Stückgut-Kooperation NG.Network: Die Netz-Offensive

In Kürze Der Druck auf die Stückgutnetze steigt, auch weil die Kosten steigen und die Zeiten des Mengen-Hypes vorerst vorbei sind. So will die mittelständische Speditions-Kooperation NG.Network (vormals System Alliance) erfolgreich Kurs halten. Seit 2021 sind Sie Geschäftsführer der Speditions-Kooperation NG.Network (vormals "System Alliance" - die Red.). Seitdem herrschte Funkstille. Sie schienen regelrecht abgetaucht. Warum? Stephan Opel: Wir haben in dieser Zeit unser Stückgutnetz grundlegend neu ausgerichtet. Aufgrund des straffen Zeitplans war das sehr, sehr viel Arbeit. Die frühere "System Alliance" haben wir entflochten und drei neue Unternehmen geschaffen: die Immobilien GmbH, die Hub Betriebsgesellschaft mbH und die Netzwerk GmbH, die nun als "NG.Network" auftritt. Wichtigste Neuerung ist: Unsere Systemzentrale ist heute für die gesamte Steuerung und Optimierung des Netzes verantwortlich. Früher war sie eine reine Produktionsplattform und hat mehr oder minder Sendungsaufträge abgearbeitet. Das ist ein echter Paradigmenwechsel, der auch Wunsch unserer Gesellschafter war. Denn unser Ziel ist es, das qualitativ beste Stückgutnetz in Deutschland zu werden. Ihre Kooperation hat in den letzten Jahren kontinuierlich Gesellschafter verloren: Raben, Rhenus, Honold und Cretschmar Cargo haben den Verbund verlassen. Sind diese Lücken schon geschlossen? Jürgen Wolpert: Wenn ich Sie kurz berichtigen darf: Rhenus und auch Honold sind zwar als Gesellschafter bei uns ausgestiegen, stehen uns aber nach wie vor als Systempartner zur Verfügung. Es ist uns da also keine Lücke entstanden. Andere Gebiete wurden neu besetzt. Gleichwohl sind wir in Deutschland noch nicht perfekt aufgestellt. Unser wichtigstes Ziel ist es deshalb, neue Gesellschafter und Systempartner für NG.Network zu gewinnen. In welchen Regionen hat NG.Network noch weiße Flecken? Opel: Weiße Flecken haben wir nicht wirklich. Wir bieten bereits heute einen flächendeckenden Service an. Es gibt aber große und auch spezielle Gebiete, wie etwa den Großraum Berlin. Hier arbeiten wir an weiterführenden Lösungen. Bevor wir aber einen neuen Betrieb aufschalten, prüfen wir zunächst mit dem bestehenden Partner, ob er sich gemeinsam mit uns entwickeln möchte. Wolpert: Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit von Zellteilungen: Wir machen aus einem großen Gebiet zwei Gebiete. Vorstellbar wäre das für uns zum Beispiel in der Schwarzwald-Region. Den Westen des Schwarzwalds deckt Streck ja gut ab; im Osten hätten wir durchaus Interesse an einem zusätzlichen Partner. Welche Vorteile bieten Sie neuen Partnern? Opel: Wir haben in Deutschland sehr viele Eingangsbetriebe, die sich oft durch ihr Ausgangsgeschäft quersubventionieren. Sprich: Im Sammelguteingang wird häufig Geld verbrannt. Als NG.Network bieten wir unseren Partnerbetrieben planbare Mengen im Eingang, auskömmliche Konditionen und die Möglichkeit, sich im Sammelguteingang zu entwickeln - operativ, aber auch perspektivisch. Wolpert: Wir bieten neuen Partnern also Stabilität. Die Gesellschafter sind finanz- und investitionsstark und werden Stückgut in Deutschland weiter ausbauen. Wir haben uns zu einem gemeinsamen Weg verpflichtet, in einer eingeschworenen Gemeinschaft mit hundertprozentiger