Forum Automobillogistik

Forum Automobillogistik Aus zwei mach eins Wer in der Automobillogistik als Logistikdienstleister weiter erfolgreich punkten will, muss sich anstrengen. Welche Aufgaben auf die Firmen zukommen, zeigte das erste gemeinsame Forum Automobillogistik der BVL und des VDA in München. Synergien schöpfen ist eine weitverbreitete Manager-Tugend. Dass dazu nicht nur erfolgreiche Unternehmen fähig sind, sondern auch Verbände, bewiesen im Januar die Bundesvereinigung für Logistik (BVL) und der Verband der Automobilindustrie (VDA). Sie veranstalteten in München erstmals das „Forum Automobillogistik“ gemeinsam. Und wie es aussieht, ging die Rechnung der Organisatoren auf. Über 500 Logistikentscheider der Automobilindustrie- und Logistikbranche besuchten das Forum Automobillogistik. Kein Wunder, dass sich VDA-Präsident Matthias Wissmann in seiner Eröffnungsrede euphorisch zeigte und betonte, dass VDA und BVL mit ihrer Gemeinschaftsveranstaltung „das europaweit wichtigste Forum für die Logistik der Automobilindustrie geschaffen“ hätten. Auch in das derzeitige Wehklagen mancher Hersteller wollte Wissmann nicht einstimmen. Im Gegenteil: Die deutsche Automobilindustrie habe allen Grund, stolz auf sich zu sein. So kommen seinen Aussagen zufolge weltweit mittlerweile 20 Prozent aller verkauften Fahrzeuge von der deutschen Automobilindustrie, im Premiumbereich sind es sogar 80 Prozent. Gleichzeitig werden die Produktionsnetze immer globaler und verflochtener. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 produzierte die Automobilbranche noch vier Millionen Autos in Deutschland und 0,5 Millionen weltweit; heute sind es hierzulande 5,4 Millionen Autos und weltweit 7,7 Millionen. Zusätzlich kommen laut Wissmann Teile und Komponenten eines Fahrzeugs oft aus verschiedenen Kontinenten und werden von den Zulieferbetrieben erst bei Bedarf, Just-in-time und häufig auch Just-in-Sequence, also in der Reihenfolge des Einbaus, direkt ans Montageband geliefert. Restriktionen behindern Logistik Dieses komplexe System zu beherrschen – das wurde auf dem Kongress deutlich – stellt die Unternehmen vor massive Herausforderungen, insbesondere die Logistik. Vor allem das Thema Risikomanagement – die Verbesserung des Umgangs mit internen und externen Risiken – rückt bei Logistikentscheidern immer stärker in den Fokus, führte der BVL-Vorstandsvorsitzende Raimund Klinkner aus. Grund: Um die weltweiten Warenströme in den Griff zu bekommen, werden für Logistikentscheider in der Automobilbranche ganzheitliche und integrierte Prozessketten vom Hersteller bis zum Kunden wichtiger denn je. Das zeigen laut Klinkner erste Ergebnisse der Studie „Trends und Strategien in der Logistik“, für die die BVL und US-Professor Robert Hempfield weltweit über 1700 Logistikentscheider aus der Automobilindustrie und Logistikdienstleistungsbranche befragt haben. „Andererseits behindern Restriktionen wie unterschiedliche Bildungsniveaus, Infrastrukturen und unterschiedliche politische Gegebenheiten diese Lieferketten“, betonte Professor Frank Straube, Leiter des Bereichs Logistik von der Technischen Universität Berlin (siehe Interview rechts). Ein erstes Warnsignal ist: „Die Lieferpünktlichkeit hat sich bei rund 60 Prozent der befragten Unternehmen in den letzten Jahren nicht nach vorne entwickelt.“ Ja, noch schlimmer: „Bei 40 Prozent der Firmen hat sie sich sogar verschlechtert“, nennt Straube erste Ergebnisse aus der BVL-Logistiktrend-Studie. „Die Unternehmen müssen in globalen Netzwerken also noch mehr Aufwand treiben, um diese Lieferpünktlichkeit sicherzustellen.“ Gleichzeitig sind die Logistikkosten der Firmen in den letzten vier Jahren leicht gestiegen – nicht nur durch die erhöhten Treibstoffkosten, sondern auch durch den Mehraufwand, den Unternehmen haben. Auch das zeige die Untersuchung. Mit einem Logistikkosten-Anteil von 6,3 Prozent ist die Automobilbranche laut Straube aber – im Vergleich zur letzten Untersuchung – besser geworden. Interessant: Gerade einmal 45 Prozent der befragten Unternehmen kennen nach ersten Studien-Auswertungen ihre Bestandskosten. „Es gibt also nach wie vor viele Firmen, die ihre Logistikkosten nicht genau kennen“, so der Logistikexperte. Insbesondere auf der zweiten, dritten Ebene sei dies der Fall, sagt er. Dazu passt die Aussage der Lieferanten, die sich fallweise von der Automobilindustrie eine höhere Informationseinbindung