Lagerkapazitäten besser ausschöpfen

Liest man die Wasserstandsmeldungen der Immobilienwirtschaft, könnte man meinen, es sei genug Platz für alle da: Mit 7,6 Millionen Quadratmetern Flächenumsatz erzielte der deutsche Lager- und Logistikflächenmarkt 2018 erneut einen Rekordwert, meldete unlängst BNP Paribas Real Estate. Damit sei das Vorjahresergebnis um 17 Prozent und der zehnjährige Durchschnitt sogar um 38Prozent übertroffen worden. Bekanntlich ist die Nachfrage nach Logistikimmobilien aber ebenso riesig, wird eine Immobilie in einigermaßen guter Lage fertiggestellt, dauert es nicht lange bis zur Vollvermietung. Langfristige Lagerfläche anzumieten, ist also schon nicht ganz einfach - noch schwieriger wird es, wenn kurzfristig Lagerraum gebraucht wird. Denn Logistikdienstleister und ihre Kunden können noch so gut kalkulieren - nicht immer deckt sich die bestehende Lagerkapazität mit dem tatsächlichen Platzbedarf. Sei es durch schwankende Produktionsspitzen oder Aktionsware, die kurzfristig gelagert werden muss. Hier setzen Lagerbörsen an. Als Pionier dürfte TimoCom gelten: Auf der 2012 gelaunchten Lagerbörse des Transportplattformbetreibers können freie Flächen von TimoCom-Mitgliedern nach Lagerart, Größe und Standort angeboten und gesucht werden.ShareHouse setzt auf TransparenzAuch die Ansiedlungsplattform Gewerbegebiete.de hat auf die Nachfrage nach kurzfristig verfügbaren und von Logistikdienstleistern bewirtschafteten Lagerkapazitäten reagiert. Seit Herbst 2017 kann man über ein Warehousing-Modul nach Kapazitäten suchen. Die Anzahl der dort aufgeführten Angebote bewegt sich deutschlandweit zwar noch im zweistelligen Bereich, die Zahl steige jedoch stetig, betonen die Plattformbetreiber.Der jüngste Onlineservice für kurzfristig verfügbare Lagerfläche ist ShareHouse. Das Berliner Start-up ging vor rund einem Jahr an den Start und betreibt eine Onlineplattform, über die Kapazitäten angeboten und direkt online gebucht werden können. Diverse Filter ermöglichen eine detaillierte Suche, zum Beispiel nach Ort, Lagertypen oder Zertifizierungen. Das System ermittelt passende verfügbare Lager und listet in den Suchergebnissen alle relevanten Faktoren wie Kosten, Betriebszeiten, Branchenerfahrung sowie die Kontaktdaten des Lagerbetreibers auf. Als zentrales Alleinstellungsmerkmal von ShareHouse sehen die Betreiber die Preistransparenz - "die findet man nirgendwo anders", betont Managing Director Jörg Klöpper (siehe Interview).Als Logistikdienstleister auf ShareHouse vertreten ist auch B+S Logistik und Dienstleistungen mit Hauptsitz im westfälischen Borgholzhausen. "Reine Lagerbörsen sind ein relativ neues Thema, daher war es für uns naheliegend, die ShareHouse-Plattform auszuprobieren und damit Erfahrungen zu sammeln", sagt Stefan Brinkmann, geschäftsführender Gesellschafter B+S. Ihn sprach vor allem an, dass bei ShareHouse - im Gegensatz zu Lagerbörsen, die etwa an eine Laderaumbörse angedockt sind - die Nutzergruppe wenig eingeschränkt ist."Unsere Zielgruppe sind weniger Spediteure, die reine Lagerflächen suchen, sondern als Kontraktlogistiker arbeiten wir viel mit Direktkunden zusammen und bieten ihnen auch zusätzliche Dienstleistungen", so Brinkmann. Dabei listet B+S vor allem Kapazitäten an Standorten, wo noch Platz ist für strategisches Wachstum. "Da auch wir