Flächennot im Flächenland

Hannover ist nach Hamburg - logistisch gesehen - die Nummer zwei im Norden. Die Wirtschaftsförderung Hannover will die Region als Hub für den Seehafenhinterlandverkehr positionieren. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das schon lange geplante Megahub endlich kommt. In Lehrte plant die Deutsche Bahn seit Jahren ein riesiges Containerterminal für kontinentale wie auch für maritime Verkehre (siehe VR 37/2015, Seite 26). Immer neue Einwände haben den Bau über Jahre verzögert. Nun ist Michael Krantz von der Wirtschaftsförderung der Region Hannover zuversichtlich, dass das Megahub 2018 seinen Betrieb aufnehmen kann. Um den Kombinierten Verkehr zu stärken, denkt die Wirtschaftsförderung zudem darüber nach, wie man stillgelegte Gleisanschlüsse reaktivieren könnte. Die Region kann mit einer guten Anbindung zu Land, Wasser und Luft überzeugen (siehe Kasten Seite 25). Insbesondere auf der Straße profitiert Hannover von seiner Lage als Schnittpunkt der West-Ost- (A 2) und Nord-Süd-Achsen (A 7). "Alle vier Verkehrsträger an einem Ort sind ein besonders Asset", sagt Alexander Nehm, Geschäftsführer der Logivest Concept. Ein weiterer Ansiedlungsgrund, vor allem für Kontraktlogistiker: Als Dienstleister finden sie viele Kunden aus der Automobilindustrie und dem Handel vor Ort. Volkswagen mit seinem Sitz im nahen Wolfsburg und einem Nutzfahrzeugwerk in Hannover zählt dazu. Im Handel haben besonders E-Commerce-Unternehmen den Standort schon seit Langem für ihre Zentrallager entdeckt, um von Hannover aus die Region Nord abzudecken. "Damals verfügte Hannover noch über größere Flächen", sagt Nehm. Doch diese Zeiten sind mittlerweile vorbei. Der Flächenmangel ist eines der größten Probleme von Krantz. Er ist für die Förderung der Logistik in Hannover und Umgebung verantwortlich und kümmert sich um die Ansiedlung von Unternehmen. Zudem vermarktet das Logistikportal Niedersachsen mit Unterstützung von Unternehmen, einzelnen Gemeinden und des Landes die Logistikregionen in ganz Niedersachsen und vermittelt Ansprechpartner für interessierte Unternehmen. Die gibt es zuhauf. Der Großteil der Nachfrage stammt von Unternehmen aus der Region, die expandieren wollen. Darum sind die Ambitionen der Wirtschaftsförderung gering, neue Unternehmen aus anderen Regionen oder aus dem Ausland anzuwerben. Verfügbare Flächen gibt es dagegen kaum. "Die Region Hannover steht vor großen Herausforderungen, da es ab einer Größenordnung von 4000 Quadratmetern kaum noch moderne Logistikflächen gibt", bestätigt Christian Beran, Abteilungsleiter bei der Realogis Immobilien. Rewe und Kaufland weichen aus Immer mehr Unternehmen wichen in den vergangenen Jahren darum vermehrt aufs Umland aus. Der Einzelhändler Rewe hat auf einem 52.300 Quadratmeter großen Gelände in Wedemark-Berkhof direkt an der A 7 sein bundesweit zweites Kopflager für Obst und Gemüse errichtet. Seit November werden aus dem Frische-Logistikzentrum die Regionallager in sechs Bundesländern versorgt. Jährlich sollen 250.000 Tonnen Obst und Gemüse umgeschlagen werden. Kaufland hat vor wenigen Jahren in Barsinghausen 150 Millionen Euro in ein 74.000 Quadratmeter großes Logistikzentrum investiert. Mangels Alternativen weichen andere Firmen zudem auf Bestandsimmobilien aus. Doch auch die sind begrenzt. Die bestehenden seien meist langfristig vermietet, so Beran. Der Neubau sei demnach unvermeidlich. Doch wo? Sowohl das Güterverkehrszentrum wie auch der Airport Business Park in Langenhagen sind fast ausgebucht. Aber immerhin, Letzterer wurde und wird gezielt für die Logistik ausgebaut. In den letzten Jahren hat der Flughafen 110 Millionen Euro in die Erweiterung des Fracht- und Logistikbereichs investiert. Unter anderem wurden neue Gebiete durch einen Straßentunnel mit dem Flughafen verbunden. "Perspektivisch könnten hier bis zu 45 Hektar Gewerbeflächen entstehen, die für Logistiker gut geeignet sind", so der Immobilienbericht der Wirtschaftsförderung. Seit Sommer realisiert