Autonom, schnell, Deutschland: Erster Level-4-Lkw fährt

Mit dem Projekt ATLAS-L4 ist Deutschland zum europäischen Vorreiter für autonomes Fahren im Güterverkehr geworden. Erstmals rollt ein Level-4-Lkw unter realen Bedingungen über deutsche Schnellstraßen - ermöglicht durch ein einzigartiges Gesetz und getragen von einem interdisziplinären Konsortium aus Industrie, Forschung und Infrastruktur. Die Initiative zeigt, wie technologische Pionierarbeit die Logistik revolutionieren und den Wirtschaftsstandort stärken kann. Klarer gesetzlicher Rahmen ChatGPT, Dall-E und Co: In unserem Alltag hält künstliche Intelligenz (KI) Einzug. Doch die gesetzlichen Grundlagen und Grenzen müssen erst noch gefunden werden. Die Gestaltung eines rechtlichen Rahmens beim fahrerlosen Fahren ist da weiter: Im Jahr 2021 schuf Deutschland klare gesetzliche Vorgaben, die automatisiertes Fahren auf fest definierten Strecken sowie unter technischer Aufsicht möglich machen (Level 4). Erstmalig gibt es deshalb die Gelegenheit, wichtige Meilensteine für die automatisierte Mobilität der Zukunft zu setzen - und das im laufenden Straßenverkehr. Wir bei MAN Truck & Bus haben diese Chance aktiv genutzt und echte Pionierarbeit geleistet. Mit dem Förderprojekt ATLAS-L4 (Automatisierter Transport zwischen Logistikzentren auf Schnellstraßen im Level 4) hat MAN Truck & Bus gemeinsam mit elf Partnern aus Industrie, Wissenschaft und Infrastruktur einen wichtigen Meilenstein erreicht: Nach rund drei Jahren intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist der fahrerlose Truck im Straßenverkehr Realität geworden. Rund 150 Ingenieurinnen und Ingenieure haben ein industrialisierbares Basiskonzept für autonomes Fahren im Hub-to-Hub-Einsatz entwickelt und erstmals einen Level-4-automatisierten Lkw auf deutschen Schnellstraßen und Autobahnen erprobt - ein Novum, das durch das 2021 verabschiedete Gesetz zum autonomen Fahren möglich wurde. Pionierarbeit mit zwölf Partnern Das Konsortium, bestehend aus MAN Truck & Bus, Knorr-Bremse, Leoni, Bosch, Fernride, BTC Embedded Systems, Fraunhofer AISEC, Technische Universität München, Technische Universität Braunschweig, TÜV SÜD, Autobahn GmbH und WIVW GmbH, hat dabei alle Projektziele erreicht: Die Entwicklung und Integration sicherheitsrelevanter, redundanter Komponenten wie Bremssystem, Bordnetz und Lenkung, die Inbetriebnahme eines Control Centers für die technische Aufsicht sowie die Durchführung umfangreicher Risiko- und Safety-Analysen. Im April 2024 wurde außerdem die erste Level-4-Erprobungsgenehmigung für einen Nutzfahrzeughersteller erteilt, woraufhin die Premiere im öffentlichen Straßenverkehr mit einem autonomen Lkw auf der Autobahn stattfand - selbstverständlich stets mit Sicherheitsfahrer an Bord. Schutz gegen Cyberangriffe Auch dem immer mehr an Bedeutung gewinnenden Thema Cybersecurity widmete sich das Projekt intensiv. Ziel war es, parallel zur Technik die notwendigen Konzepte zu entwickeln, um fahrerlose Lkw und Control Center ganzheitlich abzusichern - von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Betrieb. Dafür wurde eine in der Automobilentwicklung etablierte Methode zur Security-Risikoanalyse (Modular Risk Assessment, MoRA) gezielt auf die Anforderungen des autonomen Hub-to-Hub-Verkehrs angepasst. So konnten spezifische Bedrohungsszenarien identifiziert und geeignete Schutzmaßnahmen abgeleitet werden, etwa zur sicheren Datenübertragung, zur Härtung sicherheitskritischer Komponenten oder zur Resilienz des Control Centers gegenüber Cyberangriffen. Die gewonnenen Erkenntnisse flossen in ein prototypisches Security-Managementwerkzeug ein, das bereichsübergreifend Risiken dokumentiert und bewertet - ein wichtiger Schritt hin zu einem durchgängigen Schutz über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg. Ergänzend dazu wurden regulatorische Anforderungen wie die UNECE-Vorgaben und ISO/SAE 21434 berücksichtigt und in konkrete Sicherheitsanforderungen für die Serienentwicklung überführt. Damit leistet ATLAS-L4 auch im Bereich Cybersecurity Pionierarbeit und schafft die Grundlage für den sicheren Betrieb autonomer Nutzfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr. Die Stärke von ATLAS-L4 lag dabei im interdisziplinären Ansatz: Industrie, Softwareentwicklung, Forschung und Verwaltung arbeiteten eng zusammen. MAN Truck & Bus verantwortete die Gesamtsystementwicklung und Integration aller Komponenten ins Fahrzeug sowie die Datenübertragung und das Control Center. Partner wie Knorr-Bremse, Leoni und Bosch steuerten ihre jeweilige Systemkompetenz bei, während wissenschaftliche Einrichtungen und Prüforganisationen die technische Machbarkeit, Sicherheit und Zulassung begleiteten. Autonome Lkw: Nutzen für die Logistik Die Ergebnisse zeigen: Autonome Lkw können einen entscheidenden Beitrag zu mehr Effizienz, Sicherheit und Flexibilität im Warentransport leisten. Sie helfen, den