Gespanntes Warten auf Wissing

Viele Kabinettskollegen von Volker Wissing haben bereits erste Duftmarken gesetzt. Der neue Bundesverkehrsminister hingegen hat sich bislang vor allem zu digitalen Themen geäußert. Zu Themen wie beispielsweise Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaziele im Güterverkehr war von dem FDP-Politiker bis zum Redaktionsschluss nichts zu hören. Immerhin, bei den Logistikverbänden hatte das Ministerium für Digitales und Verkehr nachfragen lassen, welche Folgen ein coronabedingter 30-prozentiger Personalausfall für die Logistik haben könnte. Bei den Verbänden wartet man natürlich gespannt auf die ersten Aussagen und hat sich entsprechend positioniert. Der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) fordert, den Investitionshochlauf zu verstetigen. "Mindestens 19 Milliarden Euro", lautet die Zahl, die DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster nennt. Zum Vergleich: 2021 wollte die alte Bundesregierung laut dem Investitionsrahmenplan 15,6 Milliarden Euro in den Erhalt, Neu- und Ausbau von Verkehrswegen stecken. Zu den weiteren Forderungen Husters gehören der Aufbau von Tank- und Ladeinfrastrukturen für alternative Antriebe sowie die Fortsetzung des KsNI-Förderprogramms zur Anschaffung klimaschonender Nutzfahrzeuge. Und Huster plädiert dafür, sämtliche nationale Alleingänge zur CO2-Bepreisung wie das Brennstoffemissions-Handelsgesetz aufzugeben und stattdessen europäische Lösungen zu unterstützen. Das vordringlichste Problem Wenn es darum geht, welches Eisen Wissing zuerst anpacken müsste, gibt es für Professor Dirk Engelhardt keine Zweifel: "Das vordringlichste Problem der Transport- und Logistikwirtschaft ist der Fahrernotstand, der die Versorgungssicherheit der gesamten Gesellschaft gefährdet", sagt der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Da sieht er die Politik in der Pflicht, aktiv zu werden, um einen solchen Notstand zu verhindern. "Abbau bürokratischer Hürden, die Schaffung von mehr Fahrerkomfort in der Kabine, mehr Digitalisierung in der Ausbildung sowie Zuwanderung", listet er einen Katalog an Maßnahmen auf. Auch für den Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) zählt der Fachkräftemangel zu den aktuell dominierenden Problemkreisen im Güterverkehr. Hauptgeschäftsführer Markus Olligschläger nennt ein Bündel von Maßnahmen, die da wären: eine Imageverbesserung der Transport- und Logistikwirtschaft in der Öffentlichkeit, mehr, saubere, sichere und komfortablere Parkplätze und die Logistik als Unterrichtsthema in den Schulen. Neben der Bekämpfung der Corona-Pandemie nennt Olligschläger weitere Themen, die der neue Verkehrsminister angehen sollte: die Verschlankung der Bürokratie, eine planbare Nachhaltigkeit, Maßnahmen zu Verbesserung der Infrastruktur und eine beschleunigte Digitalisierung. Auch wenn die Corona-Pandemie das Thema Klimawandel ein wenig in den Hintergrund gedrängt hat, dürfte die Einhaltung der Klimaziele im Verkehr einer der großen Herausforderungen für Wissing sein. "Dazu müssen die Unternehmen wissen, welche Antriebstechnologien wie belastet werden und wie das Zusammenspiel von Mautausgestaltung und dem europäischen Emissionshandelssystem konkret aussehen soll", fordert Olligschläger. Als ein zentraler Baustein für die Verringerung des CO2-Ausstoßes wird immer wieder auch die Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene genannt. "Die hohen Umschlags- und Terminal-Kostenanteile müssen durch Vergünstigungen bei der Lkw-Maut für den vor- und nachgelagerten Straßengüterverkehr im Kombinierten Verkehr sowie durch Verlagerungsprämien für Speditionen gesenkt werden", schlägt Huster vor. Olligschläger sieht in der Kranbarkeit von Trailern, mehr Gleisanschlüssen und in einer besseren Baustellen-Koordination der Bahn weitere Stellhebel. Für Peter Westenberger vom Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) bestehen keine Zweifel, wie der neue Bundesverkehrsminister die Weichen stellen muss: "Herr Wissing muss der Schiene klare Priorität geben und zuallererst den Stillstand beim Schienenausbau beenden - planerisch und finanziell", sagt der NEE-Geschäftsführer. Damit aber noch nicht genug. Er schlägt vor, dass die Finanzierungsstrategie für die Verkehrsinfrastruktur wie in der Schweiz nach dem Prinzip "Verkehr finanziert Verkehr" verkehrsmittelübergreifend auf die Klimaschutzziele ausgerichtet werden muss. Das würde eine Abkehr von dem Prinzip "Straße finanziert Straße" bedeuten, für das sich die FDP immer wieder ausgesprochen hat. Ausdehnung der Lkw-Maut gefordert Und Westenberger sieht auch die Notwendigkeit, beim Verkehrsträger Straße Vorzüge zu streichen. "Klimaschädliche Subventionen für Lkw müssen abgebaut werden", sagt er und nennt als Maßnahmen den Abbau des Dieselsteuerprivilegs, die Ausdehnung der Lkw-Maut auf alle Straßen und den Verzicht auf eine Befreiung von Lkw mit sogenannten alternativen Antrieben von der Maut. Eine Vielzahl an Vorschlägen für den neuen Verkehrsminister. Man darf gespannt sein, welchen Weg er einschlagen wird. Womöglich werden alle in der zweiten Januar-Woche etwas schlauer, wenn die Staatssekretäre aus dem Verkehrsministerium erstmals öffentlich auftreten (nach Redaktionsschluss). Mehr zum Thema finden Sie unter #Verkehrspolitik www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Bei den Verbänden gibt es klare Vorstellungen über die Maßnahmen, die der neue Bundesverkehrsminister Volker Wissing treffen sollte. Der Fahrermangel gilt als akutes Problem, das umgehend angegangen werden muss. Aber auch eine stärkere finanzielle Belastung von Lkw-Verkehren wird vorgeschlagen.

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