Elektro-LKW von AGV

Elektro-LKW von AGVDie Rechnung ohne Diesel gemachtIn den Niederlanden läuft seit einigen Wochen ein Elektro-LKW des Herstellers AGV als rollende Filiale der Rabobank. Diese will damit für eine Zukunft üben, in der eines Tages vielleicht nur noch Zero-Emission-Vehicles in die Städte dürfen. Über Preise wird (noch) nicht gesprochen. Voran ging dem Elektro-TGL der Import des ebenfalls elektrisch betriebenen Smith Newton mit Avia-D-Chassis und Kabine, mit dem Geschäftsführer Mart Noordam allerdings nicht so recht froh wurde: „Der MAN ist ein Maßstab in der Klasse, was Qualität, Stabilität und Verfügbarkeit von Ersatzteilen angeht“, erklärt er. Gerade Letzteres sei entscheidend: „In England betreibt Smith einen mobilen Pannenservice, hier warten wir ewig auf Teile – das dauert zu lang“, erklärt er den Schritt zur kompletten Eigenentwicklung, die vom niederländischen MAN-Importeur offiziell geduldet, hinter den Kulissen aber geschätzt wird. Irgendwo geht es auch darum, im vom DAF LF dominierten Heimatmarkt einen Fuß in die Tür der leichten Verteiler zu bekommen. Worauf es beim Elektro-LKW ankommtDie besteht vor allem in einer geschickten Kombination und Abstimmung diverser Komponenten, die der Hersteller AGV in aller Welt ordert und dann zu einem Antriebsstrang kombiniert. Energiespender ist dabei einmal mehr ein Lithium-Ionen-Batteriepaket, das AGV nach Kundenbedarf in mehreren Ausführungen liefert. Ebenso die Leistungseinstellungen, die AGV momentan mit 80, 120 und 160 kW angibt. Das erste „Serienmodell“, eine „fahrende Filiale“ für die Rabobank, ist ein 120 kW starker Neun-Tonner, der sich wie erwartet einfach fährt: Den Schaltknüppel hat AGV durch einen einfachen Vorwärts- Rückwärts-Taster ersetzt, das Kupplungspedal flog aus dem Fußraum. Darum findet sich jeder sofort zurechtWie beim Modec „startet“ man per Zündschlüssel, das Surren des Elektromotors ist hier aber kaum hörbar. Dem höheren Gewicht entsprechend setzt sich der AGV dann etwas träger in Bewegung als der Brite, der maximal bis 7,5 Tonnen hinaufreicht. Im Gegensatz zu dessen futuris-tischem Interieur lassen die Niederländer den TGL unverändert. Alle Schalter und Hebel sind da, wo der TGL-Fahrer sie erwartet. Die 120 kW genügen, um den Neun-Tonner angemessen in den Verkehrsfluss zu beschleunigen. Da das volle Drehmoment wie bei allen Stromern praktisch aus dem Stand zur Verfügung steht, braucht der AGV den Vergleich zum dieselnden TGL nicht zu scheuen. Nutzlastseitig variiert seine Bilanz je nach Leis-tungsstufe: Während die 80-kW-Version etwa dem Standard-TGL entspricht, liegt die 120-kW-Version deutlich, die 160-kW-Version eine ganze Tonne unter dem Original. Auch der niederländische MAN-Importeur hat einen Vorführer geordert. Nummer drei und vier hat die niedersächsische Spedition Meyer & Meyer bestellt, wo der TGL als Wechselbrückenfahrzeug zwischen Potsdam und Berlin im Dienst des Textileinzelhändlers C&A stehen wird. Da der Meyer&Meyer-Fuhrpark großenteils aus MAN besteht, schätzt man den vertrauten Basis-LKW. Weitere drei Fahrzeuge sind laut Geschäftsführer Mart Noordam im Vorlauf, 2011 plant man dann mit 25 Einheiten. Natürlich wartet der TGL mit Bremsenergierückgewinnung auf, die Reichweite gibt AGV mit rund 150 Kilometern an. „200 sind möglich, aber wenn einer das Leis-tungsvermögen gern ausnutzt oder im Winter unterwegs ist, reduzieren wir das lieber auf ein sicheres Maß“, erklärt Noordam augenzwinkernd. 1000 Batterieladezyklen garantiert er, was bei einer täglichen Ladung einer Lebensdauer von rund vier Jahren entspricht, solange das Fahrzeug nachts sechs bis acht Stunden an die Steckdose kann. Natürlich hat man auch die Themen Plug-in-Hybrid und Range-Extender auf dem Plan. Gerade im Verteilerverkehr ist es interessant, auf der Tour beim Warenentladen die Batterie zwischenzuladen, um die Reichweite zu erhöhen. Fahr-, Brems- und Federungskomfort entsprechen dem Standard-TGL. Hauptunterschied ist das viel leisere Fahrgeräusch, das wie beim Modec eher nach Straßenbahn als nach LKW klingt. Und nachdem der Motorsound bei den Verteiler-LKW selten zu den gern gehörten Geräuschen gehört, gebührt dem leisen AGV die Ehre, nicht nur der sauberste, sondern auch der komfortabelste TGL zu sein, der je gebaut wurde. ❙❚■ Gregor SollerDer erste AGV in voller (leiser) Fahrt. Sein Einsatzspektrum prädestiniert ihn für den Elektroantrieb Innen behielten alle Schalter ihre Funktion, das Tipmatic-Wählrad ersetzte man durch einen Vorwärts-Rückwärts-Schalter, Batterie mit Steuerplatine (v. l.)Alle Fahrzeuge werden von oben und unten bestückt, Ladevorrichtung beifahrerseitig hinter der Kabine, Batteriepack in diesem Fall fahrerseitigZwischenabnahme der beiden Elektro-LKW