Jade-Weser-Port

Jade-Weser-PortLeinen losHeute wird der Jade-Weser-Port in Anwesenheit geballter (Polit-) Prominenz eröffnet. Doch wird der Hafen wirklich eine Erfolgs-story? Eine Rundreise vor Ort mit optimistischen und skeptischen Stimmen von Betroffenen und Beteiligten.Die Zeugung fand statt am 30. März 2001. Als die beiden Chefs der Länder Bremen und Niedersachsen, Henning Scherf und Sigmar Gabriel, ihre Unterschrift unter das Papier setzten, das Wilhelmshaven als den Standort für den neuen Tiefwasserhafen vorsah.Gut elf Jahre hat es dann bis zur Geburt gedauert, wenn man die heutige Eröffnung des Jade-Weser-Ports (JWP) so bezeichnen will. Es war eine lange Schwangerschaft, eine anstrengende, und zudem nicht frei von Komplikationen. Die ersten Containerschiffe kommenSo manch einer hat im Laufe der Zeit eine Todgeburt befürchtet. Ein neuer Containerhafen, eingezwängt zwischen Rotterdam und Antwerpen einerseits und Bremerhaven und Hamburg andererseits: Kann das gut gehen? Die Antwort auf diese Frage gibt es heute noch nicht. Die Geburt hat geklappt, aber der Säugling muss jetzt gehegt, gepflegt und vor allem gefüttert werden. Nahrung geliefert hat bereits Thilo Heinrich. Nahrung, auf die im Hafen dringend gewartet wurde. Thilo Heinrich ist bei Maersk Deutschland zuständig für Marketing und Handel. Gut eine Woche vor der offiziellen Eröffnung ließ Heinrich auf dem Hafen-Forum der Cemat in Wilhelmshaven die Katze aus dem Sack: „Wir fahren den JWP zunächst mit zwei Linien an.“ Dabei ist das erste Schiff Wilhelmshaven bereits vor dem offiziellen Geburtstermin am 21. September angelaufen. Die „Anna Schulte“ aus dem CX-Dienst, der unter anderem Mexiko, und Costa Rica mit Rotterdam, Bremerhaven und St. Petersburg verbindet, machte bereits am Montag dieser Woche im JWP fest. Wie bei Maersk üblich, sind die Dienste so getaktet, dass jeder Hafen wöchentlich angefahren wird. Ein weiterer „string“, wie es der Maersk-Manager formuliert, ist der „AE 1“. Über Felixstowe, Zeebrugge, Rotterdam, Bremerhaven, Wilhelmshaven bedient dieser Dienst die Häfen Colombo, Singapur, Yantian (China) und die japanischen Häfen Kobe, Nagoya und Yokohama. „Die Linie ist vor allem interessant für Exporte Richtung Japan“, liefert Heinrich gegenüber der VerkehrsRundschau eine wichtige Information für potenzielle Nutzer. Eine weitere lautet: Beide Dienste sind „sehr automobillastig“. Da denkt man natürlich gleich an VW als potenziellen Nutzer, da beim Autokonzern, wie auch beim JWP, das Land Niedersachsen Miteigentümer ist.Die Ankündigung von Maersk sorgte für große Erleichterung in der Region. Ein Hafen ohne Schiffsverbindungen, das wäre wie ein Schiff ohne Ladung ein ziemlich trauriger Anblick gewesen.Warten auf weitere UmschlagmengenHier liegt aber zugleich das Kernproblem des Hafens: die Akquisition von Umschlagmengen. Zur Verdeutlichung ist bei den Beteiligten immer wieder das Beispiel von der Henne und dem Ei zu hören. Doch dieser Vergleich hinkt eigentlich gewaltig. Denn es geht nicht darum, wer zuerst da war: die Henne oder das Ei, respektive die Reeder oder die verladende Wirtschaft, die Frachtraum von und nach Wilhelmshaven nachfragt. Es geht darum, dass einer der beiden überhaupt den Schritt wagt, Ladung in den JWP zu bringen.Als Geschäftsführer der JWP Logistics Zone weiß Jan Miller um das Problem. „Das Ansiedlungsmotiv entsteht aus einer Renditeerwartung vor Ort, und diese Renditeerwartung ist abhängig vom Umschlag vor Ort.