Güterverkehr der Zukunft

Der Güterverkehr spielt nicht nur eine zentrale Rolle bei der Versorgung und dem Handel innerhalb einer Gesellschaft. Diesem Bereich kommt auch eine Schlüsselfunktion beim Klimaschutz im Verkehr zu. Ziel von Baden-Württemberg ist es deshalb, bis 2030 jede dritte Tonne klimaneutral zu transportieren. Wertvolle Potenziale in der City-Logistik Die Weiterentwicklung des gesamten Güterverkehrs muss daher unter nachhaltigen und effizienzorientierten Gesichtspunkten ausgerichtet werden. Nur so gelingt es, die selbstgesteckten Klimaschutzziele zu erreichen und dem weiter ansteigenden Transportaufkommen gerecht zu werden. Es ist an der Zeit, neue Strategien und neue Wege wie die Digitalisierung und Automatisierung weiterzuverfolgen. Mit dem Güterverkehrskonzept, das im vergangenen Jahr vorgestellt wurde, hat sich das Land Baden-Württemberg mit der Weiterentwicklung des Güterverkehrs bereits intensiv befasst. Das Konzept umfasst Handlungsempfehlungen, die zum Gelingen der Verkehrswende eine wichtige Grundlage darstellen. Vor allem in der City-Logistik sehen wir gute Potenziale und innovative Konzepte für die Umsetzung, wenngleich wir hier vor großen Herausforderungen stehen. Denn der Güterverkehr wird, insbesondere im städtischen Raum, zunehmend als Störfaktor wahrgenommen. Tägliche Staus, Verzögerungen im Personen- und Nahverkehr, fehlende Parkplätze - alles das stellt eine zunehmende Belastung der Bürgerinnen und Bürger, des Klimas, der Umwelt und der Infrastruktur dar. Innerhalb des Güterverkehrskonzepts wurde der City-Logistik deshalb ein eigenes Handlungsfeld gewidmet. Die Gestaltungskompetenz liegt dabei bei den Kommunen. Der Bund und das Land können finanzielle Anreize geben und zudem mit Know-how unterstützen. Alternative Transportmittel Der Bereich der alternativen Transportmittel spielt dabei eine wichtige Rolle. Allein in Baden-Württemberg wurden schon über 2700 E-Lastenräder für Unternehmen, Kommunen, Verbände und Institutionen gefördert, die ein großes wirtschaftliches und umwelttechnisches Potenzial für den Transport auf der letzten Meile bieten. Auch emissionsfreie Lieferfahrzeuge wie schwere elektrisch angetriebene Lkw ergänzen diesen Prozess. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sowohl für den Personen- als auch den Warentransport, bietet ebenfalls Potenzial, den öffentlichen Straßenverkehrsraum vom Logistikverkehr zu entlasten. Um den Güterverkehr in der Stadt "grüner" zu gestalten, plant das Land Baden-Württemberg mit dem Förderaufruf "Zukunftsorientierte Stadtlogistik" ein Förderprogramm für Modellkommunen. Dieses soll die Entwicklung des Lieferverkehrs im urbanen Raum begleiten. So sollen innovative Lösungen für die Stadtlogistik entstehen und direkt im Echtbetrieb erprobt werden. Ziel ist es, die Ergebnisse im Anschluss auf andere Städte und Regionen zu übertragen. Wichtig ist dabei, nicht nur die Logistik in den Fokus zu nehmen. Stattdessen müssen die Versorgung der Stadt mit Gütern und damit die gesamten urbanen logistischen Prozesse in verkehrlicher Hinsicht betrachtet werden. Netzwerk nachhaltiger Güterverkehr Viele Städte sehen sich hier ähnlichen Herausforderungen gegenübergestellt. Entscheidend ist deswegen auch ein Vernetzungsforum, das alle Bereiche des Güterverkehrs in den Blick nimmt und an dem neben sämtlichen Akteuren der Transportkette auch kommunale und regionale Vertreter beteiligt sind. Diesen Prozess möchte das Land, gemeinsam mit den Verbänden, mit dem Aufbau eines "Netzwerks nachhaltiger Güterverkehr BW" voranbringen. Wir sehen uns hier in unterstützender und begleitender Rolle. Es geht darum, einen Mehrwert zu schaffen, der eine Vernetzung zu innovativen, nachhaltigen und auch kritischen Themen schafft. Wir starten