an unsere Kapazitätsgrenzen kommen, steuern wir mit Neubauten gegen", erklärt der B+S-Geschäftsführer. Zuletzt sei in Nürnberg ein neues Lager in Betrieb genommen worden, in Bielefeld entstehen gerade weitere 20.000 Quadratmeter. "Hier finden sich dann noch Überkapazitäten, die wir über ShareHouse anbieten können", sagt Brinkmann.Die Gründe, warum Kunden kurzfristig Lagerkapazitäten brauchen, sind vielfältig. "Wir sind viel im Konsumgüterbereich unterwegs und da fällt die Ware manchmal buchstäblich vom Himmel. Der Klassiker ist natürlich, dass Abverkäufe nicht so laufen wie geplant", erklärt Brinkmann. Ein Faktor, der aber noch einmal für eine zusätzliche Nachfrage nach Lagerflächen sorgt, sei derzeit die Brexit-Thematik. Bei in Großbritannien produzierenden Unternehmen herrschte zuletzt eine große Verunsicherung bezüglich der künftigen Zollformalitäten, weiß Brinkmann. "Da möchte der eine oder andere nah am Zielmarkt sein und sich entsprechend Logistikfläche sichern."Auch sehr kurzfristige Anfragen schnell realisieren zu können, sieht Brinkmann als eine der Stärken seines Unternehmens. "Ich hatte beispielsweise eine Anfrage aus dem Automotive-Sektor, die wir in weniger als einer Woche umgesetzt haben - hier ging es um nicht weniger als 10.000 Quadratmeter Hallenfläche", sagt Brinkmann. Einen Deal direkt über die Plattform hinzubekommen, sei allerdings nicht einfach, Anfrage und Angebot müssten schließlich zueinanderpassen. So erhalte B+S beispielsweise auch viele Anfragen von Onlinehändlern, die in sehr kleinem Umfang ihre Logistik outsourcen möchten. Die seien laut Brinkmann besser bei Fulfillment-Dienstleistern wie der Otto-Tochter ODC aufgehoben, die ihr Angebot passgenau auf diese Zielgruppe zugeschnitten hat. "Wenn eine Zusammenarbeit etwa auch IT-Anbindungen umfasst, sollte der Kunde schon eine gewisse Größenordnung haben", sagt Brinkmann.Die größte Herausforderung beim Prinzip Lagerbörse sei allerdings die Preisgestaltung, betont Brinkmann. Schließlich herrsche eine generelle Verknappung am Markt, vielerorts sind die Flächen und die Dienstleistungsverfügbarkeit schlichtweg nicht gegeben. Außerdem sei es ein großer Unterschied, ob ein potenzieller Kunde nur eine gewisse Anzahl von Paletten unterstellen will oder das komplette Paket an Logistikdienstleistungen benötigt. Mit Letzterem verdienen Unternehmen wie B+S schließlich ihr Geld. "Mit Festpreisen zu arbeiten, bevor man sich überhaupt mit einem Kunden unterhalten hat, halte ich daher für schwierig", sagt Brinkmann. Das Schöne an ShareHouse sei die Kontaktvermittlung, der Deal an sich finde zwischen Kunden und Lagerbetreiber statt. "Die Flexibilität, auch was das Aushandeln der Konditionen und Laufzeiten angeht, bleibt also gewahrt", sagt Brinkmann.ShareHouse sind diese Bedürfnisse durchaus bewusst - pünktlich zur LogiMAT wurden die Funktionalitäten um eine Chat- und Angebotsfunktion ergänzt. Logistiker bekommen so die Möglichkeit, noch vor der Erstellung eines konkreten Angebots Rückfragen zu stellen. Eine Upload-Funktion ermöglicht es Kunden, beispielsweise angefragte Sicherheitsdatenblätter oder Bilder der verpackten Ware bereitzustellen. Wurden alle Fragen geklärt, kann der Logistiker direkt über die Plattform ein digitales Angebot erstellen. Andersherum sind Lagersuchende in der Lage, ihre Anfragen