Konjunktur 2011

Konjunktur 2011Ein Anstieg mit RisikenDie Vorhersagen für die konjunkturelle Entwicklung 2011 sind gut. Der Aufschwung setzt sich fort, sagen die Wirtschaftsforscher. Abwarten, sagen einige Skeptiker und zeigen sich zurückhaltend angesichts der sich abzeichnenden Risiken.Jeder, der in die Berge geht, weiß das: Lange bevor der Rucksack geschultert und die Wanderschuhe geschnürt werden, informiert sich ein Bergsteiger, wie das Wetter wird. Denn ein Gewitter in den Bergen, das kann böse enden.Merkels Wander- und WetterkarteWas Angela Merkel vor zehn Tagen in den Händen hielt, war so etwas wie der Wetterbericht und die Wanderkarte für die deutschen Unternehmen in einem. Die befinden sich ja bekanntlich seit Jahresbeginn mitten in einem Anstieg und wüssten nur zu gerne, wohin der Weg führt und ob womöglich unterwegs Ungemach droht. Also hat der Vorsitzende des Sachverständigenrates (SVR), Professor Wolfgang Franz, der Bundeskanzlerin ein 441 Seiten starkes Paket überreicht, in dem die fünf unabhängigen Wirtschaftsforscher ihre Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung 2010/2011 niedergeschrieben haben. Für die deutschen Transportdienstleister haben solche Vorhersagen eine besondere Bewandtnis: Wird doch die Nachfrage nach Frachtraum und logistischen Leistungen immer als „abgeleitete Nachfrage“ bezeichnet, was nichts anderes heißt als: Haben Industrie und Handel gut zu tun, sind auch die Auftragsbücher des Transportgewerbes gut gefüllt. Daher zeigen Logistiker und Speditionen ein hohes Interesse daran, ob der aktuelle Aufschwung tatsächlich nachhaltig ist. Nun muss man zum Leidwesen der Branche einschränkend festhalten, dass die Vorhersagen des SVR nicht immer eintreffen – auch wenn deren Mitglieder als die fünf „Wirtschaftsweisen“ bezeichnet werden. 2007 waren die Professoren mit 1,8 Prozent zu pessimistisch (2,7 Prozent tatsächlich), danach immer zu optimistisch. Für 2010 sagt das Gremium ein Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent voraus (siehe obere Grafik Seite 21). 2011 verliert die wirtschaftliche Dynamik dann an Schwung, bleibt aber deutlich im positiven Bereich. Der SVR geht von einem Plus von 2,2 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus, die Bundesregierung (+1,8 Prozent) und die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute (+2,0 Prozent) sind ein wenig zurückhaltender.Treffen die Vorhersagen der Experten ein, dann gewinnt der Aufschwung auch an Breite. Während 2010 das Wachstum vor allem auf einem Bein steht, dem Export (+15,5 Prozent), gesellt sich im kommenden Jahr zum Anstieg der Ausfuhren (+6,7 Prozent) mit dem privaten Konsum ein weiterer Stützpfeiler hinzu. Um 1,6 Prozent soll dieser 2011 steigen. Ein höherer Wert wurde zuletzt 2001 erzielt. Ein wesentlicher Grund für die Konsumfreude der Verbraucher ist das weitere Abschmelzen der Arbeitslosigkeit (von durchschnittlich 3,245 Millionen 2010 auf 2,968 Millionen 2011). Parallel dazu steigt auch die Zahl der Erwerbstätigen von 40,467 Millionen auf 40,762 Millionen. Ein weiterer Pfeiler des Aufschwungs sollen die Ausrüstungsinvestitionen (plus 6,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) werden. „Wir gehen daher davon aus, dass 2011 der Inlandsanteil am Wachstum größer ist als der Exportanteil“, sagt Rolf Kroker, Leiter Wirtschaftspolitik am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Welche Branchen in Deutschland dabei besonders stark zulegen, zeigt die Tabelle Seite 20.