Hamburg. Zum ersten Mal sollen somalische Piraten in Deutschland vor Gericht kommen. Ein halbes Jahr nach dem Überfall auf das Frachtschiff „Taipan" hat die Hamburger Staatsanwaltschaft zehn mutmaßliche Seeräuber angeklagt, wie Sprecher Wilhelm Möllers am Dienstag berichtete. Sie sollen sich nach dem Willen der Behörde wegen Angriffs auf den Seeverkehr und erpresserischen Menschenraubs vor dem Landgericht der Hansestadt verantworten. Wann der Prozess beginnen könnte, blieb zunächst unklar.
Die schwer bewaffneten Männer sollen das Hamburger Containerschiff „Taipan" am Ostermontag rund 500 Seemeilen vor der Küste Somalias überfallen und knapp vier Stunden in ihrer Gewalt gehabt haben. Ein niederländisches Marinekommando hatte sie dann überwältigt und festgenommen. Im Juni waren die Verdächtigen nach wochenlangem Tauziehen von den Niederlanden an die Bundesrepublik ausgeliefert und nach Hamburg gebracht worden, wo sie in Untersuchungshaft sitzen.
Bei den Beschuldigten handelt es sich um sieben Erwachsene, zwei Heranwachsende und einen Jugendlichen. Der Älteste soll nach bisherigen Erkenntnissen im Jahr 1962 geboren worden sein, der Jüngste 1993. Sie haben bisher zu den Vorwürfen geschwiegen.
Bei einer Verurteilung drohen den Erwachsenen Höchststrafen von 15 Jahren, dem Jugendlichen von 10 Jahren. Verhandelt werden soll vor der Großen Strafkammer 3 des Landgerichts. „Damit kommt es erstmals seit Jahrhunderten in der Hansestadt wieder zu einem Strafverfahren gegen mutmaßliche Piraten", betonte Oberstaatsanwalt Möllers.
Seeleute nach Schusswechsel befreit
Die mutmaßlichen Piraten hätten die „Taipan" - von einem Mutterschiff im Seegebiet östlich des Horns von Afrika aus - unter lebensbedrohlichem Gewehrfeuer und mit Enterleitern aufgebracht, sagte Möllers. „Nach den Ermittlungen handelten die Beschuldigten in der Absicht, die 15-köpfige Besatzung gefangen zu setzen und ein Lösegeld für deren Freilassung zu erpressen." Die Seeleute konnten sich aber in einen besonders gesicherten Raum retten, der deutsche Kapitän setzte einen Notruf ab. Den Piraten gelang es zwar, den Kurs des Frachters zu ändern - die Besatzung unterbrach aber daraufhin die gesamte Energieversorgung des Containerschiffs.
„Durch den entschlossenen Einsatz von Soldaten der niederländischen Fregatte ‚Tromp' konnten Besatzung und Schiff nach einem kurzen Schusswechsel befreit und die Beschuldigten festgenommen werden", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Verletzt wurde niemand.
Mit der Anklage gegen die mutmaßlichen Piraten aus Somalia werde juristisches Neuland betreten, sagte Möllers. Die Staatsanwaltschaft hat bereits Beweismittel in ihrem Besitz - etwa fünf Kalaschnikows, zwei Granatwerfer, zwei Pistolen, Messer, zwei Enterleitern sowie Munition. (dpa)