäude oder in den Logistikzentren sind vor allem die höheren Personalkosten und hier vor allem die für die Lkw-Fahrer zu nennen. Der Weltverband für den Straßenverkehr, die IRU, hatte erst kürzlich eine Studie veröffentlicht, nach der alleine in Deutschland im letzten Jahr 80.000 Lkw-Fahrer fehlten. Da auch im Ausland, vor allem in Osteuropa, der Mangel zunimmt, gibt es kaum noch Ausweichmöglichkeiten. Die Folge: Fahrer werden mit Prämien abgeworben. Und sie verlangen höhere Löhne, sodass die Lohnkosten steigen. Aber nicht nur die Fahrer müssen bei Laune gehalten werden, auch die anderen Mitarbeiter sehen sich steigenden Kosten ausgesetzt und fordern höhere Gehälter. Bei den Disponenten kommt erschwerend hinzu, dass die Lieferketten enorm gestört sind und unter den Kunden eine hohe Unzufriedenheit herrscht. Diesen Frust bekommen die Disponenten zu spüren. Damit diese nicht hinschmeißen, versuchen die Unternehmen mit anderen Anreizen - nicht nur Lohnerhöhungen - ihnen die Arbeit ein wenig zu versüßen. Doch all das kostet Geld. Auch andere Indizes klettern in die Höhe Auch bei der Beschaffung von Lkw oder Aufliegern müssen die Unternehmen tiefer in die Tasche greifen - sofern die Hersteller überhaupt lieferfähig sind. Dass jedoch die Preise für Nutzfahrzeuge steigen, hat der CEO von MAN, Alexander Vlaskamp, im VR-Interview (siehe VR 13/2022, Seite 42) freimütig bekannt. Es ist also eine gewaltige Kostenlawine, die da auf das Transportgewerbe zurollt und eine Preiswelle hinter sich herzieht. Dass die Frachtraten in die Höhe schießen, geht auch aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) hervor. Im ersten Quartal 2022 ist der Erzeugerpreisindex für die Güterbeförderung im Straßenverkehr um 4,59 Prozent auf 116,3 Punkte gestiegen. Damit ist dieser Indikator noch stärker in die Höhe geschossen als der VR-Index im ersten Quartal. Dafür gibt es allerdings einen Grund. Denn im Destatis-Indikator sind ausschließlich Jahreskontrakte erfasst. Die werden häufig zu Jahresbeginn angepasst, weshalb es im ersten Quartal immer einen besonders starken Anstieg gibt, der sich in den darauffolgenden Quartalen abflacht. Aber nicht nur in Deutschland verteuert sich Transport: Auch in Europa ziehen die Frachtraten für den Straßengüterverkehr kräftig an. Das geht aus einem Indikator hervor, den die digitale Transportplattform Upply, die IRU und das Beratungsunternehmen Transport Intelligence gemeinsam herausgeben. Demnach haben sich Lkw-Verkehre im ersten Quartal 2022 um 4,03 Prozent verteuert, also etwas mehr als die 3,19 Prozent, die der VR-Index im ersten Quartal angestiegen ist (siehe Grafik Seite 24). Die Initiatoren des Index führen das auf einen sich zuspitzenden Fahrermangel, vor allem aber auf die steigenden Dieselpreise zurück. Wenn Sie wissen möchten, wie sich das Aufkommen im zweiten Quartal entwickelt hat und vor allem, wie sich die Mengen und Frachtraten in den kommenden drei und zwölf Monaten weiterentwickeln, dann erfahren Sie mehr dazu in einem Online-Seminar der VerkehrsRundschau am 20. Juli und auf unserem Profi-Portal VR plus (siehe Kasten). VR plus Mehr Daten zum VR-Index und zum Transportmarkt auf VR plus und in einem Online-Seminar am 20. Juli 2022 Der VerkehrsRundschau-Index liefert nicht nur Infos zur Entwicklung der Transportpreise im Straßengüterverkehr. Im Rahmen der Exklusiv-Umfrage für die VerkehrsRundschau (VR) werden zahlreiche weitere Kennzahlen erhoben. Die können Abonnenten auf dem VR-plus-Portal abrufen. Zu diesen Daten gehören zum einen Transportpreise aufgeschlüsselt nach Produktkategorien (Palette, Teil- und Komplettladungen) und nach Entfernungsstufen. Zudem fragt die VR die Teilnehmer ab, wie sich die Mengen in den letzten Quartalen entwickelt haben. Häufig jedoch noch interessanter ist der Ausblick. So gibt es auf dem Portal die Einschätzungen der Teilnehmer zu der Entwicklung der Mengen und Preise: Steigt die Nachfrage nach Lkw-Frachtraum weiter? Klettern die Frachtraten auch im laufenden Quartal und in den kommenden zwölf Monaten? Und wenn ja, in welchem Umfang? Es werden aber auch weitere Kennzahlen abgefragt, wie die durchschnittliche Lkw-Standzeit an den Laderampen oder der durchschnittliche Lohnkostensatz für einen Fahrer pro Tag. Dazu gibt es zu jeder Grafik eine entsprechende Interpretation. Mehr Informationen unter: www.verkehrsrundschau-plus.de/kennzahlenEinen Teil dieser Infos erhalten Sie auch in einem Online-Seminar der VR am 20. Juli 2022 ab 10.00 Uhr. Darin stellen wir zudem die Ergebnisse anderer Transportindizes vor und gehen auf die Entwicklung bei den Verkehrsträgern ein. Wir schildern detailliert die Folgen der hohen Energiepreise. Und wir stellen aktuelle Prognosen zum Wirtschaftswachstum in Deutschland und Europa vor. Mehr zu dem Seminar und Anmeldung unter: www.verkehrsrundschau.de/events cd In Kürze Das zweite Quartal 2022 bricht alle Rekorde: Nie waren Lkw-Transporte in Deutschland teurer, wie die neuen Zahlen zum VR-Index verdeutlichen. Neben den gestiegenen Dieselpreisen heizen aber noch weitere Faktoren die Preisrallye an. 14,7 Prozent sind die Frachtraten im zweiten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahresquartal gestiegen.

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