Schäden gezielt in den Griff bekommen

Stetige Schadensbegrenzung in Unternehmen ist echte Sisyphus-Arbeit, zahlt sich aber ausRiskmanagement Schritt für Schritt umgesetztSchäden gezielt in den Griff bekommenSelbst hartnäckigste Feilscher beißen bei Versicherern derzeit auf Granit. Nur wer konsequent Riskmanagement realisiert, hat unter Umständen bessere Karten. Vor allem aber steigert er die Qualität seines Unternehmens.Eigentlich hatte Transportunternehmer Walter Hedel (Name von der Redaktion geändert) aus Metzingen seine Versicherungskosten reduzieren wollen und sich daher mit seinem Transportversicherer getroffen. Doch schnell war Hedel klar: In diesem Jahr würde er keine Prämienabsenkung erreichen. Es sei denn, so der Versicherungsmitarbeiter, der Unternehmer wäre bereit, die Anzahl seiner Schäden durch Riskmanagement endlich in den Griff zu bekommen. Zunächst lehnte der Metzinger Unternehmer ab, weil er den Aufwand scheute. Als er sich mit dem Thema aber genauer befasste, leuchteten ihm die Maßnahmen schnell ein, die ihm sein Versicherer genannt hattte: Der Fahrer soll LKW und Ladung bei Fahrtbeginn und nach jeder Pause überprüfen. Der LKW solllte auch bei kurzen Aufenthalten immer abgeschlossen sein und die Diebstahlsicherung betätigt werden. Außerdem sollten die Fahrer möglichst wechselnde Strecken fahren und bewachte Parkplätze aufsuchen. Außerdem sollten sie nie Details über Ladung, Fahrstrecke und Bestimmungsort ausplaudern oder ihre Frachtbriefe, Ladelisten, Zolldokumente im Fahrerhaus zurücklassen. Schnell umsetzbare AnweisungenAlles das seien nur einige Beispiele, erzählt Unternehmer Hedel. Sie waren sogar schnell umzusetzen. Vorteil aber sei, so der Baden-Württemberger: Da er sich nun vertraglich verpflichtet habe, die genannten Anweisungen einzuhalten und den entsprechenden Versicherungsschutz abgeschlossen habe, sei sein Unternehmen im Schadensfall abgesichert. Zumindest wenn seine Fahrer nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt haben. Abgesehen davon helfen solche Maßnahmen Fahrzeug- und Ladungsdiebstahl verhindern, also diebstahl- und unfallbedingte Schäden.Für die Prävention von unfallbedingten Schadenskosten aus Frequenzschäden sind hingegen neben diesen genannten Maßnahmen noch weit umfangreichere Vorkehrungen für professionelles Riskmanagement aus gesamtheitlicher Sicht nötig, Hier reicht das Spektrum von Schulungen, die die Mitarbeiter für besondere betriebliche Risiken sensibilisieren, bis hin zur gezielten Ansprache von Kollegen, die regelmäßig mit den gleichen Fehlern auffallen. Oft reichen auch einfache betriebliche Anweisungen. Solche Maßnahmen sind aber erst der zweite Schritt. Zuvor muss das Unternehmen auf Basis der bisherigen Schadensfälle ermitteln, welche Risiken regelmäßig auftreten und welche dieser Risiken die Abläufe in seinem Unternehmen beeinträchtigen. Oft stößt ein Firmenchef dabei auf Vorfälle, die er bislang nicht erfasst oder aber deren kurz- und mittelfristige Auswirkungen er notorisch unterschätzt hatte.Das gilt vor allem für Fahrzeugschäden. Hier ein Rangierfehler auf dem Betriebshof, dort ein zu hastiges Abbiegemanöver oder ein unkonzentrierter Beladevorgang: Häufen sich solche Frequenzschäden, wie die Flottenversicherer immer wiederkehrende Schäden nennen, können schnell fünf- oder gar sechsstellige Kosten im Jahr entstehen. "Solche Vorkommnisse tun auch dem Versicherer richtig weh, weil sie nicht nur vermeidbar sind, sondern auch einen hohen Arbeitsaufwand für relativ kleine Entschädigungszahlungen verursachen, die häufig zusätzlich durch Selbstbeteiligungen gemindert werden", betont Ralph Feldbauer, Geschäftsführer der FCVD GmbH und der RiskGuard Unternehmensberatung in Nürnberg (s. Interview auf Seite 36). Aber auch jeder Transportbetrieb hat mit erheblichen Zusatzkosten zu kämpfen. Jeder Schadensfall bringt eingespielte Betriebsabläufe durcheinander. Fahrer und Fahrzeug können ihre Tour