Tagespreise auf

Rund 30 bis 40 Tagespreisanfragen von Bestandskunden oder auch potenziellen Aufraggebern erhält Thomas Kersten, Vertriebschef der mittelständischen Spedition Wolf in Sinsheim jeden Tag. Per Mail, per Telefon und vereinzelt sogar noch per Fax. "Im Stückgutgeschäft können wir unseren Kunden innerhalb von wenigen Minuten, oder direkt am Telefon einen Preis nennen", führt Kersten aus. Grund: Die Spedition Wolf ist Systempartner der Kooperationen ILN und Palletways - und hier sind die Konditionen im DV-System von Wolf hinterlegt. Fragen Auftraggeber im Teil- und Komplettladungsgeschäft an, beansprucht dies bei Kersten mehr Zeit. Denn die Spedition arbeitet hier mit externen Transportunternehmen zusammen. "Bis zu vier Stunden", schätzt der Vertriebsleiter, brauche es wohl, um den Kunden valide Auskunft geben zu können. In der Spedition Wolf, die insgesamt 12 Mitarbeiter beschäftigt, kümmert sich eine Halbzeit-Kraft um solche Kundenanfragen. Sie sei damit gut ausgelastet, sagt Kersten, sei aber auch für andere Aufgaben in dem Unternehmen zuständig. "Solche Tagespreisanfragen kosten uns schon viel Zeit", räumt er ein. "So gesehen wäre es für uns einfacher und weniger zeitintensiv, wenn wir solche Preisanfragen über eine Online-Plattform abwickeln könnten, auf der wir unsere Konditionen hinterlegen können." Zeitintensiv und teuer Die Spedition Wolf ist kein Einzelfall. Auch in vielen anderen Transport- und Speditionsbetrieben kosten solche Tagespreisanfragen viel Zeit und Geld. Mindestens zehn Minuten beanspruche die Bearbeitung einer vollständigen Lkw-Transportanfrage in über zwei Drittel der befragten Unternehmen (siehe Grafik Seite 27). Und in 27,8 Prozent der Betriebe soll die Bearbeitung einer Tagespreisanfrage sogar mehr als 30 Minuten kosten. Das ist das Ergebnis einer Blitzumfrage der IT- und Logistikberatung Conloxx, Anbieter des Online-Tools "Get-Rates" und der Prolog-Team Logistik- und Organisationsberatung in Karlsruhe, die dafür Mitarbeiter in leitenden Funktionen in kleinen und mittleren Transport- und Speditionsbetrieben zum Thema "Digitaler Frachteinkauf" befragt hatten. Und in der See- und Luftfracht-Abwicklung sieht es der Befragung zufolge ähnlich aus. Hier seien knapp ein Viertel der befragten Dienstleister (24,4 Prozent) mehr als 30 Minuten mit der Abwicklung von Transportpreis-Anfragen beschäftigt. Bei 11,1 Prozent der Betriebe waren es 10 bis 20 Minuten, bei 8,9 Prozent 20 bis 30 Minuten, knapp die Hälfte (45,6 Prozent) machten keine Angaben. Die meisten Tagespreise werden nach wie vor via E-Mail (41,4 Prozent), Telefon (28,3 Prozent) und Fax (6,6 Prozent) bei Transport- und Speditionsbetrieben angefragt. "Der Einsatz von Frachtsoftwares zur digitalisierten Auftragsbearbeitung von Tagesangeboten hat dagegen für die meisten Firmen offenbar noch keine große Relevanz", resümiert Martin Stoll, Inhaber von Prolog-Team. So nutze gerade einmal jeder siebte Umfrageteilnehmer die Integration eines Online-Systems für Tagespreise in seinem Unternehmen. Damit würden aber viele Betriebe kostbare Zeit ihrer Mitarbeiter verschenken, die man sicher sinnvoller nutzen könnte, meint der Berater. Ziel ist vereinfachte Kommunikation "Noch stehen viele Anwender Online-Tools skeptisch gegenüber, da sie diese in erster Linie mit Frachtenbörsen und der damit verbundenen Auktionsfunktion verbinden. Wir verfolgen aber einen anderen Ansatz", erklärt Thomas