durch Meyer&Meyer in Oosterhout (l.). Kompakter „Antriebsstrang“ anstelle des Getriebes (r.)Elektro-LKW von AGVGrün handeln statt grün redenIn einem Interview äußert sich AGV-Verkaufsleiter Mart Noordam dezidiert zur Zukunft der Elektromobilität und deren Kosten. Wären außer dem MAN TGL weitere Chassis als Basis für Elektro-LKW vorstellbar? Mart Noordam: Unsere Hauptarbeit ist das Finden eines optimalen Triebstranges und dessen Abstimmung auf das Auto. Anschließend müssen entsprechende Produktionsabläufe und Stücklisten erstellt werden, das können und wollen wir leider nicht für jeden LKW machen.Wie entwickelt sich das Thema Elektromobilität aus Ihrer Sicht?Sehr gut. Für 2011 rechnen wir mit rund 250 Aufträgen über unser gesamtes Portfolio, das dann vom Cityvan über den Verteiler-LKW bis hin zum Stadtbus reicht. Der Markt ist schwer in Bewegung: Für unser Hauptprodukt, den Ford Transit Connect, entwickeln wir momentan eine „Einstiegsversion“, die 80 statt 130 Kilometer Reichweite bietet und dafür fast 30 Prozent billiger wird. Karosserieseitig nehmen wir statt der großen Hochdachversion das kurze Flachdach. Des Weiteren sind wir mit diversen Busherstellern im Gespräch. Wie reagieren die Hersteller darauf?Die warten in aller Ruhe ab. Momentan sind die Stückzahlen zu gering, als dass sich eine Serienfertigung für sie lohnen würde.Aber wenn diese merklich ansteigen, müssen wir gewappnet sein. Im Prinzip sehen wir unsere Zukunft auch nicht als Fahrzeughersteller, sondern als Lieferanten von Antriebssträngen. Insofern brauchen wir auf diesem Gebiet immer zwei Jahre Entwicklungsvorsprung, den es zu halten gilt.Woher stammen die Komponenten?Aus der ganzen Welt: Für die LKW beziehen wir die Elektromotoren aus England, das Getriebe aus den USA, kleinere Komponenten stammen aus der Schweiz und aus Deutschland, die Akkus samt Steuerung stammen aus China.Werden die jetzt nicht billiger?Noch nicht. Die Nachfrage steigt zwar, was zu Lieferzeiten führt, aber die Stückzahlen sind in Summe immer noch zu gering, als dass sich ein merklicher Ausbau der Kapazitäten lohnen würde. Wie sieht es mit dem Servicenetzwerk aus?Ohne das geht in Europa nichts. Entsprechend arbeiten wir daran und versuchen, auch bei den Komponenten möglichst viel zu vereinheitlichen. Wichtig ist hier auch die Zusammenarbeit mit den Fahrzeugherstellern, die uns wertvolle Tipps geben können. Spüren Sie hier überhaupt schon so etwas wie Wettbewerb?Oh ja, Renault Trucks arbeitet in Frankreich mit einem Systemlieferanten unseres Zuschnitts zusammen und hat ganz konkrete Pläne für die nächsten Schritte. Auch Daimler und Iveco forschen mit Partnern am Thema Elektromobilität. Wie schon gesagt, wir sind kein LKW-Hersteller, wollen aber eines Tages so weit sein, komplette Antriebsstränge an diese zu liefern. Und dabei wollen wir nicht nur grün reden, sondern auch grün handeln. gsInterviewMart NoordamElektro-LKW von AGVSaubere Kleinserienfertigung auf leisen Sohlen Der allererste Eindruck beim Elektrofahrzeughersteller „All green vehicles“ im niederländischen Oosterhout erinnert an andere Elektrofahrzeughersteller. Wie beim englischen E-Fahrzeugproduzenten Modec fällt das Firmengelände nicht allzu groß aus, die Hallen sind extrem sauber und davor stehen zahlreiche Versuchsfahrzeuge diverser Hersteller, bei denen man den Verbrennungsmotor gegen einen Elektroantrieb getauscht hat. Der arbeitet jetzt auch im Chassis der neuen 7,5- bis 12-Tonner, die AGV auf Basis des MAN TGL entwickelte. Außerdem würde man gern noch ein zweites Chassis als „Basisfahrzeug“ nutzen, sieht sich mittelfristig aber eher als Systemlieferant und nicht als Fahrzeugbauer. Richtig am Laufen ist derweil der Ford Transit Connect, den die Amerikaner aus ihrem türkischen Werk tatsächlich fix und fertig vorbereitet ohne Antrieb nach Oosterhout liefern. Für 2011 wird der AGV Connect das „Volumenmodell“ der 250 geplanten Einheiten werden. Außerdem tüftelt AGV an einer preisgünstigeren Einstiegsvariante, die dann die kurze Flachdach- statt die lange Hochdachversion zur Basis hat und sich mit 80 statt 130 Kilometer Reichweite begnügen soll. Konkret in Arbeit sind auch diverse Typen von Irisbus, die auf dem Iveco Daily basieren, der damit auch elektrifiziert werden könnte. Nachfrage deutet sich auch nach verbrauchten Mercedes-Vito-Taxis an, die statt einem Austauschmotor einen Elektroantrieb erhalten sollen. Auch an diversen PKW-Modellen tüftelt AGV, wobei das Herzstück der Entwicklung immer die Kombination und Regelung des Elektroantriebs bleiben wird. gsIn Oosterhout baut AGV seinen Antrieb in die antriebslos gelieferten Ford-Modelle einStartbereit: Transit Connect von AGVHintergrund AGV

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