Kombiverkehr: Ein lachendes und weinendes Auge

Der Blick auf die nackten Zahlen, die Kombiverkehr auf seiner Gesellschafterversammlung in Offenbach vorgelegt hat, stimmt uneingeschränkt positiv. So wurde 2021 eine Trendwende eingeleitet: Es war nach 2016 das erste Jahr, in dem das Sendungsaufkommen bei dem Operateur wieder gestiegen ist. Mit einem Zuwachs von 9,3 Prozent auf 937.959 Lkw-Sendungen wurde ein spürbar höheres Aufkommensplus erzielt. Die Eine-Millionen-Marke im Blick Dieser positive Trend hielt auch in den ersten fünf Monaten 2022 an. Das Sendungsvolumen nahm um 7,9 Prozent zu. "Wenn wir die Schwierigkeiten im Netz nicht gehabt hätten, wären 15, 16 oder 17 Prozent mehr drin gewesen", sagte Kombiverkehr-Geschäftsführer Armin Riedl. Aber auch so sei man von der Eine-Million-Marke nicht mehr weit entfernt. Die hatte der Operateur bereits 2007 einmal erreicht. Angesichts der massiven Probleme im Schienennetz verwundert der Anstieg des Sendungsaufkommens 2021 wie auch vor allem in den ersten fünf Monaten 2022. So lag die Pünktlichkeit der Kombiverkehrs-Züge in den letzten Monaten teilweise unter 50 Prozent. Allein im letzten Jahr sind laut Kombiverkehr-Geschäftsführer Alexander Ochs 3000 Züge nicht gefahren. Deshalb konnten annähernd 90.000 Lkw-Sendungen nicht über die Schiene befördert werden. Für Kombiverkehr bedeutete das laut Ochs einen zweistelligen Millionenverlust beim Umsatz. Täglich zu spüren bekommen diese Qualitätseinbußen die Kommanditisten von Kombiverkehr - die Spediteure. Wenn die Züge verspätet sind, wenn die Spediteure nicht wissen, wo sich ihre Sendungen gerade befinden und wann die Züge am Zielterminal eintreffen, bedeutet das nicht nur einen Mehraufwand, weil sie Kapazitäten nicht planen können. Genauso schmerzhaft ist, dass ihre Kunden im höchsten Maße unzufrieden sind. Immer wieder war in Offenbach zu hören, dass die Disponenten in den Speditionen zunehmend frustriert sind, weil sie keine Lust mehr haben, aufgeregte oder enttäuschte Kunden immer wieder zu vertrösten. Nur mit Mühe und diversen Extras gelingt es den Unternehmen, die Disponenten bei Laune zu halten. Für Kombiverkehr wie auch deren Kommanditisten ist die derzeitige Lage im Schienengüterverkehr nicht akzeptabel. Mit großer Spannung wurde daher der Auftritt der DB-Cargo-Vertreter erwartet. Viele machen die DB-Tochter zumindest mitverantwortlich für die Unpünktlichkeit. Pierre Timmermans, stellvertretender Vorsitzender von DB Cargo, sitzt als Vertreter für den Anteilseigner DB Cargo im Verwaltungsrat von Kombiverkehr. Für ihn war die Versammlung daher ohnehin ein Pflichttermin. Zur Unterstützung hatte er sich Timmermans Ralf Kloß, Vorstand Produktion bei DB Cargo, geholt. Kloß hatte vor wenigen Wochen in einem Video die aktuelle Lage im Schienennetz kritisiert und von einem "drohenden Chaos, einem drohenden GAU" gesprochen (siehe VR 12 2022, Seite 14) Die beiden DB-Cargo-Manager brachten keine guten Nachrichten für die Spediteure mit. Mit einer wirklich spürbaren Entlastung sei nicht in den kommenden Wochen, nicht in diesem Jahr und wahrscheinlich auch nicht 2023 zu rechnen. Am deutlichsten wurde das an einer Folie, die sie zur Veranschaulichung mitgebracht hatten. Darauf wurden die Qualitätseinschränkungen zwischen April und Dezember 2022 gezeigt. Für den Rhein-Korridor gelten bis Anfang Oktober durchgehend deutliche bis längerfristige Qualitätseinschränkungen. Unterbrochen nur von einem Zeitraum von Mitte Mai bis Mitte Juni sowie im August bis fast Ende September: Dort sinkt die Qualität nämlich nochmals ab: Es sind permanent Qualitätseinschränkungen und Kapazitätseinbußen zu erwarten. Kurzfristig keine Besserung in Sicht "Dann sind Annahmesperren nicht mehr zu vermeiden", lautete die Hiobsbotschaft von Timmermans. Erst Anfang Oktober soll es dann "nur" noch mehrtägige Qualitätseinschränkungen in Störungsfällen geben. Auch Kloß machte kein Hehl um die schwierige Lage. Er stellte verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung vor, darunter die Zusammenlegung der Abteilungen Kundenservice und Operations. "Dadurch wird sich die Lage auf dem Netz nicht verbessern", sagte Kloß. Doch die Kunden würden besser informiert und könnten dann leichter planen. "Aber erwarten Sie nicht, dass wir in den nächsten zwei, drei Jahren wieder eine Pünktlichkeit von 80 Prozent erreichen", wollte er erst gar nicht Hoffnung aufkommen lassen bei den Spediteuren. Ziel sei es vor allem, dass die Annahmesperren wieder zurückgefahren werden und somit mehr Verlässlichkeit in das System komme. Als der Vorsitzende des Verwaltungsrats von Kombiverkehr, Hermann