„Die nachlassende Dynamik 2011 ist eine Normalisierung nach einem überdurchschnittlich guten Jahr 2010, weshalb man sich über das Abflachen des Aufschwungs keine Sorgen machen muss“, beruhigt Carolin Vogt, Leiterin Makroresearch und Wirtschaftspolitik bei der IKB Deutsche Industriebank AG, die Zweifler. Sie glaubt, dass viele Industriefirmen in Deutschland als Folge der Krise einen Nachholbedarf haben, der 2011 die Ausrüstungsinvestitionen weiter ansteigen lässt. Macht ein Währungskrieg alles zunichte?Gute Aussichten also. Allerdings kreisen am Konjunkturhimmel auch dunkle Wolken. Stichwort: Währungskrieg. Auch wenn einige Länder versuchen, auf ihren Wechselkurs Einfluss zu nehmen, hält Vogt die Auswirkungen eines Währungskrieges für sehr begrenzt und aktuell für überbewertet (siehe Kasten unten). Kroker hingegen warnt davor, die von den USA ergriffenen Maßnahmen zur Stützung des Dollars könnten Schule machen und appelliert an die Staaten, von protektionistischen Maßnahmen, die den Welthandel erschweren könnten, die Finger zu lassen.Ein weiteres Problem stellen die hohen Staatsdefizite in zahlreichen EU-Ländern dar. „Deshalb fallen die Vorhersagen für den gesamten Euroraum auch eher schwach aus – mit Ausnahme für Deutschland, das die Rolle der Konjunkturlokomotive einnimmt“, sagt Vogt. Und der Rettungsschirm, der mittlerweile von der EU für gefährdete Staaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien aufgespannt wurde, hat die Gefahr nicht eindämmen können. „Die Risikoprämien für griechische Staatsanleihen sind nach wie vor groß. Von Normalität kann keine Rede sein“, sagt Kroker. Diese Risiken ändern jedoch nichts an den guten Vorhersagen für 2011. Davon profitiert auch die Logistikbranche. „2011 gehen wir für das Speditionsgewerbe von einem Umsatzwachstum in Höhe von mindestens fünf Prozent aus“, sagt DSLV-Geschäftsführer Heiner Rogge. Damit würde der Zuwachs sogar über dem des BIP liegen, was damit zusammenhängt, dass die Branche generell auf Schwankungen des BIP stärker reagiert. Diese These vertritt auch Christian Kille, Mitautor der Studie „Die Top 100 der Logistik“ und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut in Nürnberg, auch wenn dessen Prognose nicht ganz so optimistisch ausfällt: „Wir rechnen mit einem Wachstum der Umsätze im deutschen Logistikmarkt zwischen drei und fünf Prozent.“ Dabei müsse berücksichtigt werden, so Kille, dass in diesem Zuwachs auch Kostensteigerungen in Höhe von etwa zwei Prozent enthalten sind.Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die IKB-Bank. „Die Transport- und Logistikbranche profitiert von dem Aufschwung und kann 2011 einen Umsatzanstieg von vier bis fünf Prozent erzielen“, prognostiziert Claus Korschinsky, bei der IKB zuständig für Transport und Logistik. In diesen Korridor fällt auch die Vorhersage der Güterverkehrsleistung 2011, die ITP/Ralf Ratzenberger im Sommer veröffentlicht haben. Danach steigt die Güterverkehrsleistung um 4,4 Prozent nach einem kräftigen Schub von 9,7 Prozent in 2010 (siehe mittlere Grafik Seite 21). Überproportional zulegen können 2011 der Straßengüterverkehr (+5,1 Prozent) und die Luftfracht (+7,6 Prozent).Als gute Indikatoren für die wirtschaftliche Entwicklung gelten auch die Erwartungen der Seehafenbetriebe. „Ich bin da sehr optimistisch“, sagt Detthold Aden, Vorstandschef der Bremer BLG Logistics Group. Für 2011 rechnet der scheidende Präsident des Zentralverbands der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) in den deutschen Seehäfen mit einem Wachstum im Containerumschlag von immerhin knapp zehn Prozent. „Wir gehen davon aus, dass sich der derzeit positive Trend fortsetzt“, so Aden. Skepsis beim BGLDieser Analyse kann Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), nicht zustimmen. Er bezweifelt, dass der Konsum sich 2011 als Antriebsmotor erweist. „Die Unsicherheiten auf den Devisenmärkten sind ein weiteres Risiko, weshalb wir zufrieden sein können, wenn unsere Betriebe mit einem Nullwachstum abschließen“, so seine Einschätzung. Von dem derzeitigen Aufschwung in Deutschland profitieren im Straßengüterverkehr seiner Ansicht nach vor allem