zu spezifizieren, beispielsweise hinsichtlich der Bestückung von Displays oder der Fristen für die Bereitstellung der Güter.Zentrale Anlaufstelle für VerladerEinen anderen Ansatz als klassische Lagerbörsen verfolgt das Anfang 2016 gegründete LogCoop-Lagernetzwerk. Die Lagerkapazitäten der Mitglieder seien laut Geschäftsführer Marc Possekel hauptsächlich für Verlader und Handelsunternehmen gedacht. "Wir möchten einer der zentralen Ansprechpartner für Auftraggeber sein", sagt Possekel. Im Gegensatz zu reinen Börsen nehme das Log-Coop-Lagernetzwerk Anfragen und Ausschreibungen auf, prüfe jede einzelne Lagerfläche über eine Datenbank auf Machbarkeit und frage alle infrage kommenden Mitglieder an, ob sie Interesse an dem angefragten Auftrag haben, betont Possekel. Dabei fahren auch schon einmal LogCoop-Mitarbeiter mit bedeutenden Kunden die Lager ab. Im Gegensatz zur klassischen Lagerbörse sieht sich Log-Coop als Ansprechpartner für mittel- bis langfristige Anfragen und komplexere Lösungen, auch mit Beschaffungs- und Distributionslogistik. Kurzfristige Anmietungen würden laut Possekel zwar angefragt, seien tendenziell aber rückläufig. Dies habe viel damit zu tun, dass je nach Region und Branche freie Kapazitäten rar werden, bestätigt auch der LogCoop-Geschäftsführer. So müsse der Kunde teils von bestimmten Orts-, Größen- oder Dienstleistungswünschen abrücken und Alternativen in Anspruch nehmen. Zwar werde innerhalb der LogCoop noch viel zusätzlicher Lagerraum durch Bau, zusätzliche Anmietung und Kauf geschaffen. "Mangelware sind aber zum Beispiel Gefahrstofflager, Frischelager und Lager für größere Palettenmengen mit kürzerer Vertragslaufzeit", weiß Possekel.Ebenfalls ein Warehouse-Netzwerk gegründet hat der Europäische Ladungs-Verbund Internationaler Spediteure Elvis (siehe Kasten). "Wir wollen die Chancen und Möglichkeiten, die sich durch unsere Kooperation für jeden Einzelnen von uns ergeben, gänzlich aus-schöpfen und nicht nur in Bezug auf Transportdienstleistungen", sagt Jochen Eschborn, Vorstandsvorsitzender Elvis. Schon bald soll das Mitgliederportal "blue.net" um eine Suche-Biete-Plattform für Lagerflächen erweitert werden.Ladungs-Verbund stößt ins Warehousing vorDie im Elvis-Verbund zusammengeschlossenen Unternehmen wollen künftig nicht nur in Bezug auf Transport, sondern auch bei Lager- und anderen Logistikdienstleistungen gemeinsame Sache machen. Die Realisierung des Projektes "Warehouse" geht voran, aktuell 55 der insgesamt knapp 190 Elvis-Mitglieder haben sich Unternehmensangaben zufolge dem Lagernetzwerk angeschlossen. Ziel der Initiative sei es, Leerstände bei den Mitgliedern zu vermeiden und zusätzliche Lagerflächen überregional jederzeit an jedem Standort im Kreise der eigenen Partner anbieten zu können. Im Mittelpunkt soll die Vermittlung von Lagerflächen über das neu aufgesetzte Webportal"blue.net" stehen. Über eine Suche-Biete-Funktion können künftig Leerflächen vermietet beziehungsweise gebucht werden. Dieser Service soll ab Mai 2019 sowohl über Desktop als auch mobil über eine App zugänglich sein. Die Vermittlung von Lagerkapazitäten wird zunächst ausschließlich Verbundmitgliedern offenstehen, über eine spätere Öffnung der Plattform für externe Marktteilnehmer denkt Elvis aber nach. MH

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