Lanfer, dann den Spediteuren die Gelegenheit gab, die zwei DB-Cargo-Manager zu befragen, rührte sich überraschend zunächst nichts. "Das ist das erste Mal, dass wir nicht verprügelt werden", sagte Timmermans dann und lächelte. Schließlich äußerte sich Michael Schaaf, Geschäftsführer der Spedition BayLogistik. Er sprach von einem "Verkehrskollaps". "Auf mich wirkt die DB konzeptlos", hielt er den DB-Cargo-Managern vor. Er machte den Vorschlag, die Ressourcen mehr auf den wachsenden Intermodal-Verkehr zu konzentrieren und den Einzelwagenverkehr nachrangig zu behandeln. Massiver Druck auf DB Netz Timmermans nannte die Kritik nachvollziehbar. Aber er verwies auf die Aufgabe von DB Netz, diskriminierungsfrei die Trassen zu vergeben. DB Netz könne daher nicht einfach einige Verkehre vorziehen und damit andere benachteiligen oder gar nicht berücksichtigen. Kloß berichtete, dass Personen- wie auch der Güterverkehr massiven Druck ausüben würden auf DB Netz. Er zeigte sich zuversichtlich, dass das Baustellenmanagement verbessert werde. Aber er bat um Geduld. Es würde noch dauern, bis sich die Maßnahmen bemerkbar machen würden. Diese Aussage reichte einigen Spediteuren jedoch nicht aus. Sie wollten genauer wissen, mit welcher Qualität in den künftigen zwölf bis 18 Monaten zu rechnen sei. Denn die Kunden würden entsprechende Qualitätszusagen einfordern, verbunden mit einem Bonus-Malus-System. Kloss erwiderte, dass DB Cargo derzeit eine Ankunftspünktlichkeit von 68 Prozent erreicht: "Ich gehe davon aus, dass wir die 70 Prozent in den nächsten ein bis zwei Jahren tangieren können, bisschen darüber oder bisschen darunter. Viel mehr wird es wegen der Baumaßnahmen nicht geben." Auch diese Antwort stellte die Spediteure nicht zufrieden. "Auf den Preis muss eine vereinbarte Leistung folgen", sagte eine Unternehmensvertreterin. Sie forderte, dass hinter der Leistung ein Bonus-Malus-System hinterlegt sein müsse. Das würde bedeuten: Bei guter Leistung erhalten die Bahnen mehr Geld, bei schlechter Leistung müssen sie Abstriche machen. Timmermans sah die Gesellschafterversammlung nicht als den geeigneten Ort an, um über Verträge zu verhandeln. Aber er verwies darauf, dass auch für DB Cargo die Verspätungen mit einem enorm hohen zusätzlichen Aufwand verbunden sind. "Wir müssen als DB Cargo auch betriebswirtschaftlich arbeiten. Sonst fahren wir in die Insolvenz", schilderte er die Position seines Unternehmens. Anders ausgedrückt: Ein Bonus-Malus-System hält er zumindest derzeit nicht für umsetzbar. Mehr zum Thema finden Sie unter #RailcargoKV www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag Verabschiedung von Winner-Athens/Breuhahn: Zwei Urgesteine treten ab Es ist sicher nicht übertrieben, wenn man sagt: Zusammen mit Geschäftsführer Armin Riedl waren Gudrun Winner-Athens und Robert Breuhahn das Gesicht von Kombiverkehr in den letzten zwei Jahrzehnten. Ihr Abschied stand schon länger fest. Doch wegen Corona wurden beide auf der diesjährigen Gesellschafterversammlung von Kombiverkehr verabschiedet. Schon seit 1990 gehörte Gudrun Winner-Athens, zum damaligen Zeitpunkt geschäftsführende Gesellschafterin der Spedition Winner, dem obersten Gremium von Kombiverkehr an – dem Verwaltungsrat. 2002 wurde sie von ihren Kollegen zur Vorsitzenden des Verwaltungsrats gewählt. Dieses Amt übte die 67-Jährige bis 2020 aus und kandidierte dann nicht wieder. Neben ihrer unternehmerischen Tätigkeit engagierte sie sich aber immer auch für soziale Zwecke. Auch deshalb wurde sie einen Tag vor der Versammlung mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Robert Breuhahn trat 1977 in das Unternehmen ein. 1993 wurde er Geschäftsführer, Ende 2021 hat er das Amt nach 28 Jahren niedergelegt. „Ich habe mich immer als Mittler zwischen zwei Welten gesehen“, sagte er zum Abschied. Auf der einen Seite die Spediteure: Denen hatte er versucht, die Welt der Eisenbahn zu erklären. Und auf der anderen Seite die Bahnen, denen er die Denke der Spediteure nähergebracht habe. Zur aktuellen Lage empfahl er, die Nutzer des KV stärker bei der Frage, wo neue Kapazitäten entstehen müssen, einzubeziehen. „Das müssen wir tun, die Praktiker, und nicht andere.“ cd In Kürze Das Gesprächsthema Nummer eins auf der Gesellschafterversammlung von Kombiverkehr waren die Baustellen im Netz und die damit verbundenen Verspätungen. Ob und wann mit einer Verbesserung zu rechnen ist, erfuhren die Spediteure aus erster Hand von zwei DB-Cargo-Vertretern. 9,3 Prozent: ein beachtliches Plus im Sendungsaufkommen für Kombiverkehr im Jahr 2021

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