Mosaik der Überwachung

Mosaik der ÜberwachungDie verdachtslose Massen-erfassung von KFZ-Kennzeichen ist in einigen Bundesländern erlaubt – eine Praxis, die nicht nur der ADAC als verfassungswidrig ansieht.Das automatische Erfassen von Autokennzeichen per Video verstößt nach einem Rechtsgutachten im Auftrag des ADAC meist gegen das Grundgesetz. Insgesamt würden in neun Bundesländern die Nummernschilder automatisch registriert, lediglich in Brandenburg sei diese Praxis weit gehend verfassungskonform, heißt es in der Untersuchung. Die verdachtslose Erfassung von Kennzeichen wird derzeit vom Bundesverfassungsgericht überprüft; eine Entscheidung wird im Frühjahr erwartet. Der Kasseler Rechtsprofessor Alexander Roßnagel kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass die Technik, bei der die Nummernschilder automatisch gelesen und mit Fahndungsdateien abgeglichen werden, ein schwerwiegender Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Bürger sei. Neue ÜberwachungstechnologieMit den Daten könnten Bewegungsprofile einzelner Bürger erstellt werden. Unterstützt wurde der ADAC vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar, der ein "Mosaik der Überwachungen" befürchtet. Die Kennzeichenerfassung sei "nur der Einstieg in eine neue Überwachungstechnologie". Eine Zusammenführung mit anderen Daten, wie es bereits in Großbritannien geschehe, sei "nur eine Frage der Zeit". Bisher gibt es erst in neun Ländern entsprechende Gesetze, in den übrigen wird die Erfassung von Autokennzeichen durch stationäre oder mobile Videogeräte nicht praktiziert. Roßnagel rügte insbesondere Rheinland-Pfalz und Hessen sowie Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Hier werde ohne Verdachtsanlass, ganz zu schweigen von einem richterlichen Beschluss, das Erfassen der Kennzeichen zum Datenabgleich zugelassen. In Bayern und Mecklenburg-Vorpommern seien nur einzelne Bestimmungen nicht mit der Verfassung vereinbar, während der Erfassung in Brandenburg enge Grenzen gesetzt seien. Nach Ansicht des Gutachters wird auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt, da die Erfassung zu keinen nennenswerten Erfolgen führe. So seien in Hessen zwischen März und November 2007 rund eine Million Autonummern kontrolliert worden, was zu 300 Treffern führte. Im Übrigen hätten die Geräte eine Fehlerquote von zwei bis zehn Prozent, und schon mit einem gefälschten Kennzeichen können Kriminelle sie in die Irre führen. Auch dürften Landesgesetze die Technik nur zum Zwecke der Gefahrenvorbeugung und nicht zur Strafverfolgung gestatten, da die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liege, monierte der Rechtswissenschaftler. ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker wies darauf hin, dass die Erfolgsquote der Geräte bei nur 0,03 Promille liege. Der FDP-Verkehrsexperte Patrick Döring kritisierte, die automatische Kennzeichenerfassung stelle alle LKW- und Autofahrer unter Generalverdacht. "Es besteht die Gefahr einer Profilbildung, sodass ermittelt werden kann, wer wann wo gefahren ist." Auch die Grünen-Datenschutzexpertin Silke Stokar von Neuforn sprach von einem "Verfassungsbruch". ❙❚■ Jörg Kürschner, Korrespondent

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