Brüssel. Der europäische Markt für den Gütertransport auf der Straße ist in einem schlechten Zustand. Darüber waren sich die Teilnehmer der Straßenverkehrskonferenz einig, zu der die Europäische Kommission Vertreter der Mitgliedstaaten und der Verbände im April nach Brüssel eingeladen hatte.
Über die Ursachen gehen die Meinungen allerdings auseinander. Verkehrskommissarin Violeta Bulc sieht das Problem vor allem darin, dass „die Mitgliedstaaten ihre eigenen Regeln anwenden“ – etwa bei der Kabotage. Das liege daran, dass die geltenden europäischen Vorschriften hierzu „unklar sind“. Die EU müsse für eine einheitliche Praxis und faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Kabotage-Markt sorgen, sagte sie.
Briefkastenfirmen schwer zu kontrollieren
Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Europäischen Parlament, Michael Cramer, sieht das Problem eher in der wachsenden Bedeutung von Briefkastenfirmen, die von den nationalen Behörden nur schwer zu kontrollieren sind. Einen wirklichen Binnenmarkt für Transportleistungen werde es erst geben, „wenn die Dienstleistungsfreiheit wirksamer von der Niederlassungsfreiheit abgegrenzt wird“, sagte Cramer.
Viele Unternehmen nutzten die Möglichkeit, Geschäfte über Niederlassungen in Osteuropa abzuwickeln, um die Regeln des Binnenmarktes zu ignorieren. Dies sei aber kein Konflikt zwischen Ost und West. „Hinter solchen Praktiken stehen europaweit organisierte Unternehmen und Netzwerke.“
Strengere Regulierung der Wirtschaft
Um die Probleme zu lösen, diskutierten die Vertreter aus Wirtschaft und Politik mehrere Ansätze: Der eine könnte darin bestehen, die Kabotagefreiheit einzuschränken. Cramer forderte die Kommission darüber hinaus auf, zur Kontrolle der Regeln die Verwendung von Mautdaten zuzulassen.
Um das Problem der Briefkastenfirmen in den Griff zu kriegen, regten mehrere Teilnehmer an, strengere Maßstäbe anzulegen. Als Operationsbasis für Transporteure sollten nur noch solche Niederlassungen anerkannt werden, die über ausreichende Parkplätze für Lkw verfügten und einen Manager, der die meiste Zeit vor Ort sei. Zudem müsse darüber nachgedacht werden, die Regeln für schwere Lkw auf Nutzfahrzeuge unter 3,5 Tonnen auszudehnen, die immer häufiger genutzt werden, um etwa die europäischen Sozialvorschriften zu unterlaufen.
Faire Bezahlung ein weiteres Thema
Darüber, nach welchen Regeln Lkw-Fahrer im internationalen Straßengüterverkehr bezahlt und ihre Arbeitsbedingungen festgelegt werden sollen, gingen die Meinungen noch weiter auseinander. Die Internationale Straßentransportunion (IRU) räumte ein, dass es schwarze Schafe in der Branche gebe. Die meisten Betriebe hielten sich jedoch an die bestehenden Vorschriften, sagte deren Vertreter Michael Nielsen.
Transporteure, die sich nicht an die Regeln hielten, sagte Nielsen, müssten sanktioniert werden – schon allein deshalb, um die rechtstreuen Unternehmer vor unfairem Wettbewerb zu schützen. Das bestehende Arbeitsschutzrecht hält er grundsätzlich für ausreichend. Neue Vorschriften machten lediglich dann Sinn, wenn die bisherigen umgesetzt würden. Dafür wiederum bedürfe es besserer Kontrollen in den Mitgliedstaaten – vor allem bei den Lenk- und Ruhezeiten.
Verkehrskommissarin Bulc räumte ein, es sei eine große Herausforderung, Fahrer gerecht zu bezahlen, die im gleichen Monat in zehn verschiedenen Ländern arbeiten. Die Überarbeitung der Entsenderichtlinie sei aber nicht die Lösung dieses Problems. Für den Güterverkehr soll es deshalb eigene Regelungen geben. (tw)