Prüfen am Bosporus

Funktioniert ein im Wesentlichen in Deutschland entwickeltes und erprobtes Konzept zur technischen Überwachung von Fahrzeugen auch unter gänzlich anderen Bedingungen in der Türkei? Diese Frage stellten sich viele Branchenbeobachter, als sich TÜV SÜD gemeinsam mit zwei türkischen Partnern, der Dogus Holding und dem Bauunternehmen Akfen, im Jahr 2005 für die Konzession zur Durchführung der Hauptuntersuchung an allen türkischen Fahrzeugen bewarb. Acht Jahre nach dem für TÜV SÜD erfolgreichen Abschluss des Vergabeverfahrens ist die Antwort längst klar. TÜVTÜRK mit Sitz in Istanbul hat seine Dienstleistungen erfolgreich etabliert - mit signifikant positiven Auswirkungen für die Verkehrssicherheit in der Türkei. "Wir führen jährlich 8 Millionen Hauptuntersuchungen und 2,7 Millionen Abgasuntersuchungen durch", sagt Murat Dambali, Technical Director für internationale Projekte von TÜV SÜD. Geprüft werden alle Arten von Fahrzeugen, Traktoren, Motorräder, Pkw und Nutzfahrzeuge. Mit 3500 Mitarbeitern ist TÜVTÜRK mittlerweile ein großer Arbeitgeber. Dambali, der vor 20 Jahren als Sachverständiger an einer Prüfstelle von TÜV SÜD anfing, hat die Entwicklung in der Türkei von Anfang an begleitet. Er war von 2005 bis 2010 am Aufbau beteiligt, wobei ihm seine Zweisprachigkeit zugute kam. Alles begann mit der Entscheidung der türkischen Regierung, die EU-Richtlinie 96/96/EC auch in ihrem Land anzuwenden. Bis dahin wurden die Kraftfahrzeugprüfungen durch ein Netz von staatlichen Prüfstellen durchgeführt. Es handelte sich um eine Sichtprüfung, bei der dieAngaben in den Fahrzeugpapieren mit dem Zustand des Autos verglichen wurden. Wichtig war die Fahrtüchtigkeit beim Vorführen der Fahrzeuge - und ob alle Steuern bezahlt waren. NachdemTÜVTÜRK im Jahr 2007 den Zuschlag für eine 20-jährige Konzession erhalten hatte, begann derAufbau des Prüfnetzes. Laut der Vereinbarung mit der Regierung hatte die Prüforganisation zwei Jahre Zeit, um ein Netz aus 189 stationären und 81 mobilen Prüfstellen aufzubauen. "Die mobilen Prüfstellen sind insbesondere in den ländlichen Gebieten im Einsatz, wo der Weg zur nächsten Prüfstelle beispielsweise für Traktoren und Mopeds zu weit ist", erklärt Dambali. Die mobilen Anlagen ziehen nach einem regelmäßigen Rhythmus durch die Provinzen und werden dort von den Fahrzeuginhabern aufgesucht. Sie verfügen unter anderem über einen mobilen Bremsenprüfstand. Für die stationären Prüfstellen gilt ein einheitlicher Standard und ein einheitliches Layout: Erst Bremsenprüfstand, dann Fahrzeuggrube und schließlich die Anlage zur Überprüfung der Scheinwerfer. Mittlerweile sind die Prüfungen nach EU-Standard für die türkischen Autofahrer längst eine gewohnte Prozedur - in den Anfangszeiten war das allerdings ganz anders, wie sich Dambali erinnert. Durch die gründlicheren Prüfungen schnellte zunächst die Beanstandungsquote nach oben - was natürlich zuerst Ärger auslöste. Die von den Prüfern nicht akzeptierten Fahrzeuge mussten zuerst in einer Werkstatt in einen verkehrssicheren Zustand versetzt und dann erneut vorgeführt werden. Dass die Nachprüfung in der Türkei kostenlos ist, hat einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz geleistet, meint Dambali. "Nebeneffekt war, dass die Werkstätten 30 Prozent mehrAufträge bekommen haben", ergänzt der TÜV SÜD Manager. Doch auch die Autofahrer profitieren: Pfusch in der Werkstatt fällt bei der Nachkontrolle auf und kann von denAutobesitzern reklamiert werden. "Die Qualität in denAutowerkstätten ist mittlerweile viel besser geworden", nennt Murat Dambali einen Nebeneffekt. Prüffristen und Prüfumfang unterscheiden sich aufgrund der Anwendung der Richtlinie 96/96/EC nicht signifikant von denen in der EU. Eine türkische Besonderheit ist aber geblieben: Die ersehnte TÜV-Plakette gibt es nur, wenn auch die Steuern bezahlt sind. Anfangs bedeutete das, dass sich die Autofahrer im Vorfeld der Prüfung verschiedene Bescheinigungen besorgen mussten. Inzwischen hat sich der Bürokratieaufwand entscheidend verringert. Die Prüfstellen sind über ihr IT-System mit den zuständigen Behörden verbunden - der Status der Steuerzahlungen kann online abgefragt werden. Auch das Prüfstellennetz wurde angepasst, um den Autofahrern lange Wartezeiten zu ersparen. "Mittlerweile gibt es 199 stationäre und 105 mobile Prüfstellen sowie fünf spezielle Prüfstellen für Motorräder", sagt Dambali. An der Qualität der Dienstleistung wird stets gefeilt. Das Kundenmanagement von TÜVTÜRK ist beispielsweise nach DIN EN ISO/IEC 17020 Typ A zertifiziert. TÜV SÜD Ansprechpartner Murat Dambali Tel.: 08 9/57 91-32 76, E-Mail: murat.dambali@tuev-sued.de