Die Tücken der Zeitfenster

Das Thema "Wartezeiten an der Rampe" ist nicht nur ein sehr schwieriges Thema. Wenn es um die Ladezone geht, dann kochen auch schnell die Emotionen hoch, wie die Aussage von Joachim Schürings, Leiter Frachteinkauf LKW und Seefracht bei Thyssen-Krupp Steel Europe (TKSE), zeigt. Thyssen-Krupp erntet einen Shit-Storm "Mein Sohn würde sagen, wir haben einen Shit-Storm geerntet", sagte Schürings letzte Woche auf dem Branchenforum Stahl, das der Verband Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (NRW) im Rahmen des Logistikclusters NRW veranstaltet hat. Was war passiert? Schürings hatte seine Dienstleister angeschrieben mit der Ankündigung, dass TKSE sie künftig an den Kosten für die Buchung der Zeitfenster zur Hälfte beteiligen wolle. Da dürfte sich so mancher Stahlspediteur gedacht haben: Jetzt muss ich schon so lange warten und dann soll ich dafür auch noch zahlen? Es hagelte dann Widerspruch und der zeigte Wirkung. "Vor allem für die Unternehmen, die für uns viele Hundert Transporte im Monat fahren, werden und wollen wir eine Sonderregelung finden", kündigte Schürings an. Immer wieder erhitzt das Thema "Zeitfensterbuchung" die Gemüter. "Wir haben den Eindruck, dass diese Zeitfenstermanagement-Systeme auch dazu genutzt werden, um über Malus-Regelungen die Frachtraten zu drücken", mutmaßte Joachim Kersten, Niederlassungsleiter Westfalen bei Rhenus. Außerdem bemängelte er, dass verschiedene Speditionen mehrere Buchungen zu den besten Zeiten vornehmen würden und somit die attraktiven Zeitfenster blockieren würden. Schürings verneinte für sein Unternehmen, dass es aufgrund der Nichteinhaltung der Zeitfenster zu Abschlägen bei den Transportpreisen käme. Auch das Blockieren von Zeitfenstern sei im System von TKSE nur sehr begrenzt möglich. Schürings war sich bewusst, dass auch mit einem Zeitfenstermanagement noch nicht alles rund läuft. "Aber die Ladestelle ist eine gigantische Herausforderung", so der Logistikverantwortliche. Als TKSE vor sechs Jahren mit dem Aufbau eines entsprechenden Systems begann, hätte es morgens und nachmittags zum Teil "Riesenschlangen" vor den Werken gegeben. "Durch die Einführung dieser Zeitfenstermanagementsysteme haben wir deutliche Verringerungen der Wartezeiten erreicht, zwischen 10 bis 20 Prozent durchschnittlich", sagte Schürings. Das werde häufig vergessen. Und trotzdem sind die Spediteure mit dem Zeitfenstermanagement in der Stahlbranche nicht zufrieden, wie die Aussage eines Zuhörers zeigte. Der Spediteur gestand zwar zu, dass sich dadurch die Wartezeiten verringert hätten. Aber die Buchung der Zeitfenster und das Bemühen, diese dann auch einzuhalten, bedeute für die Spediteure einen großen Aufwand. "Wir beschäftigen Mitarbeiter, die zum Teil nichts anderes machen, als Slots zu buchen, die dann auch in unsere Disposition passen." Sein Fazit lautete daher: "Wir haben keine Vorteile durch das Zeitfenstermanagement." Er schlug vor, die Ladestelle besser auf den Bedarf hin zu konzipieren. "Es ist alles zu eng an den Ladestellen", klagte der Teilnehmer des Forums. "Man muss von den starren Zeitfenstermanagementsystemen wegkommen. Die sind nicht mehr zeitgemäß", erwiderte Paul Wittenbrink, Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Wittenbrink hat für TKSE verschiedene Ladestellen analysiert. Er plädierte für flexible Zeitfenster, um den hohen administrativen Aufwand in den Speditionen zu begrenzen. Ladestellensteuerung 2.0 Schürings befürwortete den Einsatz solcher flexibler Zeitfenster. TKSE sei dabei, dies umzusetzen. "Wir versuchen, eine Ladestellensteuerung 2.0 aufzubauen", sagte er. Generelles Ziel müsse es sein, die Spitzen an der Ladestelle gleichmäßiger zu verteilen. So bietet TKSE auch