Tübingen/Stuttgart/Köln. Seit mehr als fünf Jahren gelten Vorschriften, die jegliche Geschäfte im In- und Ausland mit bestimmten Terrorverdächtigen verbieten. Deren Namen sind in den so genannten EU-Terrorlisten aufgeführt. Verstöße gegen das Verbot können mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft werden, Unternehmen riskieren Geldbußen von bis zu einer Million Euro. Die Verordnungen sind umstritten: Kritiker meinen, die Listen verursachten zwar großen Aufwand für Unternehmen, den Kampf gegen den Terror brächten sie aber nicht voran. Der Landesverband der Baden-Württembergischen Industrie (LVI) fordert nun eine Überarbeitung. „Ich glaube, dass viele Firmen gar nicht wissen, wie sie mit diesen Verordnungen umgehen sollen“, sagte LVI-Chef Hans-Eberhard Koch, der Deutschen Presse-Agentur dpa. Beispiel Walter AG aus Tübingen: Der exportorientierte Hersteller von Hartmetallwerkzeugen mit rund 2600 Mitarbeitern und einem erwarteten Umsatz von 530 Millionen Euro in diesem Jahr gleicht seine Kunden bisher nicht mit den EU-Terrorlisten ab. Das sei keine Pflicht, sagt der Direktor für Materialwirtschaft, Hans-Joachim Bob. Wegen der Vielzahl der Einträge in den Terrorlisten und häufiger Aktualisierungen ließe sich ein solcher Abgleich nur per Computer bewerkstelligen. Vorsichtshalber hat Bob sich nach entsprechenden Programmen umgeschaut. „Die Kosten für eine solche Software lägen bei ungefähr 20.000 Euro für die Anschaffung und weiteren 2000 bis 3000 Euro jährlich für Updates“, sagt Bob. Ein zusätzlicher Aufwand, den die Tübinger gerne vermeiden würden: „Unsere Produkte sind ohnehin weltweit frei erhältlich, so dass das kaum einen Sinn machen würde.“ Die Walter AG ist kein Einzelfall, wie der Zoll-Experte bei der Industrie- und Handelskammer Reutlingen, Werner Plankenhorn, erläutert. Manche Betriebe hätten die Terrorlisten vermutlich gar nicht zur Kenntnis genommen. „Es ist die Frage, ob wirklich jede kleine Firma darüber informiert ist.“ Aus Sicht des Referenten für Exportkontrolle beim Maschinenbauverband VDMA in Frankfurt, Klaus Friedrich, besteht auch gar kein Handlungsbedarf: „Bei gelassener Betrachtung ist für Industrieunternehmen das Risiko eines Anti-Terror-Verstoßes äußerst gering. Es gibt aber viel unseriöses Angstmach-Marketing, von Software-Anbietern, Exportberatern und leider auch von Rechtsanwälten.“ Die Zollbehörden, die für die Kontrolle der EU-Terrorlisten zuständig sind, sprechen sich dagegen für einen Abgleich von Kundenlisten mit den EU-Verordnungen aus. „Das wäre wünschenswert“, sagt der Sprecher des Zollkriminalamts in Köln, Wolfgang Schmitz. Zweifel an dieser Säule des Anti-Terror-Kampfs seien nicht angebracht, sagt Schmitz. „Die Praxis zeigt, dass das funktioniert, wir erhalten auch Hinweise von Unternehmen.“ Wie groß die Gefahr für deutsche Unternehmen ist, unbemerkt an einen in den Listen aufgeführten Geschäftspartner zu geraten, ist schwierig abzuschätzen. Schmitz deutet an, dass es bereits Verstöße gegen die EU-Verordnungen gegeben habe. „Wir haben in der Vergangenheit in mehreren Fällen Hinweise an die zuständigen Behörden weitergeleitet.“ Zum Ausgang der Verfahren sagt Schmitz nichts.
Firmen ignorieren Vorschriften zur Terrorbekämpfung – Strafen drohen
Beim Kampf gegen den Terror verlassen die Behörden sich auch auf die Mithilfe der Wirtschaft – doch zwei zu diesem Zweck erlassene Verordnungen der Europäischen Union werden von vielen Unternehmen schlicht ignoriert.