zumindest vorübergehend nicht fortsetzen, der Fuhrparkleiter ist mit Schadensaufnahme, Anwaltstelefonaten und "Aufräumarbeiten" beschäftigt. Über Umsatz- und Gewinnausfälle hinaus müssen Selbstbehalte, LKW-Wertminderungen, Prämienerhöhungen und Transportschäden, die die Versicherung nicht begleicht, berücksichtigt werden. "Im Schnitt kostet jeder Frequenzschaden ab 2300 Euro aufwärts", hat Feldbauer ausgerechnet. "Passieren nur 45 Vorfälle im Jahr, addieren sich die Zusatzkosten auf über 100.000 Euro."Bei Flotten mit über 100 LKW ist dieses Limit erfahrungsgemäß schnell über-schritten. Da solche Posten auf keiner Kostenstelle verbucht werden, schmälern sie den Gewinn oder vergrößern Verluste, ohne dass es das Unternehmen bemerkt. Erst mit Riskmanagement, das die Risiken genau identifiziert und entsprechende Gegenmaßnahmen einleitet, können Zusatzausgaben, Ausfallzeiten und Qualitätseinschränkungen präzise ermittelt werden. Trotzdem tun sich viele Transport- und Speditionsbetriebe noch mit Riskmanagement schwer – wohl auch, weil jeder darunter etwas anderes versteht. Mancher Unternehmer sieht schon die regelmäßige Auswertung von Kennzahlen als ausreichend an, wie unlängst eine Mitgliederumfrage des Speditions- und Logistikverbands Hessen/Rheinland-Pfalz (SLV) ergab. "Wenn Unternehmen Riskmanagement haben, begnügen sie sich meist mit Ad-hoc-Maßnahmen", kritisiert SLV-Geschäftsführer Thorsten Hölser. "Sie müssen dies aber als strategische Aufgabe anpacken."Den Schäden auf der SpurWichtig ist ein systematisches Vorgehen, das möglichst alle Transport- und Logistikvorgänge erfasst. Sind die Schäden nicht in der internen IT dokumentiert, liefern Versicherungen und Makler die nötigen Daten, einige helfen auch bei der Entwicklung des Riskmanagements. "Das Vorgehen hängt von der Analyse ab", sagt Joachim Bussmann, Logistikexperte beim Versicherungsmakler Schunck Group in München. Die Ursachen für immer wiederkehrende Störungen oder Beschädigungen können unterschiedlich sein, wie die Frequenzschäden von LKW zeigen. Mal ist der Fahrer verantwortlich, weil er mit den Besonderheiten seines LKW nicht zurechtkommt; mal ist die Ursache in zu engen Zeitfenstern zu suchen, die zu hastigen Fahr- und Lademanövern einladen. Entsprechend unterschiedlich sind die Riskmanagement-Maßnahmen. Im ersten Fall reicht gezielte Fahrerschulung vielleicht aus, im zweiten müsen unter Umständen Betriebsabläufe neu organisiert werden. Egal welche Maßnahmen man trifft – die Mitarbeiter müssen sie mittragen. "Das Unternehmen muss klarmachen, dass Riskmanagement auch Arbeitsplätze sichert", rät Experte Bussmann. Weiterer Vorteil: Wer schrittweise vorgeht und jeden Vorgang hinterfragt, entdeckt oft bislang nicht versicherte Risiken. Beispiel sind zentrale Firmenstandorte für den ganzen Fuhrpark. Im Falle eines Großbrandes kann unter Umständen die gesamte Flotte vernichtet werden. Versicherer sprechen hier von einem Kumulrisiko – mit entsprechend höheren Prämien. Ansonsten äußern sich die Versicherer auf Anfrage eher verhalten, welchen Einfluss gelebtes Riskmanagement tatsächlich auf die Prämienhöhe hat. So macht Marktführer Allianz Prämiensenkungen vom Einzelfall abhängig und achtet vor allem auf Fahrerqualifikation und Flottenzusammensetzung. Und Versicherer Kravag fordert pauschal Nachweise für den Erfolg des Riskmanagements. Denn Flotten ohne Riskmanagement haben vier- bis fünfmal so viele Schäden, weiß Experte Feldbauer. Trotzdem warnt er vor überhöhten Prämienhoffnungen. "Die Versicherer orientieren sich derzeit mehr an Erträgen als an Umsätzen", weiß er. Außerdem sollte ein Unternehmer nicht nur auf niedrige Prämien schielen. Denn: "Aktives Riskmanagement ist weit mehr als Kostenoptimierung", weiß Peter Zollner, Geschäftsführer der Regensburger Spedition Horst Pöppel. "Es dient auch der ständigen Steigerung des hohen Qualitätsstandards." ❙❚■ Stefan Bottler"Die Ausgaben amortisieren sich