Ladefenster ab 3.30 Uhr oder bis 23.00 Uhr an. "Doch die werden nicht angenommen", kritisierte Schürings die Spediteure. Müssen die also flexibler werden? "Mehr Flexibilität bedeutet, dass wir mehr Kosten haben oder weniger optimieren können", erwiderte Kersten. Er bezeichnete es als "nachvollziehbar", dass TKSE die Spitzen glätten will. "Wir hätten auch gerne einen gleichmäßigen Wareneingang, aber den haben wir nicht", sagte der Spediteur. Er appellierte an die Auftraggeber, ihre Versprechungen, den ganzen Prozess zu beachten, ernst zu nehmen. "Dann muss man auch die Spediteure und Frachtführer mitbetrachten", sagte Kersten. Thorsten Brand, Geschäftsführer bei Arcelor Mittal Duisburg, zeigte sich nicht als Freund von Zeitfenstermanagementsystemen. Im Warenausgang von Arcelor Mittal würden die LKW Kunden in einem Umkreis von 80 bis 150 Kilometer bedienen und müssten daher zwei bis drei Umläufe pro Tag schaffen. "Da ist ein genaues Treffen von Ladefenstern schwierig, weshalb wir nach dem Prinzip first-come, first-serve verladen", sagte Brand. Bei Arcelor Mittal Distribution, der Stahlhandelssparte von Arcelor Mittal, kämpft man vor allem mit den unangemeldeten LKW, die Waren abholen wollen. "Die haben wir nicht im Griff. Die können dann die Abläufe für die angemeldeten LKW durcheinanderbringen", sagte Ludwig Felser, Geschäftsführer von Arcelor Mittal Distribution. Er sieht jedoch kaum eine Besserungsmöglichkeit, da diese unangemeldeten Abholer nicht zu steuern seien. Neue Trends in der Nutzfahrzeugtechnologie Kommt das 20-Liter-Auto? Kontrovers diskutiert wurde auf dem Branchenforum Stahl auch über Innovationen in der Nutzfahrzeugtechnik. Josef Kellerer, bei MAN Truck & Bus für Product Marketing Long Haul zuständig, stellte verschiedene Innovationen vor. Dazu zählt die Verbesserung der Aerodynamik. MAN hat unter dem Begriff Concept S/ Aeroliner einen aerodynamischen LKW entwickelt, mit dem sich fast 20 Prozent des Verbrauches einsparen ließe. Das Problem: Wenn das Ladevolumen nicht darunter leiden soll, müsste der Gesetzgeber die Längenbeschränkungen aufheben. Stefan Windgätter, Geschäftsführer der Spedition Windgätter und Söhne, sah die Bemühungen der Nutzfahrzeugindustrie zwar positiv, aber für seine Zwecke nur bedingt hilfreich: "Wir sind im Nahverkehr unterwegs und profitieren auf diesen Strecken nur wenig von einer besseren Aerodynamik."Stattdessen zeigte sich der Spediteur stärker an einer Gewichtssenkung interessiert. "Die Gewichtsoptimierung steht bei uns auf der Agenda immer ganz oben", sagte Bernd Thiede, Produktmanager Curtainsider Schmitz Cargobull. "Wir werden immer leichter, aber wir müssen die Reparaturfreundlichkeit und die Festigkeit im Blick behalten", nannte er die Kehrseite. "Kurzfristig sehe ich keine neuen, gewichtssparenden Materialen wie Kevlar und Aluminium im LKW-Bau kommen", dämpfte auch Willi Helmes von Nutzfahrzeughersteller DAF die Erwartungen. "Ein LKW soll langlebig und sicher sein und vor allem darf er nichts kosten. Das spricht gegen den Einsatz exotischer Materialien zur Gewichtseinsparung", so Helmes.Und was ist mit einer Verbrauchseinsparung? Kommt irgendwann das 20-Liter-Auto? Helmes versprach, dass die NFZ-Industrie weiter die Kosten pro Kilometer senken werde. In der EU gäbe es Überlegungen, eine Minderung des CO2-Ausstoßes und damit des Verbrauchs um 20 Prozent vorzuschreiben. Wenn an allen Schrauben gedreht werde, sei das"in fünf, sechs Jahren möglich", versprach Helmes.Auch Kellerer zeigte sich optimistisch, wollte aber keinen Termin nennen, wann das 20-Liter-Auto kommt. Den größten Stellhebel zur Verringerung sieht er jedoch beim Fahrer, wo bei richtiger Schulung Einsparungen im Verbrauch zwischen 5 und 10 Prozent möglich seien. cd