“ Das erscheint zwar einleuchtend, aber wenn beiden Akteuren – den Reedereien auf der Seeseite und der verladenden Wirtschaft und den Logistikdienstleistern auf der Landseite – der jeweilige Partner auf der anderen Seite fehlt, um Umschlag zu betreiben, dann fehlt die Grundlage für eine Renditeerwartung, dann kommt kein Geschäft zustande. Jetzt hat also Maersk den ersten Schritt gewagt, ohne einen Partner zu haben. Warum, kann man fragen, und vor allem, für wen, wenn es doch vor Ort keinen Kunden gibt? Darauf gibt es verschiedene Antworten. Eine naheliegende: Über seine Tochter APM Terminals ist Maersk zu 30 Prozent an der Betreibergesellschaft Eurogate Container Terminal Wilhelmshaven beteiligt. Deshalb hat also Maersk ein finanzielles Interesse daran, dass der Hafen eine Erfolgsgeschichte wird. Ein zweiter Grund: Für die Reedereien spielt das Transshipment-Geschäft, also der Austausch von Containern zwischen den einzelnen Linien, eine mindestens ebenso bedeutsame Rolle wie der Ex- und Import. Ob das Angebot jedoch bereits ausreicht, die Maschinerie anzuwerfen? Laut Miller ja: „Die meisten Unternehmen, mit denen wir derzeit Gespräche führen, warten darauf, dass der Hafenumschlag losgeht. Für die meisten Flächen haben wir mindestens einen Interessenten. Zum Teil sind wir in den Vertragsverhandlungen auch schon relativ weit gekommen“, sagt Miller. Neue Dienste laufen auf „Bewährung“Doch allzu lange sollte sich die verladende Wirtschaft nicht zieren. Denn beide Dienste nach Wilhelmshaven laufen weiterhin auch Bremerhaven an. „Wir treten damit der Befürchtung entgegen, dass wir beide Häfen gegeneinander ausspielen“, sagt Heinrich. Aber er leugnet nicht, dass mit dem Anlaufen beider Häfen Zusatzkosten verbunden sind: „Irgendwann muss eine Entscheidung fallen, welchen Hafen man bevorzugt“. ➞Mit Erleichterung hat auch Horst Bartels die Aussage von Heinrich wahrgenommen. Bartels und sein Unternehmen Nordfrost spielen eine ähnlich wichtige Rolle wie Heinrich und Maersk. Denn Nordfrost ist das Vorzeigeunternehmen für den JWP, das bisher einzige, das sich in der Logistikzone niedergelassen hat. Auf 20 Hektar investierte der Dienstleister für temperaturgeführte Lebensmittellogistik 45 Millionen Euro in ein Seehafen-Terminal. Ein paar weitere Zahlen: 15.000 Palettenstellplätze gibt es dort für Obst und Gemüse, nochmal 20.000 für die Tiefkühllagerung und 25.000 Quadratmeter Trockenlager für General Cargo. Die gleiche Frage, die man Heinrich stellt, muss man auch Bartels stellen: Warum investiert ein Unternehmer Millionen in einen Hafen, obwohl selbst zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Terminals am 5. August 2012 nicht eine Zusage für ein ankommendes oder abgehendes Schiff vorlag? Wenn man Bartels in seiner Firmenzentrale in Schortens besucht, lässt sich ein Grund dafür beim Blick aus seinem Büro erahnen. Bartels ist mit der Region verbunden. Von seinem Büro im dritten Stock kann er die Containerbrücken im Terminal am Horizont erkennen. „Ich habe das Thema