akuten Fahrermangel abzufedern, und ermöglichen einen kontinuierlichen Betrieb ohne Lenk- und Ruhezeiten. Automatisierte Transporte reduzieren Staus und Unfälle, da menschliches Versagen als Unfallursache minimiert wird. Die gewonnenen Erkenntnisse und Technologien dienen als Blaupause für die Serienentwicklung und die Integration in bestehende Logistikprozesse. Automatisierte Transportkonzepte sind folglich oft Auslöser für die Debatte, ob eine Welt ohne Fahrerinnen und Fahrer nicht eine Gefahr für Arbeitsplätze darstelle. Das Gegenteil ist der Fall: Die Transportbranche leidet seit langer Zeit unter einem enormen Fahrpersonalmangel. Ein Problem, das sich durch den demografischen Wandel zuspitzen wird. Automatisierte Transportsysteme können diesen Personalmangel teilweise auffangen und die Branche entlasten, etwa, indem automatisierte Lkw auch ohne Lenk- und Ruhezeiten zu allen Tages- und Nachtzeiten eingesetzt werden können. Serienreife offen Die Initiative ATLAS-L4 stellt einen Meilenstein in der Entwicklung autonomer Nutzfahrzeuge dar und bildet die technologische Grundlage für die zukünftige industrielle Serienfertigung fahrerloser Lkw. Die bisherigen Fortschritte zeigen, dass autonome Lkw nicht nur technisch realisierbar sind, sondern auch das Potenzial haben, die Logistikbranche grundlegend zu transformieren. Für die Erreichung der Serienreife sind jedoch noch zahlreiche Detailfragen zu klären. Dazu zählen insbesondere die nahtlose Integration autonomer Fahrzeuge in bestehende operative Abläufe, die Entwicklung effizienter Prozesse für das autonome Laden in Logistikdepots sowie die Anbindung an digitale Transport- und Frachtmanagementsysteme, um eine durchgängige digitale Wertschöpfungskette zu ermöglichen. Doch MAN kann auch hier schon auf Entwicklungs-Know-how zurückgreifen: Gemeinsam mit der Deutschen Bahn, Hochschule Fresenius und Götting KG wurde im Projekt "Autonome Innovation im Terminalablauf" (ANITA) ein selbst fahrender Lkw entwickelt, der seine Transportaufgabe im Containerumschlag erfüllt - der Projektabschluss erfolgte 2023. In sechsmonatigen Praxistests im DB Intermodal Services Container-Depot und im DUSS-Terminal Ulm zeigte das Fahrzeug eine bis zu 40 Prozent höhere Produktivität im Vergleich zu herkömmlichen Lkw. Erleichterungen bei der Durchführung von Tests Ein ganzheitlicher Beratungsansatz wird künftig eine zentrale Rolle spielen, um Unternehmen bei der optimalen Einbindung autonomer Fahrzeuge und der zugehörigen Ladeinfrastruktur in ihre Logistiknetzwerke zu unterstützen. Ziel ist es, durch intelligente Systemintegration maximale operative Effizienz und signifikante Kostenvorteile für die Kunden zu realisieren. Parallel dazu entwickelt sich die regulatorische Landschaft in Europa weiter. Der EU-Action Plan Automotive sieht gezielte Erleichterungen bei der Durchführung von Tests und der Zulassung automatisierter Fahrzeuge vor. Dies betrifft insbesondere auch fahrerlose Transporte über internationale Langstrecken, die bislang regulatorisch stark eingeschränkt waren. Ergänzend dazu könnte das Konzept des teleoperierten Fahrens eingesetzt werden, um komplexe Fahrsituationen außerhalb von Logistik-Hubs sicher zu bewältigen und die Einsatzmöglichkeiten von Level-4-Fahrzeugen zu erweitern. Ausblick: Die nächsten Schritte Mit dem Projekt ATLAS-L4 ist der fahrerlose Lkw im öffentlichen Straßenverkehr Realität geworden. Die Pionierarbeit der beteiligten Partner demonstriert, dass autonome Lkw nicht nur technologisch umsetzbar sind, sondern auch als Schlüsseltechnologie für die Logistik 4.0 gelten. Die nächsten Schritte liegen nun in der industriellen Skalierung, der Integration in die Kundenprozesse sowie in der weiteren Ausgestaltung der regulatorischen Rahmenbedingungen, um den breiten Einsatz autonomer Nutzfahrzeuge zu ermöglichen. Dabei sind starke Partnerschaften aus Industrie, Wissenschaft und Infrastruktur der essenzielle Schlüssel zum Erfolg. Georg Grüneißl ist seit September 2024 Leiter Produktstrategie und -planung bei MAN Truck & Bus. Er studierte Maschinenwesen und Management an der Technischen Universität München. Seine Karriere startete er 2010 als Graduate Trainee Engineering bei MAN Truck & Bus. 2012 bis 2016 übernahm er dort verschiedene Positionen im Bereich Gesamtfahrzeugerprobung. 2016 bis 2018 wurde er bei MAN Vorstandsassistent im Bereich Forschung und Entwicklung. 2022 stieg er zum Leiter Elektrik/Elektronik Funktionsarchitektur bei Scania auf.

Autonom, schnell, Deutschland: Erster Level-4-Lkw fährt

Aufkommensentwicklung Quartal 1/2022 bis Quartal 4/2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum

Marktübersicht: Kombi-Operateure in Europa

MEISTGELESEN

Markteintritt aus China – Der Superpanther eTopas 600 unter der Lupe

Schnieder gibt Startschuss für Albaufstieg und weitere Straßenbauprojekte

ADAC-Studie: Parkplatzmangel wegen Lkw-Falschparkern?

NEWSLETTER