Vernetzung. NG.Network ist unser Primär-Netzwerk. Sprich: Ein Partner und Gesellschafter hat immer Vorrang. Seine Sendungen werden zuerst abgewickelt. Das war früher nicht immer der Fall und war letztlich auch der Grund, warum sich manche Gesellschafter von unserer Kooperation zurückgezogen haben. Zu dieser eingeschworenen Gemeinschaft passt aber nicht, dass Ihr Gesellschafter Gebrüder Weiss vor wenigen Monaten die Spedition Rentschler im Nordschwarzwald gekauft hat, die im direkten Einzugsgebiet Ihres Gesellschafters Streck Transport sitzt. Das dürfte Streck nicht geschmeckt haben. Wolpert: Einspruch! Das ist keine Überschneidung; für Streck ist das also keine Konkurrenzsituation. Für die Niederlassungen von Gebrüder Weiss in Stuttgart und Esslingen ist der Kauf sogar eine Entlastung und führt zu einer deutlich besseren Anbindung der Region Nord-Schwarzwald. Außerdem war das kein Alleingang seitens Gebrüder Weiss, sondern eine abgestimmte Vorgehensweise. Opel: Es kommt immer mal vor, dass eine übernommene Spedition Partner oder Gesellschafter einer anderen Stückgut-Kooperation ist. Entscheidend ist, dass solche Zukäufe letztlich helfen, unser Netz zu optimieren. Es möchte niemand mehr im Nahverkehr Touren mit mehr als 90 Kilometern fahren, weil sich dies zum Beispiel aufgrund der oftmals niedrigen Stoppdichte nicht wirtschaftlich darstellen lässt. Wenn also unsere Gesellschafter die finanziellen Möglichkeiten haben und dazu nutzen, in solchen Fällen gezielt zuzukaufen, ist das für unser Netz nur von Vorteil. Wie schließen Sie es aber aus, dass Ihre großen Gesellschafter Gebrüder Weiss, Hellmann, Streck und Zufall gerade die kleineren Systempartner oder auch Gesellschafter bei Entscheidungen ausbremsen? Opel: Jeder Gesellschafter hat eine Stimme, dies wurde im Zuge der Neuausrichtung bewusst so beschlossen. Die Gesellschafter bekennen sich ganz klar dazu, vertraulich, verbindlich und transparent miteinander umzugehen. Auf operativer Ebene werden hinsichtlich der Leistungsvereinbarungen keine Unterschiede gemacht, diese gelten für jeden Speditionsbetrieb, unabhängig von einem möglichen Gesellschafterstatus. Darüber hinaus steuert im operativen Bereich die Netzwerk-Zentrale das Netzwerk. Und bei Eintritt eines neuen Gesellschafters hat auch dieser dann eine Stimme. Sie klingen erstaunlich selbstbewusst. Wenn man sich aber die Zahlen von NG.Network ansieht, sah es im vergangenen Jahr nicht ganz so gut aus. So sank Ihr Sendungsvolumen um 2,6 Prozent auf 6,9 Millionen Sendungen und Ihre Tonnage gar um über 17 Prozent auf 2,35 Millionen Tonnen. Wie erklären Sie den starken Rückgang? Opel: Das lag hauptsächlich an zwei Themen. Im Markt herrschte nach der Corona-Pandemie eine gewisse Sättigung. Zudem kämpften viele Betriebe 2022 mit sehr hohen Personal- und Ressourcen-Ausfällen und konnten deshalb nicht mehr die gewohnten Mengen abwickeln. Insofern waren wir froh, dass die prognostizierten fünf oder sechs Prozent mehr Sendungsvolumen nicht gekommen sind, denn sonst wären wir an eine Grenze gestoßen. Das betraf im Übrigen nicht nur uns, sondern alle großen Netze. Hat sich die Mengenwicklung in Ihrem Netz im ersten Quartal 2023 mittlerweile erholt? Opel: Die Mengen liegen bei acht bis zehn Prozent unter Vorjahr. Maßgeblich dafür ist der Einbruch im