das Projekt mit einer Auftaktveranstaltung zu Beginn des kommenden Jahres. Digitalisierung im Güterverkehr Aus Fachforen zum Güterverkehrskonzept im Bereich der urbanen Logistik hat sich ergeben, dass oftmals keine Datengrundlagen der Verkehrsströme und deren Wirkungen in den Kommunen vorhanden sind. Umgekehrt werden für bereits umgesetzte Pilotprojekte im Bereich der City-Logistik nur unzureichend Daten generiert und analysiert. Dem soll das Förderprojekt "MobiDig" abhelfen, das durch das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg in der Förderlinie MobiArch BW über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren gefördert wurde. Dabei entstand ein Handlungsleitfaden zur Nutzung von Daten als Planungsgrundlage kommunaler City-Logistik des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Ziel war es, Methoden von der Identifikation über die Bewertung bis zur Erhebung und Auswertung von relevanten Daten für City-Logistik und urbane Güterwirtschaftsverkehre zu entwickeln. Der neu entstandene Leitfaden beschreibt dabei die Identifikation relevanter Daten, die Datengewichtung, die Erhebung eigener Daten bis hin zur Auswertung und Veröffentlichung von Daten als Open Data. Auf Basis dieser Informationen konnten nun Daten für die Planung und Bewertung von Maßnahmen der City-Logistik abgeleitet und gewichtet werden. Automatisierung im Güterverkehr Neben der Digitalisierung liefert auch die Automatisierung von Prozessen und Abläufen im Liefer- und Güterverkehr ein enormes Potenzial. Das macht zum einen Verbesserungen im Bereich der Verkehrssicherheit möglich. Dazu gehören etwa Abbiegeassistenten oder automatisiertes Rangieren und Bereitstellen auf den Betriebsgeländen. Die Sicherheit im Straßenverkehr und das Ziel der "Vision Zero" ist uns ein wichtiges Anliegen. Transporte, die an Tages- sowie Lenkzeiten der Fahrer gebunden sind, könnten durch Automatisierung in Randzeiten oder in die Nacht verschoben werden. Vollautonome Zustellvorgänge, etwa von Paketen an Privatadressen oder Paketstationen sowie von Paletten an Firmen, machen es prinzipiell möglich, dass weder Zusteller noch Empfänger persönlich anwesend sein müssen. Um in diesem Feld weiterzukommen, wird es eine der großen Herausforderungen sein, die gesellschaftliche Akzeptanz für autonomes Fahren zu verbessern. Denn dessen Akzeptanz ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des Handlungsfeldes. Die Landesregierung Baden-Württembergs hat im Zuge des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg im Mai 2021 ein Empfehlungspapier zum autonomen und vernetzten Fahrens im Liefer- und Güterverkehr entworfen. In Reallaboren und Förderprojekten soll damit bereits im Jahr 2022 begonnen werden. Urbane Umschlag- und Verladeterminals Güterverkehrsterminals müssen nicht nur im ländlichen Raum einen Platz finden. Sie können als emissionsfreie Güterumschlaganlage mitten in der Stadt an der unmittelbaren Schnittstelle zur Citylogistik dienen. So ist das zum Beispiel in Reutlingen mit dem "Zero Emission Logistics Terminal" geplant. Die Planungen für dieses innovative Konzept fördern wir deshalb und begleiten es mit großem Interesse. Dieses Vorhaben ist aufgrund seines Standorts europaweit ein Pionier. Hier soll auch ein multimodaler Hub geschaffen werden. Er soll die Attraktivität des Gewerbegebiets stärken, die innerstädtischen Gewerbeflächen optimal nutzen und die Güterversorgung der Stadt und deren Umgebung sicherstellen. Ziel ist ein nachhaltig wirtschaftliches Gesamtkonzept. Es kann Grundlage für eine zukunftsorientierte Innenstadtnutzung sein und auf andere Städte angewandt werden. Verlagerung auf andere Verkehrsträger Beim Thema grüner Güterverkehr in der Stadt muss jedoch auch die Verlagerung von Gütern auf