wünschen. Gefragt: Wirkliches Logistik-Know-how Überrascht hat Straube aber vor allem ein Punkt in der Studie: Während 80 Prozent der befragten Logistikdienstleister glauben, ihre Kunden, die Automobilindustrie, seien sehr zufrieden mit ihrer Leistung, sind dies aber gerade einmal 50 Prozent der befragten Automobilfirmen, führt der Professor aus: „Hier gibt es eine komplett unterschiedliche Selbst- und Fremdwahrnehmung“, warnt er. In dieses Bild passt im Übrigen auch die Kritik eines Topmanagers aus einem namhaften Automobilkonzern am Rande der Veranstaltung: „Ich erlebe sehr häufig Leute aus Logistikunternehmen, die uns ihre Dienste anbieten, zum Beispiel beim Thema RFID“, führte er gegenüber der VerkehrsRundschau aus. Aber wenn er bei diesen gezielt nachfrage, stelle er fest, „dass dahinter oft heiße Luft ist. Viele plappern Dinge nach und wissen zum Beispiel gar nicht, was die Standards beschreiben.“ Das Forum Automobillogistik in München zeigte also ganz klar: Wer in der Liga der Top-Logistikdienstleister weiterhin erfolgreich mitspielen will, muss sich auf noch komplexere Lieferketten einstellen, eine noch stärkere Verschiebung der Märkte Richtung Bric-Staaten sowie einen noch stärkeren Fokus der Automobilindustrie auf den Endkunden, aber auch auf eine noch stärkere Verzahnung der Verkehrsträger – Stichwort Intermodalität. Einfacher wird es für Logistikdienstleister in der Automobilbranche also nicht werden. Die gute Nachricht ist: Wirkliches Logistik-Know-how von Spezialisten ist mehr denn je gefragt. ❙❚■ Eva Hassa Daten + Fakten Forum Automobillogistik Unter dem Leitgedanken „Komplexität beherrschen“ veranstalteten der Verband der Automobilindustrie (VDA) und die Bundesvereinigung Logistik (BVL) erstmals gemeinsam das Forum Automobillogistik in München. Über 500 Logistikexperten der Automobilindustrie- und Logistikbranche nahmen daran teil. Diesjähriger Gewinner des VDA Logistik Awards war Borg Warner Beru Systems. Die Firma wurde für ihr Konzept zur „Automatisierten Früherkennung von Lieferantenrisiken“ ausgezeichnet. eh „Nur 50 Prozent der befragten Automobilfirmen sind mit ihren Logistikdienstleistern zufrieden“ Frank Straube, Professor TU Berlin Interview Wege aus dem Infrastruktur-Engpass Warum BVL, VDA und DVF eine „Plattform für Logistik und Verkehr“ planen, sagt Professor Frank Straube von der TU Berlin. Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) will eine „Plattform für Logistik und Verkehr“ initiieren. Das kündigten Sie nun auf dem Forum Automobillogistik in München an. Welche Ziele verfolgt diese Plattform? Frank Straube: Diese Austauschplattform – deren Ausgestaltung wir im Einzelnen noch festlegen müssen – soll gemeinsam mit den beteiligten Akteuren und ihren Verbänden wie dem Verband der Automobilindustrie (VDA) und dem Deutschen Verkehrsforum (DVF) nach Lösungen suchen. Unser Ziel ist es, gerade vor der Bundestagswahl, in der Politik und der Gesellschaft die Relevanz der Verkehrsinfrastruktur und integrierter Mobilität für die Logistik und den Wirtschaftsstandort Deutschland in der Globalisierung stärker herausarbeiten. Warum wollen Sie gerade jetzt eine solche gemeinsame Plattform realisieren? Wir sehen allein in der Infrastruktur große Herausforderungen auf uns zukommen. Der Aufwand für Instandhaltung und Neubau wird in Deutschland auf 15 Milliarden Euro pro Jahr beziffert, verfügbar sind aber nur zehn Milliarden Euro. Außerdem benötigen wir für den Aufbau des transeuropäischen Netzes im Verkehr rund 600 Milliarden Euro. Auch hier gibt es eine beträchtliche Finanzierungslücke in nationalen Etats. Diese Entwicklung halten wir für gefährlich. Was befürchten Sie da konkret? Ohne Logistik hätte allein die Automobilindustrie ihren Weg in die Globalisierung nicht nehmen können. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 produzierte diese Branche noch vier Millionen Autos in Deutschland und 0,5 Millionen weltweit; heute sind es hierzulande 5,4 Millionen Autos und weltweit 7,7 Millionen. Weltweit kommen im Premiumbereich mittlerweile 80 Prozent aller verkauften Fahrzeuge von der deutschen Automobilindustrie. Für eine funktionierende Logistik ist allerdings eine adäquate Verkehrsinfrastruktur maßgeblich. Auch die Endkunden-Versorgung funktioniert bekanntlich ohne Logistik nicht. Mobilität und Warenverfügbarkeit sind eben keine Selbstverständlichkeit. eh

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