Brüssel. Maßnahmen zur Umrüstung von Güterzugwagons, um ihren Geräuschpegel auf der Schiene deutlich zu senken, dürfen trotz des EU-Beihilferechts eventuell von staatlicher Seite finanziell unterstützt werden. Die EU-Kommission wird bald eine Expertengruppe zu dem Thema einberufen um zu überprüfen, "was machbar ist". So drückte sich der stellvertretende Leiter der Generaldirektion Mobilität und Verkehr der EU-Kommission, Zoltan Kazatsay, auf der Veranstaltung "Weniger Güterzuglärm auf Bahngleisen" aus, die in der EU-Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz am Donnerstagabend in Brüssel stattfand.
Die staatliche Förderung, um den Lärm der Güterzüge um bis zu 50 Prozent ihres heutigen Lärmpegels zu verringern, ist eine Forderung zumindest der Deutschen Bahn (DB). Die Ausrüstung aller ihrer Güterwagons mit der derzeitig verfügbaren Komposit-Bremssohle (K-Sohle), durch die der Lärm reduziert wird, würde schätzungsweise 600 Millionen Euro, etwa 5000 Euro pro Wagen, kosten, rechnete Joachim Fried von der DB vor. Einem Sektor, der alles andere als reich sei, könne man solche Investitionen alleine nicht aufbürden.
Dass die EU-Kommission bei diesem Thema von ihrer grundsätzlichen Skepsis gegenüber staatlichen Eingriffen in das Wirtschaftsleben abzuweichen könnte, liegt an der Erkenntnis aller Betroffenen, dass die Lärmverringerung der Güterzüge wichtig ist für die Zukunftsfähig der Schiene als Transportweg. Fried berichtete von den Erfahrungen der DB, die Strecke zwischen Karlsruhe und Basel von zwei auf vier Gleise auszubauen. 160.000 Bürgerbeschwerden hätten dazu geführt, dass wahrscheinlich eine Milliarde Euro für Maßnahmen zum Lärmschutz getroffen werden müssen. "Die Akzeptanz von lauten Güterzügen erreicht bei der Bevölkerung ihre Grenzen", berichtete Hendrik Hering, Verkehrsminister von Rheinland-Pfalz, über die Erfahrungen aus dem engen Rheintal zwischen Koblenz und Bingen.
Die EU-Kommission hatte erst Mitte September im Rahmen ihres überarbeiteten Eisenbahnpakets neue gesetzliche Maßnahmen vorgeschlagen, um Investitionen in Lärmschutz für Güterzüge zu belohnen. In einer Art Bonus-Malus-System möchte sie die Trassenkosten für "leise" Züge senken, und im Gegenzug die Betreiber stärker zur Kasse bitten, die mit "lautem" Material fahren. "Anreize sind gut, aber die Kosten dafür dürfen nicht vom Sektor getragen werden", sagte Johannes Ludewig, Exekutivdirektor der Gemeinschaft der Europäischen Bahn- und Infrastrukturunternehmen (CER). Er setzt sich ausdrücklich für die Möglichkeit der staatlichen Hilfen ein, den Güterverkehr auf der Schiene leiser zu gestalten.
Außerdem sei es nicht fair, die Bahn künftig für Lärmbelästigung verpflichtend zur Kasse zu bitten, das gleiche aber bei LKW nur auf freiwilliger Basis zu ermöglichen. "Wenn es bei der Neugestaltung der Eurovignette tatsächlich zur Einbeziehung der Lärmkosten in die LKW-Maut kommt, so ist es ja jedem EU-Mitgliedsstaat frei gestellt, diese Maut auch tatsächlich zu erheben", sagte Ludewig. Er wittert beim Thema Lärmvermeidung erneut eine Ungleichbehandlung zwischen LKW und Bahn – erneut, in seiner Sicht, zum Nachteil der Schiene. (kw)