ausländische Unternehmen. Er beruft sich dabei auf die Mautstatistik des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG). So sind zwar die Fahrleistungen der LKW mit deutschem Kennzeichen auf den Autobahnen zwischen Januar und September 2010 um 3,2 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum gestiegen. Aber die ausländischen LKW verzeichneten im gleichen Zeitraum ein Plus von 9,9 Prozent. Zudem sagt eine steigende Menge noch nichts über die finanzielle Lage der Branche. „So hat sich die Insolvenzanfälligkeit zuletzt verringert, und die Unternehmen konnten ihre Zahlungsverpflichtungen pünktlicher erfüllen als im Vorquartal“, urteilt die Creditreform positiv über die Lage der Branche im dritten Quartal 2010. Schmidt hingegen beobachtet, dass sich die Preise nur sehr schwer nach oben bewegen, sieht dies angesichts steigender Kosten aber als unumgänglich an. „Aber ob die Preise auf ein Niveau klettern werden, das ausreicht für eine nachhaltige Entwicklung, bezweifle ich“, sagt Schmidt.HDE glaubt nicht an einen KaufrauschMit seiner Skepsis bezüglich des privaten Konsums steht Schmidt nicht alleine da. Kein Geringerer als der Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE) schlägt moderate Töne an. „Momentan gehen wir davon aus, dass der Einzelhandel sich 2011 nicht markant über dem Niveau von 2010 entwickeln wird“, sagt HDE-Präsident Josef Sanktjohanser. Der Aufschwung halte zwar durchaus Chancen für den Einzelhandel bereit. Aber es gebe auch massive Belastungen des Konsums durch höhere Sozialabgaben und Steuern.Angela Merkel sprach bei der Entgegennahme des Gutachtens von dem Wachstumspfad nach oben, auf dem man sich befinde. Bleibt zu hoffen, dass die Kanzlerin auf diesem Weg die richtigen Landkarten eingepackt und den Wetterbericht genau gelesen hat. ❙❚■ Michael Cordes, Andre KrankeWohin geht die Konjunktur 2011 – nach oben oder doch seitwärts oder gar bergab? 2011 soll die Kauflaune der Verbraucher so steigen wie seit zehn Jahren nicht mehrKonjunktur 2011Die VerkehrsRundschau beleuchtet die Aussichten für die Märkte: VR 45: Was die Verlader von den Dienstleistern erwartenVR 46: Nachhaltiger Aufschwung? Ein Ausblick auf 2011VR 47: Warum der deutsche KEP-Markt so attraktiv istVR 48: Die Insolvenzgefahr im Transportgewerbe sinktGeringe Gefahr eines WährungskriegesEin großes Risiko für den sich abzeichnenden Aufschwung wird in der Entwicklung der Wechselkurse gesehen. Mittlerweile ist sogar von einem Währungskrieg die Rede, sollten einige Staaten massiv mit ihrer Geldpolitik in den Mechanismus auf den Geldmärkten eingreifen. Warum hat die Geldpolitik überhaupt so einen großen Einfluss auf die Konjunktur? Dazu ein paar Hintergründe:Der Wechselkurs ist der Preis einer Währung ausgedrückt in einer anderen Währung. Auf diesen Preis können die nationalen Staatsbanken Einfluss nehmen. Siehe das Beispiel der amerikanischen Notenbank Fed: Die hat Anfang November im Wert von 600 Milliarden Dollar amerikanische Staatsanleihen gekauft. Mit dem zusätzlichen Geld wollte sie den Wert des Dollars schwächen. Für den Währungskurs würde dies bedeuten, dass der Wert des Dollars im Vergleich zum Euro sinkt. Statt derzeit 1,36 US-Dollar würde man künftig beispielsweise 1,50 US-Dollar für einen Euro erhalten. Das bedeutet für die europäische und damit deutsche Wirtschaft, dass deren Produkte im US-Dollar-Raum teurer werden. Ein Auto mit einem Verkaufspreis von 20.000 Euro würde in den USA vor der Intervention 27.200 Dollar und nach der Abwertung 30.000 Dollar kosten. Gleichzeitig bedeutet eine Schwächung des Dollars, dass amerikanische Produkte sich verbilligen würden. Die USA, so der Vorwurf vor allem aus China, aber auch aus Europa, wollen also über die Geldpolitik die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft stärken – auf Kosten der