LKW-Verkehre in der Türkei

LKW-Verkehre in der Türkei Dänisches Bier für den Irak Auf einem Zollhof in Izmir verschmelzen Okzident und Orient: Die LKW-Verkehre in der Türkei verbinden diese verschiedenen Welten. Auf dem Zollhof in Izmir trifft der Orient den Okzident und dänisches Bier auf Grundnahrungsmittel aus dem Irak. Dazu Fahrer aus aller Herren Länder, die neben den oben genannten Produkten vor allem Produkte für die Automotive- und Bekleidungsindustrie fahren, die als Motoren der aufstrebenden türkischen Wirtschaft gelten. Umso mehr wundert man sich als Außenstehender über die aktuellen Unruhen. Die und die Krise in Syrien und dem Irak stören auch den 32-jährigen kurdischstämmigen Fahrer Metin Karaaslan, der schon schwierigere Zeiten erlebt hat: Als der türkische Staat noch weniger auf die kurdische Minderheit einging, zog Karaaslan nach Deutschland. Da ein Teil der Familie in der Türkei verblieb, kehrte er zurück und bekam dann erstmal Probleme mit den Behörden. Mittlerweile hat sich das erledigt und er ist zufrieden mit dem Leben in der Türkei. Geringe Löhne, hohe Fahrtkosten Metin stammt aus Idil in der Provinz Şırnak im Südosten des Landes, unweit der syrischen Grenze und lud bei der Izmirer Tuborg-Depandance Dosenbier für den Irak. Mit ihm kamen weitere Kollegen wie der 28-jährige Hamza Papo, der ebenfalls einen sehr neuen Axor 1840 samt Fruehauf-Sattel voller Tuborg-Dosen gen Irak steuern wird. Papo rechnet für die Hinfahrt rund drei Tage Fahrzeit. Der Lohn dafür ist gering: Nur rund 400 Euro verdienen LKW-Lenker für ihre Touren gen Orient. Demgegenüber stehen hohe Dieselpreise in der Türkei und immer mehr Autobahnen, auf denen Maut zu entrichten ist. Gegenüber warten die schwarzen Züge der Firma Ünkar, die Mehmet Kara und Ikagol Veysel lenken. Auch Mehmet spricht deutsch und fährt seit zwölf Jahren. Ein Teil seiner Familie ist noch in Düsseldorf, wo auch er einige Jahre verbrachte. Jetzt lebt er in Adana, der fünftgrößten türkischen Stadt in der gleichnamigen Provinz im Südosten des Landes. Beide Züge luden in Istanbul Alcoa-Alufelgen. Von dort ging es per Schiff nach Izmir, von wo aus Kara und Yesel gen Osten weiterfahren. Tagelanges Warten auf Rückfracht Doch dort dauert es manchmal ein paar Tage, bis Rückladungen gefunden sind: Denn aufgrund der Unruhen in den angrenzenden Staaten wie Syrien oder dem Irak fehlt dort nach wie vor die industrielle Basis. Folglich laden die Fahrer meist Grundnahrungsmittel wie Zucker, Milch oder Öle. „Die Region und die Unruhen machen uns Sorgen“, erklärt Mehmet. Früher konnten er und seine Kollegen problemlos quer durch Europa bis in den Irak durchfahren, heute muss man östlich der Türkei vorsichtig sein. Immerhin habe sich die Vielvölkerthematik etwas entschärft, wenngleich hier noch größere Schritte zur endgültigen Versöhnung aller Gruppen unternommen werden könnten. Immerhin sind laut CIA rund zwanzig Prozent aller Einwohner kurdischstämmig. Bei den Fahrern beträgt der Anteil laut Metin eher sechzig Prozent, weiter gen Osten seien gar 85 von 100 Fahrern Kurden. Für Senih Oguz und Hasan Kotan spielt das alles keine Rolle. Die beiden gehören mit ihren metallicblauen Volvo FH des Logistikriesen Ekol zu den Königen des Fernverkehrs und fahren Autoteile. Ekol legte allein 2012 ein Umsatzwachstum von fast 30 Prozent hin und ist mittlerweile in ganz Europa aktiv. Neben den türkischen Zügen finden sich vor allem Nummernschilder aus Südosteuropa wie Serbien, Bulgarien oder Rumänien. Vorn bei der Einfahrtsschranke bietet ein Imbiss Snacks und Getränke an, dazu kommt eine „Open-Air-Dusche“ und ein Grillplatz. Ein kleiner Shop verkauft Feuerzeuge, Werkzeug, Gaskocheraufsätze und Karabinerhaken. In den Gesprächen auf dem Zollhof wird einem bewusst, welchen Spagat die Türkei intern gerade macht: In den westlich liegenden Zentren wie Istanbul oder Izmir wird nach Weltklassestandard geforscht, entwickelt und gefertigt. Viele Führungskräfte sind weiblich und tragen ihr Haar selbstverständlich offen. Auch mitteleuropäische Mitarbeiter kommen mittlerweile gern in die sonnige Region Izmir. Aber schon wenige Kilometer Richtung Landesmitte arbeiten noch Schafhirten fernab jeder Hochtechnologie in den Tag hinein. Statt LKW werden vereinzelt noch Kutschen gelenkt. Doch es wird weitergebaut: Künftig soll ein Tunnel unter dem Bosporus die U-Bahn-Verbindungen beider Istanbuler Stadtteile beschleunigen. Überirdisch soll eine dritte, zweigeschossige Brücke acht Autobahnspuren und weitere Bahngleise bieten. Sehr zur Freude der Fahrer und Logistikdienstleister in der Türkei, die sich der einmaligen Rolle ihres Landes längst bewusst sind. ❙❚■ Gregor Soller Türkei in zahlen (2012) Fläche: 814.578 km2 Einwohnerzahl: 74,7 Millionen (Dez. 2011)Bruttosozialprodukt: 608 Mrd. Euro Pro-Kopf-Einkommen: 8119 Euro Wirtschaftswachstum: 2,2% (2011: 8,5%) Inflationsrate: 7,3% (März 2013) Autobahnnetz: 2036 km (2013), Besonderheit: In der Türkei entsprechen die Europastraßen teils dem asiatischen Fernstraßennetz (Autobahn Otoyol 2=Europastraße 80= Asian Highway 1), geplant sind 4773 Kilometer bis 2023 Eisenbahnnetz: 10.984 km Spritpreise: Die Türkei hat die höchsten Spritpreise Europas. Im Januar 2013 erreichten sie wegen erhöhter Steuern mit durchschnittlich 2,02 Euro einen neuen Rekordstand. Dazu kommen neun Autobahnabschnitte mit streckenabhängiger Maut. Beides treibt die Transportkosten im Land. „Früher konnte man im Prinzip problemlos vom Nordkap bis in den Irak durchfahren“ Metin Karaaslan Fahrer Tuborg Bier