Die mühsame Suche nach Alternativen

Es wird zweifellos der Hingucker bei der Bundesgartenschau (Buga) im kommenden Jahr in Heilbronn. Ein selbstfahrendes Zustellfahrzeug, das sich zwischen den Besuchern seinen Weg bahnt, um Pakete auszuliefern. Seit 2015 planen das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und die Hochschule Heilbronn in der Kooperation Logwert das Projekt Buga:log. Nun soll im realen Einsatz getestet werden, in welchem Umfang solche autonomen Roboter künftig die Nahversorgung in den Städten übernehmen können. Während der Gartenschau sollen drei autonome Fahrzeuge Pakete an die Bewohner des an der Buga neu entstandenen Stadtteils Neckarbogen ausliefern und entgegennehmen. Auch Versorgungs- und Entsorgungsprozesse sollen dort getestet werden. Professor Tobias Bernecker, Leiter des logistischen Kompetenzzentrums Logwert der Hochschule Heilbronn, sieht in dem Einsatz ein ideales Feld, um solche fahrerlosen Zustellfahrzeuge unter realen Bedingungen zu testen. "Hier können die Bewohner erproben, welche Funktionalitäten für sie im kompakten urbanen Raum nützlich und effizient sind. Gleichzeitig kann getestet werden, wie autonom agierende Fahrzeuge im öffentlichen Raum wahrgenommen werden", so Bernecker. Testfeld autonome Roboter Die Idee ist, dass Dienstleister diese Fahrzeuge ebenso nutzen wie Bewohner eines Stadtviertels, um sich schwere oder sperrige Waren bis an die Haustür schicken zu lassen, anstatt sie mit dem Auto abzuholen. Erste Unternehmen experimentieren bereit mit ähnlichen Modellen. Das Logistikunternehmen Hermes hatte bereits im vergangenen Jahr in Hamburg einen Roboter des estnischen Start-ups Starship Technologies im Testbetrieb. Starship lässt die nicht mal kniehohen Fahrzeuge mittlerweile in rund 100 Städten in aller Welt durch die Straßen düsen. Im belgischen Mechelen drehte im Mai ein kleiner Elektrobus der französischen Firma Easymile selbstständig seine Runden auf einer vorher programmierten Strecke durch die volle Innenstadt. Das Fahrzeug brachte spezielle Container mit Paketen und andere Sendungen zu den Kunden. Per Smartphone-App werden die Empfänger jeweils informiert, wenn sie ihr Paket am Fahrzeug abholen können. Autonome Roboter sind ein Testfeld, das Forscher und Logistiker derzeit gleichermaßen intensiv betrachten. Denn schon bald könnten solche intelligenten Transportfahrzeuge helfen, den innerstädtischen Verkehr zu reduzieren. Doch es sind nicht die einzigen Versuche, den Lieferverkehr in den Städten neu zu organisieren. Die Tendenz der Verbraucher, immer mehr in immer kleineren Losgrößen im Internet zu bestellen, und die Bestrebungen der Versender, diese Waren innerhalb weniger Stunden zu liefern, verschärft die Situation in den Innenstädten weiter. Die Folgen sind längst absehbar. "Es kommen zunehmend Fahrverbote. Daher müssen sich die Dienstleister intensiv damit beschäftigen", sagt Professor Alex Vastag, Leiter Verkehrslogistik beim Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund. Tatsächlich wird das Thema für viele Speditionen und Lieferdienste immer drängender. In Hamburg bestehen bereits Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge. Stuttgart hat diese ab dem 1. Januar 2019 angeordnet. Allerdings mit der Ausnahme, dass die Fahrer von Euro-5-Diesel vorerst verschont bleiben. In Frankfurt rechnet der Verkehrsdezernent ebenfalls mit Fahrverboten. In München und in einigen Städten Nordrhein-Westfalens gelten sie als wahrscheinlich. .. "Mittelfristig werden Sie nur