restlichen Welt.So weit die einfache (Währungs-)Theorie. Doch hängt die Entwicklung des Wechselkurses von weiteren Faktoren ab. Beispielsweise sagen Finanzmarktexperten, dass der sogenannte effektive Wechselkurs viel entscheidender für die Stärke einer Landeswährung ist. Dieser Kurs wird aus einem Korb von relevanten Wechselkursen – gewichtet nach dem relevanten Handelsvolumen der Exportländer – berechnet. Carolin Vogt von der IKB Bank hält es für sehr unwahrscheinlich, dass die Fed-Bank mit dieser Aktion ihr gewünschtes Ziel erreicht: „Die Erfahrung zeigt, dass es einem Land alleine nicht gelingt, seinen Wechselkurs herunterzuprügeln.“ Dazu sei vielmehr eine gemeinsame Aktion von verschiedenen Ländern notwendig. „Die ist aber derzeit nicht absehbar“, sagt Vogt. Vogt geht vielmehr davon aus, dass ein Abwertungswettlauf zwischen den Ländern nicht zu einer Schwächung einer einzelnen Währung führt, sondern die Wechselkursschwankungen untereinander erhöhen wird, was allerdings die Planungssicherheit von Unternehmen beeinträchtigen dürfte. cdKonjunktur 2011Branchenentwicklung in DeutschlandVerarbeitendes Gewerbe1ErnährungsgewerbeTextil- und BekleidungsgewerbeHolzgewerbePapiergewerbeVerlags- und DruckgewerbeChemische IndustrieMetallerzeugungMetallbearbeitungMaschinenbauBüromaschinen und EDV-GeräteStraßenfahrzeugbauMöbel/Schmuck/Musikinstrumente/Sportgeräte u. a.Baugewerbe2KFZ-Handel2Großhandel2Einzelhandel2Gastgewerbe220102,06,07,08,0– 1,511,522,514,09,00,017,0 0,01,0– 7,56,51,5 0,0Branche Wachstumsprognose (Veränderung in %)20111,50,03,03,00,53,56,57,010,014,010,51,00,55,04,01,00,020121,0– 2,02,52,53,02,54,05,05,03,51,51,00,51,02,50,50,0Konjunktur 2011Radikal globalFrüher, ja früher war alles besser. Nun ja, ob dieser Spruch zutreffend ist, sei mal dahingestellt. Aber zutreffend ist, dass früher alles anders war. Das gilt auch und in besonderem Maße für die Transportbranche. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Globalisierung. Kaum eine Branche leidet und profitiert zu-gleich so sehr von der Globalisierung wie die Transportbranche. Die immer bessere Vernetzung weltweit führt dazu, dass die Transportbranche in Deutschland spürt, wenn in anderen Ländern der Erde der Konjunkturmotor brummt oder stottert. Das bedeutet, dass der Blick über den europäischen Tellerrand hinaus für die Branche immer wichtiger wird. cdFazit20072008200920102011Entwicklung des BIP, der Exporte und des Konsums in DeutschlandEs war nur eine kurze Krise, dafür aber eine sehr heftige: 2009 gab das BIP und der Export in einem Ausmaß nach, den Deutschland bis dato noch nicht erlebt hatte. 2010 ging es dann fast ebenso kräftig wieder bergauf. 2011 soll dann auch der Konsum vom Aufwind profitieren. cd 151050-5-10-15Ausblick auf 2011: Wichtige IndikatorenJan.Feb.MärzAprilMaiJuniJuliAug.Sept.Fahrleistungen der mautpflichtigen LKW auf Deutschlands Autobahnen nach MonatenUm 5,5 Prozent sind die Fahrleistungen der mautpflichtigen LKW auf Deutschlands Autobahnen seit Januar 2010 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ge-stiegen. Ein Indiz für den Aufschwung. Am stärksten profitieren die ausländischen LKW an dem Wachstum mit einem Anteil von 61,6 Prozent. cd 2,502,252,001,752008200920102011Veränderung der Transportleistung in Deutschland insgesamt und nach VerkehrsträgernFast parallel zur Entwicklung des BIP verlaufen die Entwicklungen der jeweiligen Verkehrsträger. Nur sind die Ausschläge etwas extremer. Ein Beleg dafür, dass die Verkehrsleistung stärker auf eine Veränderung des BIP reagiert – positiv wie negativ. cd 12111050-5-10-15-201,61,20,9-1,0-9,9-11,1-17,1-13,110,59,711,33,85,14,43,61,27,62,7-0,20,71,02,5-4,7-14,8-0,215,53,70,16,72,21,61,891,821,881,912,132,352,032,131,962,092,042,262,142,211,922,102,192,30

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