schnell"Was müssen Spediteure tun, um Riskmanagement zu realisieren und wie groß ist der Aufwand? Dazu Ralph Feldbauer, Geschäftsführer der FCVD GmbH und RiskGuard Unternehmensberatung.Wie geht ein mittelständischer Unter-nehmer vor, der ein Riskmanagement in seinem Betrieb einführen will? Ralph Feldbauer: Wer externes fachliches Knowhow sucht, sollte dies nicht bei den vorhandenen Fuhrparkdienstleistern einkaufen, wenn er Interessenkonflikte und Vertragsabhängigkeiten vermeiden will. Auf jeden Fall benötigt er einen Riskmanager, der alle Aktivitäten koordiniert. Das können abhängig von der Firmengröße der Inhaber selbst, der Logistikmanager, der Fuhrparkleiter oder der hauptberufliche Sicherheitsbeauftragte sein. Dieser Riskmanager muss das Riskmanagement parallel zu seiner sonstigen Arbeit entwi-ckeln und benötigt deshalb Zeit. Ich beobachte immer wieder, dass unter hohem Zeitdruck schnelle Maßnahmen eingeführt werden, die sich als ineffizient erweisen, weil die permanente Kontrolle fehlt. Mit einem konkreten Maßnahmen- und Verantwortungsorganigramm kann das Unternehmen dem entgegenwirken.Wie sind die Mitarbeiter einzubinden? Wer Mitarbeitern Risikopotenziale bewusst machen will, muss alle Instrumente der unternehmensinternen Kommunikation nutzen. Wenn diese nicht mehr nach der Maxime "Schäden bezahlt ja der Versicherer" handeln, sondern ihren eigenen Arbeitsplatz gefährdet sehen, beginnt Riskmanagement zu wirken. Wichtig ist, dass die Geschäftsführung das enorme Einsparungspotenzial erkennt und Investitionen beispielsweise in die Weiterbildung nicht scheut: Entsprechende Ausgaben amortisieren sich meist bereits sehr kurzfristig.Welche Anforderungen stellen Versicherungen an das Riskmanagement? In-wieweit können hierdurch tatsächlich Prämien gekürzt werden? Ein klares Anforderungsprofil gibt es noch nicht. Allerdings erfordert ganzheitliches Riskmanagement die Erfassung und Analyse aller eingetretenen schadensbedingten Kosten – also auch der Schäden, die der Versicherer nicht zu bearbeiten hat. Weil dieser sozusagen nicht einmal die Hälfte des Gesamtspielfeldes überblickt, kann er als Partner nur sehr eingeschränkt helfen. Wer jedoch die Erfolge seiner Risikomi-nimierungsanstrengungen klar nachwei-sen kann, profitiert in der Regel von deutlich verbesserten Prämien und Vertrags-bedingungen. Mittlerweile gibt es speziell erarbeitete Vertragskonzepte, die den Anstrengungen von Riskmanagement Rechnung tragen – der Versicherer als Risikoträger hat ja auch ein Interesse an ertragsorientierten und kostenbewussten Fuhrparkflotten. botEscada, Hugo Boss, Strenesse – diese und viele andere Hersteller hochwertiger Mode hat die Spedition Barth, Hallbergmoos, als Kunden. "Wenn eine Lieferung ausfällt, weil sie gestohlen wurde oder auch nur verschmutzt ist, können die entsprechenden Teile nicht mehr nachproduziert werden", weiß Qualitätsmanager Erich Höly – alle Lieferungen sind Teile durchgehender Wertschöpfungsketten, die in Deutschland zusammengeführt werden. Und diese Supply Chains funktionieren nur, wenn jedes Glied in der Logistikkette sein Riskmanagement im Griff hat. Deshalb widmete sich die Spedition Barth diesem Thema und entdeckte bei der Analyse der Schadensfälle unter anderem, dass viele Subunternehmer das Gestänge für hängende Ware nicht richtig arretierten – als Folge fielen die Kleidungsstücke während der Fahrt herunter und waren beschädigt oder verschmutzt. Seitdem muss zum Beispiel die Arretierung präzise im Protokoll festgehalten werden. Zudem wurden die 15 Subunternehmer verpflichtet, modernes Equipment anzuschaffen, ihre Fahrer zu bestimmten Verhaltensregeln anzuhalten und einen Versicherungsschutz von 250.000 Euro pro Ladung abzuschließen. Lohn der Anstrengung. "Wir konnten die Prämien trotz Umsatz- und Transportsteigerung von 30 Prozent stabil halten", freut sich Qualitätsmanager Erich Höly. bot

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