noch mit E-Fahrzeugen in die Innenstädte fahren können", ist Vastag überzeugt. Dass das Thema bei vielen Firmen angekommen ist, zeigen die Verkaufserfolge des StreetScooters der Deutschen Post. Das Energieunternehmen Innogy Westnetz wird ab 2022 insgesamt 300 Elektrofahrzeuge für seine Techniker kaufen. Und auch im Verteildienst sind die Scooter gefragt. Der britische Lieferservice Milk & More orderte jüngst 200 Street- Scooter, die mit einem Kühlaufbau ausgerüstet sind, um frische Produkte umwelt- und lärmschonend auszuliefern. Gängigste Lösung: Lastenfahrrad Viele Lieferdienste setzen schon heute auf Alternativen. Die gängigste Lösung ist bisher die Auslieferung per Lastenfahrrad. Das zeigt eine Übersicht zu aktuellen City-Logistik-Projekten des Fraunhofer IAO für das baden-württembergische Wirtschaftsministerium. In mehreren Städten laufen Pilotprojekte, bei denen die Waren meist in der Nacht in Minihubs gebracht und von dort mit den Rädern ausgeliefert werden. Die Lagerung in Parkhäusern oder nicht mehr genutzten Büro- und Einzelhandelsimmobilien löst allerdings das Problem nur teilweise. Gerade nachts gelten strenge Lärmgrenzwerte, die eine Belieferung der Umschlagplätze mit Lkw schwierig machen. Das Fraunhofer-Institut testete darum im vergangenen Jahr in Köln zusammen mit Partnern wie Rewe, Doego und Tedi die geräusch- und emissionsarme Belieferung der Innenstädte in der Nacht. Die Ergebnisse zeigen, dass eine nächtliche Belieferung mit dem normalen Diesel-Lkw um rund 20 Prozent schneller und um rund 40 Prozent emissionsärmer ist als am Tag. Doch nicht überall halten die Diesel die vorgeschriebenen Lärmobergrenzen ein. Daher kamen auch E-Lkw zum Einsatz. Hier seien die Einsparungen noch größer gewesen, fasst Vastag zusammen. Noch ist der Einsatz dieser Fahrzeuge teurer als bei der herkömmlichen Auslieferung. Das liegt vor allem an den deutlich höheren Anschaffungskosten, nicht nur bei den Elektrofahrzeugen, sondern auch bei den anderen alternativen Antrieben wie Erdgas (CNG), verflüssigtem Erdgas (LNG) oder Brennstoffzellen. Abhängigkeit von Fördermitteln Zudem habe die Praxis gezeigt, dass die Umsetzung innovativer City-Logistik-Konzepte für die beteiligten Unternehmen oft schwierig sei, resümiert das Fraunhofer IAO in seiner Studie. Das habe zur Folge, dass viele Konzepte entweder ein Bündel an Vorschlägen seien, die aufgrund fehlender Planungsgrundlagen kaum umgesetzt würden. Oder es handele sich um Pilotprojekte, die eingestellt würden, sobald die Fördermittel ausliefen. Bis es durchgängige Konzepte gibt, die tatsächlich helfen, den Verkehr zu verringern, wird es also noch eine Zeit lang dauern. Zeit, die Unternehmen angesichts drohender Fahrverbote nicht haben. So bleibt ihnen nichts anderes übrig, als mit eigenen Ideen gegenzusteuern (siehe Praxisbeispiele). Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Grüne Logistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Praxisbeispiel Bad Hersfeld Bündelung der WarenSprinterfahrzeuge, die Bürgersteige, Fahrbahnen und die Fußgängerzonen vollparken, sind in den meisten Innenstädten ein Problem. Um hier Abhilfe zu schaffen, entwickelte die Stadt Bad Hersfeld ein City-Logistik-Konzept, das ab dem kommenden Jahr zum Einsatz kommen soll. Dazu soll am Rande der Innenstadt ein Verteilpunkt eingerichtet werden, an dem Paketdienste ihre Sendungen anliefern. Ein zentraler Dienstleister übernimmt dann die Verteilung an Privat- und Geschäftskunden in der Fußgängerzone. Dabei sollen