Brüssel. Leichte Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen (N1) sollen 2020 nur noch 147 Gramm CO2 pro gefahrenen Kilometer ausstoßen dürfen. Auf diesen Kompromiss einigten sich gestern am späten Nachmittag Verhandlungsführer der EU-Einrichtungen in Straßburg.
Der Wert muss nicht von jedem einzelnen neuen Fahrzeug erreicht werden, sondern von der gesamten Flotte eines Automobilherstellers. Die EU-Umweltminister müssen den Kompromiss am kommenden Montag noch formell annehmen. Das EU-Parlament wird die abschließende Abstimmung wahrscheinlich auf die erste Plenumssitzung 2011 Mitte Januar terminieren.
"Vor allem Deutschland und Italien haben auf die hohen Werte bestanden", sagte nach der Verhandlung, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, der schwedische Europaabgeordnete Carl Schlyter gegenüber der VerkehrsRundschau. Der Grünen-Politiker zeigte sich enttäuscht über den Kompromiss, der seiner Meinung nach weder der Industrie noch der Umwelt nütze. "Der Wert von 135 Gramm CO2, den die EU-Kommission vorgeschlagen hatte, wäre ein Anreiz für die Industrie gewesen, jetzt in die Forschung zu investieren und in Zukunft als Marktführer ihre Autos weltweit verkaufen zu können", sagte Schlyter. Er verstehe nicht, warum die Industrie diese Chance nicht erkannt und auf wenig ehrgeizige CO2-Ziele bestanden habe.
"All die Kleinunternehmer, die die leichten Nutzfahrzeuge benutzen, werden jetzt jahrelang weiter hohe Treibstoffkosten bezahlen müssen", beklagt auch Kerstin Meyer von der Umweltorganisation Transport & Environment den gefundenen Kompromiss. EU-Umweltkommissarin Connie Hedegaard, deren Mitarbeiter in Studien sogar die Machbarkeit von 125 Gramm CO2 bis 2020 herausgestellt hatten, begrüßte dagegen die Entscheidung. "Die jetzt erzielte Einigung wird es möglich machen, den Kommissionsvorschlag von 2009 rasch als Gesetz zu verabschieden und damit Planungssicherheit für die Industrie zu schaffen", schreibt die Dänin in einer ersten Pressemitteilung.
Die Höhe des CO2-Werts, der 2020 erreicht werden soll, war der strittigste Punkt in dem Verordnungsvorschlag. Die EU-Kommission hatte 135 Gramm gefordert, der Umweltausschuss des Parlaments sich auf 140 Gramm festgelegt. Die EU-Mitgliedsländer gingen mit 155 Gramm in die Kompromissverhandlungen. Von Seiten der Automobilindustrie war der Wert von 160 Gramm CO2 als sinnvolles Ziel ausgegeben worden.
Die jetzt erzielte Einigung sieht weitere Einzelheiten vor: So muss der CO2-Durchschnittswert einer Kleintransporter-Flotte 2017 bereits auf 175 Gramm gesenkt werden. Die Kommission hatte das Jahr 2016 für dieses Ziel vorgeschlagen. Das Strafgeld für Überschreitung der Grenzwerte wurde auf 95 Euro pro Gramm CO2/km festgelegt. Die Kommission hatte 125 Euro vorgeschlagen.
Es war die dritte Verhandlungsrunde, die gestern zu einem Kompromiss führte. Er hatte sich in dieser Form bereits abgezeichnet, nachdem sich die Verhandlungspartner in der zweiten Runde angenähert hatten: Das Europaparlament war von seinen ursprünglich geforderten 140 Gramm CO2 abgerückt und gestand 145 Gramm zu. Der EU-Rat als Gremium der EU-Mitgliedsstaaten senkte seine Forderungen von 155 auf 150 Gramm. Besonders Deutschland, Frankreich und Italien hatten vor den Verhandlungen auf den Wert von 155 Gramm CO2 gepocht und waren nicht bereit, auf 150 Gramm herunterzugehen. In allen drei Ländern sind Hersteller von leichten Nutzfahrzeugen beheimatet. (kw)