Selbach, Geschäftsführer der IT- und Logistikberatung Conloxx. Er war lange Jahre bei Kühne + Nagel in der See- und Luftfracht tätig und hatte 2004 das Online-Tool Get-Rates entwickelt, Aus seiner Speditionspraxis-Erfahrung weiß Selbach: "Preisanfragen sind für die Dienstleister zeitaufwendig, insbesondere die Pflege der Kunden-Konditionen in den Datenbanken kostet viel Zeit." Insbesondere im Adhoc-Geschäft sei dies problematisch, sagt er, in dem nach wie vor vielerorts die Margen niedriger seien. Mit dem Online-Tool Get-Rates will Selbach nun die Kommunikationsprozesse zwischen Auftraggebern und den Spediteuren durch die Abwicklung auf einer Online-Plattform effizienter gestalten. "Uns geht es aber nicht um Frachtbeschaffung", betont er. Ziel sei es, den Kommunikationsweg zwischen Industrie und den Dienstleistern zu vereinfachen. So muss ein Industriekunde laut Selbach bei Get-Rates nur einen Account einrichten lassen und dort benennen, welche Spediteure er in seinen Favoritenkreis aufnimmt, an die er seine Transportpreis-Anfragen richten will - individualisiert auf die gewünschten Verkehrsträger. Auf dieser Basis erstellt Get-Rates dann ein standardisiertes Online-Anfrageformular, in dem der Versender alle sendungs-relevanten Daten eingibt. "Da fordern wir von den Verladern absolute Qualität und vollständige Informationen, damit für die Transaktion möglichst wenig Rückfragen nötig sind", sagt der Geschäftsführer. Umgekehrt müsse dann der Spediteur, nachdem er sich bei Get-Rates registriert und sein Transportprofil hinterlegt hat, dort alle kostenrelevanten Positionen, die auf der Relation anfallen, online bei Get-Rates eingeben. "Danach analysiert unser System die getätigten Frachtpreis-Angebote. Auf Basis der hinterlegten Parameter ermitteln unsere Algorithmen zu jeder Anfrage passende und zuverlässige Spediteure. Der Auftraggeber erhält letztlich alle Angebote nach fiktiven Rechnungsbeträgen sortiert von unserem System übermittelt", erklärt Selbach die Funktionsweise von Get-Rates. Und worin unterscheidet sich die Onlineplattform von anderen bestehenden Lösungen? "Unser Fokus sind Ad-hoc-Transporte und -Sendungen. Im Gegensatz zu Cargoclix und Transporeon geht es bei uns nur um Tagespreise und nicht um Ausschreibungen", betont Selbach. "Zudem decken wir mit Lkw, Luft- und Seefracht alle Verkehrsträger ab. Zu zwei Fragen allerdings halten sich die Get-Rates-Macher bedeckt: So lag bis zum Redaktionsschluss der VerkehrsRundschau keine Antwort vor, wie lange die von Spediteuren abgegebenen Tagespreise auf Get-Rates Bestand haben. Auch zu den Kosten bleiben die Aussagen vage: Berechnet werde beiden Seiten jeweils, sagt dazu Selbach nur, eine monatliche Nutzungsgebühr - vollkommen unabhängig von der Anzahl der über Get-Rates getätigten Transaktionen. Zur Höhe der Nutzungsgebühr sagt er nichts - mit dem Vermerk, dass dies kundenindividuell ermittelt werde. Die Spedition Wolf hat sich bislang gegen die Nutzung solcher Online-Tools entschieden. Zum einen, weil man die Konditionen nicht jedem zugänglich machen wolle, erklärt Vertriebsleiter Kersten. "Vor allem aber, weil wir nicht wissen, wie lange unser Preisangebot Bestand hat. Die Transportpreise schwanken im Moment extrem stark. Ein heute abgegebener Tagespreis, der sich für uns rechnet, kann also morgen für uns schon unwirtschaftlich sein." Mehr zum Thema im Dossier Logistik-Start-ups www.verkehrsrundschau.de/dossiers