Endkundengeschäft (B2C) nach Corona. Zudem gibt es viele Firmen, die noch immer mit Material- und/oder Personalengpässen kämpfen und daher bewusst nicht ihre geplanten Mengen produzieren. Etliche haben einfach auch nicht die hohen Verkaufszahlen wie vor Corona. Wie schlägt sich diese Flaute in den Stückgutpreisen nieder? Opel: Es wäre ein völlig falsches Signal, Preise zu senken und über eine solche Vorgehensweise Mengen zu akquirieren. Es werden weitere Kostensteigerungen auf uns zukommen. Sich Menge über den Preis zu kaufen, halten wir für gefährlich. Um nur eine Zahl zu nennen: Laut DSLV-Kostenindex sind im zweiten Halbjahr die Prozesskosten in der Stückgutlogistik im Schnitt um 15,5 Prozent gestiegen. Wo werden Sie also in diesem Jahr bei Umsatz, Mengen und Tonnage landen? Opel: Das lässt sich Stand heute nicht sagen. Eine solche Aussage wäre fahrlässig. Der Markt ist sehr volatil. Wie wollen Sie 2023 das Ruder rumreißen? Opel: Wie gesagt, die Sendungsrückgänge sind aktuell deutlich. Das kann aber schon in zwei Monaten anders aussehen - sowohl bei den Mengen als auch bei den Umsätzen. Wir werden auf keinen Fall über den Preis versuchen, Markt zu kaufen. Unsere Strategie ist, die Qualität in unserem Netz stetig zu verbessern und die Zusagen an unsere Kunden einzuhalten. Unser Anspruch ist es, an 365 Tagen im Jahr eine Topqualität zu liefern. Und natürlich arbeiten wir stark daran, unsere Kosten im Griff zu halten. Dafür treiben wir die Digitalisierung im Netz massiv voran. Wir möchten Innovationsführer in der Stückgutbranche werden. Was ist der wichtigste technologische Trend, auf den Sie sich da einstellen? Das Thema autonome Hubs? Opel: Darüber haben wir tatsächlich letzte Woche gesprochen. (lacht) Aber unserer Einschätzung nach wird das Thema erst in drei, vier Jahren anstehen. Was ich Ihnen verraten kann: NG.Network entwickelt derzeit mit Siemens Digital Logistics eine KI-Lösung, um das gesamte Netz steuern und optimieren zu können. Netzsteuerung und -optimierung stehen bei uns ganz oben auf der Agenda. Erster Schritt dazu ist, dass wir durch die KI-gestützte Vorgehensweise die Sendungsentwicklungen deutlich präziser prognostizieren können. Dies hilft unseren Partnern sehr bei der Kapazitäten- und Ressourcenplanung. Im nächsten Schritt geht es in Richtung Simulation. Wir werden in den kommenden Monaten unser gesamtes Netz mithilfe unserer Datenanalysen monitoren, um für unsere Partner optimale Gebietszuschnitte zu schaffen. Daten und Fakten: NG.Network Die Stückgut-Kooperation NG.Network zählt zu den größten Speditionsverbünden in Deutschland - mit den Gesellschaftern Gebrüder Weiss, Hellmann Worldwide Logistics, Streck Transport und Zufall Logistics und 48 Systempartnern. Neuaufstellung zum 1. Januar In den vergangenen Jahren sind einige wichtige Gesellschafter aus der Kooperation ausgestiegen, zum Beispiel die Raben Group. Zum 1. Januar 2023 hat sich die Stückgut-Kooperation neu aufgestellt und firmiert nun unter der Marke NG. Network. Welche Ziele und Strategie die Kooperation hierzulande verfolgt, sagen hier im Interview Stephan Opel, Geschäftsführer von NG.Network, und Jürgen Wolpert, Geschäftsführer von Zufall Logistics und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung. eh

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