HVO-Zulassung auf der Zielgeraden

Der Weg bis zur Zulassung von HVO100 ist eine zähe Angelegenheit. Der alternative Diesel-Treibstoff, der aus alten Ölen, Abfällen und Fetten hergestellt werden kann, hing in einem ellenlangen politischen Verfahren fest. Über etliche Monate hinweg wurde die Zulassung des Sprits durch andauernde Querelen in der Ampelkoalition ausgebremst. Aktuelle Zeichen aus Berlin deuten aber darauf hin, dass wohl die gröbsten Stolpersteine beseitigt werden konnten. HVO darf aktuell nur als maximal 26-prozentige Beimischung zum Diesel vertankt werden. Einige Unternehmer wollen ihn als Reinkraftstoff ("HVO100") nutzen; nahezu alle modernen Dieselfahrzeuge wären auch technisch in der Lage dazu. Wenn der alternative Diesel aus Abfall- und Reststoffen hergestellt wird, ist er eine umweltfreundliche Alternative zur fossilen Variante - die Hersteller sprechen von bis zu 90 Prozent CO2-Reduktion - je nach Ausgangsprodukt. Erste Bedingung für den freien Verkauf von HVO100 ist die Aufnahme der DIN-Norm 15940 in die 10. Bundesimmissionsschutz-Verordnung (BImSchV). Dieser Schritt hat sich zunächst als schwierig herausgestellt, da das zuständige Bundesumweltministerium (Grüne) Bedenken hatte. Jene konnten - so hört man - durch Deals innerhalb der Ampel beseitigt werden. Ende des vergangenen Jahres einigte sich die Bundesregierung schließlich auf eine Reform der 10. BImSchV. In Kraft getreten ist sie indes noch nicht. Denn Teil des Deals ist, dass parallel das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetz in Kraft tritt. Jenes regelt die öffentliche Beschaffung klimafreundlicher Lkw und Busse. Es soll ausschließen, dass paraffinische Treibstoffe, die aus bedenklichen Rohstoffen wie Palmöl hergestellt wurden, gefördert werden. Das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetz hat Ende Februar im Eiltempo den Bundestag passiert. Am Erscheinungstag dieser Ausgabe der VerkehrsRundschau wird es gemeinsam mit der 10. BImSchV im Bundesrat behandelt. Droht noch die Bremse? Dessen Zustimmung gilt aber keineswegs als gewiss. In erster Runde hatte der Bundesrat noch Details am Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetz moniert. Zwar handelt es sich dabei nicht um eine zustimmungspflichtige Novelle, allerdings könnte das Anrufen des Vermittlungsausschusses das Vorhaben ausbremsen. Anfang März hatte sich der Verkehrsausschuss des Bundesrats mit dem Gesetz befasst - allerdings wie üblich in geheimer Sitzung. Dennoch deuten die Stimmen einiger Beobachter darauf hin, dass das Gesetz die Ländervertretung passieren sollte. "Soweit wir wissen, konnten die [strittigen, Anm. d. Red.] Punkte zwischen den Ländern und der Bundesregierung ausgeräumt werden", berichtete im Vorfeld der Branchenverband En2x auf VerkehrsRundschau-Anfrage. Man rechne damit, dass die 10. BImSchV Mitte Mai in Kraft treten könne. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Stefan Gelbhaar, bezeichnete das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetz gegenüber der VerkehrsRundschau als "positiven Leuchtturm", da die Standards darin höher seien als die Mindestanforderungen der EU. Spannend ist auch die Haltung der Opposition, die im Bundesrat ein recht starkes Mitspracherecht genießt. Christoph Ploß, der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Verkehrsausschuss des Bundestags erklärte: "Es ist zu hoffen, dass auch der Bundesrat in seiner nächsten Sitzung die Änderung der 10. BImSchV endlich annimmt." Er fordert zudem, dass der Bundesrat und die von den Grünen geführten Landesministerien nicht länger "auf der Bremse" stehen dürften. Wohl genug Kraftstoff verfügbar Der Bundesverband Freier Tankstellen (BFT) schätzt, dass nach einer möglichen Zulassung bald einige Mengen an HVO100 zur Verfügung stehen. "Händler und Tankstellen stehen bereits in den Startlöchern", kündigte Geschäftsführer Daniel Kaddik an. Die Händler hätten sich bereits mit Blick auf das ursprünglich erwartete Verkaufsdatum Mitte April eingedeckt. "Es ist aber auch ein Investitionssignal", so Kaddik, "das für die Ausweitung der Produktion notwendig ist." Zu den Herstellern gehört auch das finnische Unternehmen Neste, das ebenfalls auf die Entscheidung aus Berlin wartet: "Wir setzen nun darauf, dass auch die Vertretung der Bundesländer die Dringlichkeit der Zulassung erneuerbarer Kraftstoffe in Deutschland anerkennt und den uneingeschränkten Verkauf zügig in trockene Tücher bringt", gibt Jörg Hübeler, Head of Market Development Europe, zu Protokoll. Erklärung: XTL Diese Kennzeichnung wird HVO100 an der Tankstelle tragen. XTL bedeutet "x to liquid", wobei das "x" den Ausgangsstoff meint. Die Bezeichnung kann auch für andere paraffinische Kraftstoffe verwendet werden. Wer HVO100 künftig an der Tankstelle beziehen will, muss mit einem Aufpreis rechnen. Von etwa 20 Cent pro Liter spricht der BFT aufgrund von Erfahrungswerten aus dem Ausland. Für HVO100 wird in Deutschland allerdings kein CO2-Preis (rund 14 Cent pro Liter) fällig. Einige Stimmen gehen davon aus, dass die Tankstellen nur einen Teil der Mehrkosten weitergeben werden, um den Kraftstoff am Markt attraktiv zu platzieren. Andere fordern zusätzlich eine Ermäßigung für HVO100 bei der Energiesteuer. Hierfür benötigt es allerdings politische Weichenstellungen. Undurchsichtig ist aktuell auch, aus welchen Ausgangsstoffen HVO100 hergestellt wird; an der Tankstelle wird lediglich die Kennzeichnung "XTL" zu lesen sein. Der Grünen-Abgeordnete Gelbhaar fordert deshalb mehr Transparenz über die Zusammensetzung und sieht hier Politik und Anbieter in der Pflicht. Es gab bereits Verdachtsfälle über die Einfuhr von Biokraftstoffen, die aus Palmöl aus China hergestellt worden sein sollen. Sollte das auch mit HVO100 passieren, wäre der ganze Aufwand umwelttechnisch als wertlos zu erachten.

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