Jade-Weser-Port von Anfang an mit Interesse verfolgt. Unser Unternehmenshauptsitz in Schortens ist nur wenige Autobahnkilometer vom Hafen entfernt. Wilhelmshaven ist meine Heimatstadt“, sagt er, obwohl er nicht dort geboren ist.Nordfrost erschließt neue MärkteAber von Heimatliebe alleine kann man nicht leben, das weiß Bartels. Seine Geschäftsidee: Er will das Terminal nutzen, um in den Transport und die Lagerung von Obst und Gemüse einzusteigen. „Das ist die modernste Anlage Europas für frisches Obst und Gemüse“, sagt Bartels, „schon deshalb bin ich vom Erfolg überzeugt“. Jetzt muss er nur noch Kunden finden. Doch so einfach ist das nicht. Er hat zusätzliches Personal für die Akquise eingestellt. Die ersten Kunden haben auch bereits angebissen. Die Ware schwimmt schon, kommt allerdings in Bremerhaven an. „Die Container werden zunächst von Bremerhaven hierher geshuttelt. Das macht den Transport zwar teurer, aber wir nehmen diese Zusatzkosten in Kauf, um das Geschäft anzukurbeln.“ Demnächst rechnet Bartels mit 40 Containern pro Woche, die per LKW von Bremerhaven nach Wilhelmshaven transportiert werden. Auch in das allgemeine Containergeschäft – General Cargo – will er einsteigen. In der Region sind aber auch skeptische Töne zu hören: Ob sich Bartels damit nicht übernimmt? Bartels zeigt sich zuversichtlich. „85 Prozent des deutschen Frischfrucht-Konsums wird über holländische und belgische Häfen abgewickelt. Zudem wird Obst und Gemüse zunehmend in Containern transportiert. Deshalb gibt es bei Frischfrucht gewaltige Zuwachsraten.“ Für ihn gibt es keinen Zweifel: „Ich gehe davon aus, dass das erste Schiff, das Reefer-Container, befüllt mit Obst und Gemüse, an Bord hat, noch in diesem Jahr in Wilhelmshaven ankommt.“ Und dann verrät er erstmals Zahlen, die sein Haus für den Obst- und Gemüseumschlag in den kommenden Jahren im Wareneingang plant: Im ersten Jahr, 2013, sollen es 20.000 40-Fuß-Container im Wareneingang sein. 2014 rechnet er mit 30.000 und 2015 sind schließlich 50.000 40-Fuß-Container eingeplant. Sofern diese Containerflut tatsächlich auf den JWP zukommt, müssen die Mengen abgefahren werden. Im Falle von Nordfrost ist klar: Da das Unternehmen derzeit die Bahn nicht einsetzt, wird alles per LKW transportiert. Und da Nordfrost einen Eigenanteil von 15 Prozent hat, können sich Transportdienstleister in der Umgebung Hoffnungen machen.Die Albers Logistik mit Niederlassungen in Nordenham, Brake und Varel ist ein solches Unternehmen. 325 Mitarbeiter beschäftigt der Fuhrbetrieb mit 100 eigenen LKW. „Anfangs haben wir auch Gespräche bezüglich einer Ansiedlung im JWP geführt“, sagt Jörg Albers, Geschäftsführer der Albers Logistik in Varel. Aber dann haben er und seine zwei Brüder sich doch dagegen entschieden. Zum einen hat das Unternehmen günstig ein Logistikareal auf einer ehemaligen Ziegelei erworben. Zum anderen ist in der JWP Logistics Zone eine Ansiedlung nur über Erbpacht möglich. „Das hat uns abgeschreckt, da wir lieber unsere Anlagen auf eigenem Grund und Boden errichten“, sagt Albers.Dennoch hat er das Thema JWP nicht abgehakt. Im Gegenteil, einige seiner Kunden schlagen Stahl, Wasseraufbereitungsanlagen oder Papier über Bremerhaven um und würden sich jetzt Hoffnung machen, diese