DB Schenker im Business Park Ost auf einer 70.000 Quadratmeter großen Fläche eine Stückguthalle mit 7800 Quadratmetern. Für DHL Express baut das Immobilienunternehmen Adler derzeit nebenan für 32,5 Millionen Euro ein Umschlagzentrum. Auf 7500 Quadratmetern sollen ab April 6000 Pakete pro Stunde und 15000 Expresssendungen pro Tag umgeschlagen werden. Beran bestätigt: "In der Metropolregion Hannover kristallisiert sich Langenhagen zunehmend als Logistik-Hotspot heraus." Dort seien neue Projekte mit 8000 bis 10.000 Quadratmetern angestoßen worden, die Anfang 2016 fertig werden sollen. Diese sind bereits langfristig an Logistikdienstleister vermietet. "Im Umkreis von Hannover Langenhagen sind jedes namhafte Logistikunternehmen sowie das produzierende Gewerbe vor Ort ansässig", sagt Beran. So auch Dachser. Jörg Brinkmann, Generalmanager der Dachser-Niederlassung Langenhagen Food Logistics, lobt die idealen Voraussetzungen in Sachen Infrastruktur. Auch wenn das Nadelöhr A 2 immer wieder für Staus sorge, seien die Bedingungen doch im Vergleich zu anderen Regionen sehr gut. Auch wirtschaftlich sei der Standort attraktiv, so Brinkmann. Das ziehe weitere Unternehmen an. Als Problem sieht er auch die fehlenden Grundstücke für die Expansion. Mangel an Lkw-Fahrern "Wir sind mit Hochdruck dran, weitere Flächen auf den Markt zu bringen", versucht Krantz einen positiven Ausblick. Und weiter: "Im Unterschied zu Hamburg können wir noch Flächen aktivieren", gibt er einen Seitenhieb auf die Elbestadt. Vor allem entlang der A 2 sollen bald neue Logistikflächen ausgewiesen werden. In Wunstorf sind es insgesamt 90 Hektar, in Barsinghausen knapp 30 Hektar. Trotz der knappen Flächen sind die Mieten seit Jahren relativ stabil. Auch die Grundstückskosten sind vergleichsweise moderat. Beran sieht das Mietniveau zwischen 3,85 Euro und 4,60 Euro je Quadratmeter. Neben den fehlenden Flächen hat Dachser-Manager Brinkmann noch ein weiteres Problem ausgemacht: Der Mangel an Lkw-Fahrern mache sich aufgrund der starken Industrie in Hannover deutlich bemerkbar. Zusammen mit der Wirtschaftsförderung haben Unternehmen und Fahrschulen ein Programm gestartet, das Fahrer ausbilden und qualifizieren soll. Auch sonst ist die Konkurrenz um Logistik-Fachkräfte groß. Mit 54.000 Arbeitsplätzen befindet sich immerhin jeder sechste Logistikjob Niedersachens in der Region. Mehr finden Sie im Dossier Niedersachsen www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Logistikregion Hannover im Überblick Europäische Drehscheibe über Land, Wasser und Luft 1,3 Milliarden Euro Investitionsvolumen in Logistikimmobilien, 80 Investitionsvorhaben in der Logistik und 7800 neu geschaffene Arbeitsplätze in der Logistik: Das ist nach Angaben der Wirtschaftsförderung Hannover die Bilanz für die Logistikregion Hannover seit 2003. Aufgrund dieser Entwicklung bezeichnet sich die Region auch als bedeutendster Logistikstandort in Norddeutschland nach Hamburg.In der Tat ist die Lage vorteilhaft: Wer von Skandinavien bis nach Italien Waren transportiert, für den liegt Hannover etwa auf halber Strecke. Ähnliches gilt für Unternehmen, die zwischen Antwerpen und Rotterdam Richtung Polen und weiter nach Osteuropa wollen.Wichtige europäische Fernstraßen streifen Hannover. Auch im Schienengüterverkehr führt die wichtigste Nord-Süd-Trasse an Hannover vorbei. Auch deshalb ist die Landeshauptstadt Knotenpunkt im Seehafenhinterlandverkehr: Nach Angaben der örtlichen Wirtschaftsförderung werden 80 Prozent des Güterverkehrs aus den deutschen Nordseehäfen über Hannover transportiert.Aber auch über Wasser ist Hannover erreichbar: Der Mittellandkanal verbindet Rhein und Elbe, sodass von den vier Binnenhäfen in Hannover per Schiff die Seehäfen Bremerhaven, Hamburg, Rotterdam und Antwerpen sowie die Binnenhäfen im Ruhrgebiet und in Berlin angefahren werden können. Und der Flughafen in Hannover kann mit einer 24-Stunden-Betriebsgenehmigung punkten, sodass auch aus der Luft die Region gut angebunden ist. cd