klimafreundliche Verkehrsträger, wie die Schiene oder das Binnenschiff, auf allen Ebenen noch mehr intensiviert werden. Denn nachhaltige und automatisierte Verteilnetze mit städtischem Raum sind ein erster Ansatz. Aber wenn die Güter mit Lkw bis zur Stadt kommen, ist damit nur wenig gewonnen. Denn auch diese Transporte reihen sich in die vielen Staus in den großen Metropolen ein. Der Transport auf der Schiene muss für viele Bereiche so selbstverständlich werden, wie er früher einmal war. Aus diesem Grund hat das Land Baden-Württemberg eine zentrale Anlaufstelle, den "Kümmerer Schienengüterverkehr", geschaffen, der sich um Gleisanschlüsse kümmert, die Akteure vernetzt und auf die Möglichkeiten und Programme aufmerksam macht. Bis zum Jahresende werden zwei Personen diese Aufgabe wahrnehmen. Der Kümmerer fungiert als erster Ansprechpartner bei Schienengüterverkehrsfragen und dient damit als Schnittstelle zwischen Land, Interessenvertretungen und den Akteuren aus der Praxis. Diese Arbeit wird an der Praxis schon gut angenommen und trägt erste Früchte. Die Lkw-Maut als Lenkungsanreiz Bei aller Unterstützung und Förderung für den nachhaltigen Güterverkehr im urbanen Raum gilt es aber auch, den Straßengüterverkehr und dessen Auswirkungen zu bewerten. Der Straßengüterverkehr beansprucht das Straßennetz in besonderer Weise und führt zu hohem Sanierungsaufwand bei Straßen und Brücken. In 2020 entstanden zudem durch den Straßengüterverkehr rund 6,9 Millionen Tonnen CO2, was etwa einem Drittel der durch den gesamten motorisierten Verkehr entstehenden Kohlenstoffdioxid-Emissionen entspricht. Eine bessere Klimabilanz des Güterverkehrs insgesamt ist zur Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor daher dringend nötig. Eine Ausweitung der Lkw-Maut auf Landesund kommunale Straßen kann einen Beitrag leisten und Lenkungsanreize schaffen, um den Güterverkehr stärker auf die Schiene zu verlagern. Das Land wird daher die Ausweitung der Lkw-Maut vorantreiben und sich in einem ersten Schritt für eine bundesweite Ausweitung der Lkw-Maut auf Landesstraßen einsetzen. Sollte sich dies nicht realisieren lassen, wird eine geeignete landesrechtliche Regelung angestrebt. Zusammenwirken der Akteure Die Klimaziele machen ein nachhaltiges Umsteuern des Güterverkehrs auch in der Stadt erforderlich. Doch eine Mobilitätswende und besonders die Entwicklung der Innenstädte schafft Baden-Württemberg als Land nicht alleine. Nur gemeinsam mit allen Akteuren der Transportlogistik, dem Bund und den Kommunen wird es gelingen, den Güterverkehr nachhaltig zu verändern und so die Lebensbedingungen und den Klimaschutz zu verbessern. Allen Beteiligten dürfte mittlerweile klar sein, dass der Handlungsdruck infolge der Klimakrise weiter angewachsen ist. Lassen Sie uns daher die Verkehrswende, das heißt die Antriebs- und Mobilitätswende, auch in der Logistik gemeinsam mit innovativen und nachhaltigen Lösungen angehen. Autor: Winfried Hermann, Minister für Verkehr des Landes Baden-Württemberg Winfried Hermann, Jahrgang 1952, ist einer der führenden grünen Verkehrspolitiker der Bundesrepublik Deutschland. Der Gymnasiallehrer war von 1984 bis 1988 erstmals Mitglied des Stuttgarter Landtags und von 1992 bis 1997 Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen in Baden-Württemberg. 1998 wurde Hermann Mitglied des Bundestags, er war dort verkehrspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und hatte von 2009 an den Vorsitz des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung inne. 2011 wurde Hermann als Verkehrsminister in die baden-württembergische Landesregierung von Winfried Kretschmann berufen und mit den Landtagswahlen 2016 und 2021 in seinem Amt bestätigt.

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