innovative Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Vorgesehen sind autonome Kleintransporter, Lieferroboter, Drohnen und Lastenfahrräder. Die Deutsche Post testete im vergangenen Jahr in Bad Hersfeld bereits ihren Roboter PostBot, der dem Zusteller automatisch folgt.Derzeit führe die Stadt Gespräche mit Interessenten, die die Zustellung übernehmen wollen, sagt Projektleiter Christian Scholz. Die Stadt hat bereits beschlossen, die Lieferzeiten in die Innenstadt stark einzuschränken. Wenn die Geschäfte öffnen, müssen alle Fahrzeuge aus der Fußgängerzone heraus sein. Ein weiterer Baustein ist ein sogenannter Shopping-Logistik-Service. Dabei sollen Kunden ihre Einkäufe an Mini-Depots in der Fußgängerzone liefern lassen, um sie dann gebündelt abzuholen oder gar nach Hause bringen zu lassen. Derzeit ist das Konzept als Pilotprojekt zum Hessentag im Juni 2019 geplant. Ziel sei es aber, die alternative Belieferung in der Stadt dauerhaft zu etablieren, erklärt Scholz. ah Praxisbeispiel Dachser Das BaukastenprinzipIn seiner Studie zu aktuellen City-Logistik-Projekten stellt das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO fest, dass es eine gemeinsame Lösung für alle Städte nicht gibt. Zu unterschiedlich seien die topografischen, demografischen oder rechtlichen Voraussetzungen. Das Kemptener Unternehmen Dachser setzt daher auf eine modulare Lösung. Aus einer sogenannten Toolbox können sich die einzelnen Niederlassungen heraussuchen, welches Lieferkonzept sie in ihren Gebieten einsetzen wollen. In verschiedenen Innenstädten kommen auf der letzten Meile elektrisch unterstützte Lastenräder zum Einsatz. Diese können in den zwei Meter hohen Aufbauten bis zu 250 Kilogramm transportieren. Eine eigens entwickelte Lastenrad-Wechselbrücke macht sogar den Transport von Paletten und die Beladung mit Hubwagen möglich.In München setzt Dachser dagegen auf den Fuso Canter Eco Hybrid, der mit einem Turbodiesel und einem Elektromotor ausgestattet ist. Im südspanischen Málaga kommt seit drei Jahren mit "El Carrito" ein Elektromobil zum Einsatz, das speziell für den Einsatz in Fußgängerzonen konzipiert ist.In Frankreich testet Dachser zusammen mit dem französischen Karosseriebauer Libner drei Monate lang eine Lösung, um im Pariser Verkehrschaos zurechtzukommen. Ein Lkw führt dabei ein 2,50 Meter kurzes, wendiges Elektrofahrzeug mit sich. Dieses nutzt der Fahrer, um die Waren in Fußgängerzonen oder engen Gassen auszuliefern. Das E-Mobil kann dabei bis zu 600 Kilogramm schwere Paletten tragen. Auch in Stuttgart sollen ab November E-Fahrzeuge zum Einsatz kommen."Die Verfügbarkeit der alternativen Antriebe ist noch der Engpass", sagt Stefan Hohm, der die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten des Logistikdienstleisters leitet. Die verschiedenen Lösungen rechnen sich offenbar."Als wirtschaftlich nachhaltiges Familienunternehmen kalkuliert Dachser grundsätzlich keine Preise, bei denen dem Unternehmen ein Verlust entsteht", betont Hohm. Zwar seien die variablen Kosten bei E-Lkw aufgrund des niedrigeren Strompreises niedriger als bei Diesel-Lkw. Dafür erwartet Hohm höhere Anschaffungskosten:"Unter dem Strich gehen wir aktuell davon aus, dass die Gesamtkosten beim Einsatz eines E-Lkw deutlich über denen vergleichbarer Diesel-Lkw liegen werden." Produkthersteller, Händler und Internetshops müssten sich darauf einstellen, dass die Belieferung in der Innenstadt in Zukunft wesentlich teurer werde. ah

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