Transporte künftig über Wilhelmshaven laufen zu lassen. Er schließt nicht aus, dabei auch Container im Kombinierten Verkehr auf die Schiene zu setzen.Kritik an den HinterlandanbindungenWeiter ist diesbezüglich bereits Helmut Frank, Chef der Acos Holding, ein Spezialist für Hinterlandtransporte der Seehäfen. Frank hat sich bereits zwei Trassen von Bremen nach Wilhelmshaven gesichert – was ihn aber nicht davon abhält, Kritik an der Bahnanbindung zu üben. „Die sind im Vergleich zu anderen Seehäfen unzureichend“, sagt Frank. Zwar soll die Zweigleisigkeit zwischen Oldenburg und Wilhelmshaven bis zum Ende des Jahres fertig sein. Aber nach wie vor fehlt die Elektrifizierung der Strecke. Nach derzeitigen Plänen soll dieses Manko erst 2018 behoben sein. „Solange bleibt uns nur die teure Dieseltraktion“, klagt Frank. Auch bei Frank stellt sich die Frage: Warum mietet er Trassen, wenn es im Hafen noch keine Ladung gibt? Zum einen hat er den Vorteil, dass er unabhängig vom Hafen bereits Interessenten auf dem Zug nach Wilhelmshaven hat. Zum anderen zitiert er Zahlen von Eurogate: Demnach sollen im ersten Jahr bereits 650.000 TEU umgeschlagen werden, die sich nach und nach auf 2,5 Millionen TEU im vierten Jahr erhöhen. „Im ersten Jahr wären das bei einer unterstellten Transhipment-Quote von 85 Prozent 97.500 TEU für Bahn und LKW. 97.500 TEU, das entspricht durchschnittlich 2,2 Zügen pro Tag“, rechnet Frank vor. Im vierten Jahr wären es bereits 8,5 Züge täglich. „Umso wichtiger ist, dass alles für eine funktionierende Bahnanbindung getan wird“, sagt Frank. Doch noch ist das alles Zukunftsmusik. Heute wird erst mal gefeiert, die Einweihung des „Jahrhundertprojekts“, wie der niedersächsische Verkehrsminister Jörg Bode den JWP gerne bezeichnet. Danach heißt die Herausforderung dann für alle Beteiligten: Leinen los, wenn aus dem Säugling tatsächlich ein gestandener Seehafen werden soll. ❙❚■ Michael CordesAlles steht in Wilhelmshaven bereit, jetzt müssen nur noch die Schiffe kommenNoch jungfräulich: Der 16-gleisige Rangierbahnhof wartet auf die ersten ContainerzügeJade-Weser-PortDer Jade-Weser-Port (JWP)Gesellschafter der JWP Realisierungsgesellschaft: Niedersachsen (50,1 Prozent) und Bremen (49,9 Prozent)Wassertiefe: tideunabhängig 18 MeterTiefgang: 16,5 Meter (tideunabhängig); zum Vergleich: Hamburg 14,5/13,0 Meter (ein/aus und tideabhängig); Bremen 14,5 Meter (tideabhängig)Erreichbarkeit von 18.000 TEU-Schiffen, die ab 2013 in den Markt kommen sollenkürzeste Revierfahrt der NordrangehäfenGesamtkosten: eine Milliarde Euro Größe der JWP-Logistikzone: 160 Hektar, davon 145 Hektar BebauungsflächeErweiterungsgelände (400 Hektar) verfügbar Das ContainerterminalKailänge: 1000 Meter (1725 Meter ab 8/2013)Umschlagskapazität: 2,7 Millionen TEU 16 Containerbrücken Kosten für den Bau des Containerterminals: 350 Millionen EuroBetreiber des Terminals: Eurogate Container Terminal Wilhelmshaven Die Hinterlandanbindungenampelfreier Autobahnanschluss (A 29) in 850 Meter EntfernungKV-Bahnhof mit sechs Gleisen und fünf Bahnverladekränen direkt auf dem Terminalgelände; Anschluss an das Bahnnetz über eine 16-gleisige Vorstellgruppe cdJade-Weser-PortJade-Weser-Port

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