Der Container wird teurer

Die Uhr tickt: Ab dem 1. Januar 2020 dürfen Schiffseigner nur noch Treibstoff verbrennen, dessen Schwefelgehalt unter 0,5 Prozent liegt. So schreibt es die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) vor. Bislang lag der IMO-Grenzwert bei 3,5 Prozent. Durch die Absenkung will man erreichen, dass Mensch und Umwelt in Küstenregionen weniger durch Schwefeloxid-Emissionen belastet werden. Für die weltweite Fähr- und Containerschifffahrt bedeutet die Maßnahme eine große Umstellung: Sie muss auf teurere, schwefelarme Kraftstoffe umschwenken und teilweise sogar neue Maschinen anschaffen. Obwohl der neue Grenzwert erst ab 2020 gilt, passen die Reeder bereits ihre Raten nach oben an. Wie teuer wird "IMO2020" für Seefrachtspeditionen? Fest steht, dass sich die Schiffseigner an den neuen Grenzwert halten werden, auch wenn die IMO selbst keine Strafen oder Sanktionen verhängt. "Wir erwarten konsequente Kontrollen seitens der Häfen", sagt Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied beim Verband Deutscher Reeder (VDR), Hamburg. "Außerdem sind die Kunden sensibler geworden", sagt Nagel. Kaum ein verladendes Großunternehmen wolle es sich heute noch leisten, mit ökologisch fragwürdigen Praktiken in Verbindung gebracht zu werden. Marinediesel kostet mehr Wie können Reeder die neuen Grenzwerte einhalten? "Der bevorzugte Weg ist die Nutzung schwefelarmen Treibstoffs", sagt Tim Seifert, Sprecher der Reederei Hapag-Lloyd in Hamburg. Dieser Treibstoff, Marinediesel, ist allerdings teuer. Die Sorte LSMGO kostet aktuell in Rotterdam rund 580 US-Dollar pro Tonne und damit circa 170 US-Dollar mehr als das schwefelhaltige Schweröl (IFO380), das bisher gebunkert wurde. Durch die Umstellung verteuert sich die Beförderung eines Containers über die Weltmeere um 80 bis 120 US-Dollar, schätzt der VDR. Die Verlader müssten insgesamt mit zehn Prozent höheren Seefrachtraten rechnen, heißt es von Branchenkennern. Neben einem Spritwechsel haben Reeder die Möglichkeit, Abgasfilter, sogenannte Scrubber, einzubauen. Ein damit ausgestattetes Schiff kann weiter preiswertes Schweröl tanken und erfüllt dennoch die neuen Grenzwerte. Der Umbau kostet allerdings einen ein- bis zweistelligen Millionenbetrag. Deshalb erwarten Experten, dass nur wenige der 55.000 Seeschiffe weltweit mit Scrubbern nachgerüstet werden. Alternative: Flüssigerdgas "Das ist aktuell nur für einen kleineren Teil unserer Flotte eine Lösung, zumal es keine Langzeit-Erfahrungen mit der Technik in der Containerschifffahrt gibt", erklärt Hapag-Lloyd-Sprecher Seifert. Insgesamt zehn Schiffe wolle man mit den Filtern ausrüsten. Dritte und sauberste Alternative sei der Umstieg auf Flüssig-Erdgas als Kraftstoff (siehe Kasten Seite 21). Das gilt zwar als umweltfreundlich, steht aber längst noch nicht in der benötigten Menge zur Verfügung. Marinediesel ist deshalb für die nächsten Jahre der Weg. Darauf hat sich die Mineralölindustrie eingestellt und entsprechende Raffineriekapazitäten bereitgestellt. Marktkenner erwarten, dass es 2020 überall genug "Compliant Fuel" zu bekommen gibt. Wobei der Stichtag selbst gar nicht so wichtig ist. Je nach Dauer einer Fahrt kann bei einem großen Containerschiff eine Tankfüllung bis ins kommende Jahr reichen, deshalb muss schon im vierten Quartal umgestellt werden. Außerdem sind in der Branche Jahreskontrakte keine Seltenheit. Wer als Reeder 2020 schwefelarm fahren will, muss also frühzeitig mit dem Kraftstoff-Umstieg beginnen. Der wird allerdings teuer: Hapag-Lloyd rechnet ab 2020 mit zusätzlichen Kosten von einer Milliarde US-Dollar pro Jahr. Klar ist auch, dass die Reeder diese Mehrbelastung weitergeben müssen. Genau daran arbeitet Hapag-Lloyd schon: "Wir haben uns die bestehenden Treibstoffzuschläge angeschaut und stellen im Laufe des Jahres auf eine Methode um, mit der die Treibstoffkosten transparent und verursachungsgerecht weitergegeben werden", erklärt Sprecher Seifert. Marine Fuel Recovery (MFR) nennen die Hamburger die neue Raten-Berechnungsmethode, bei der die Frachtrate vom Treibstoffpreis separiert wird (im Landverkehr wird dafür ein Dieselfloater genutzt). Kostet der Schiffsdiesel zum Beispiel 525 US-Dollar pro Tonne, schlägt der MFR-Aufpreis mit 223 Dollar pro TEU zu Buche. Verteuert sich der Kraftstoff auf 650 Dollar, müssen für die Beförderung des Containers 264 Dollar mehr bezahlt werden. Man sei in Bezug auf den MFR-Mechanimus schon im Gespräch mit Kunden, so Seifert, und treffe durchaus auf Verständnis. Die Seefrachtspeditionen spüren den nahenden Stichtag schon. "In großen Ausschreibungen wird das bereits berücksichtigt", sagt Christian Marnetté, Leiter des Speditionsgeschäfts bei BLG Logistics, Bremen. Die Verlader legten ein eigenes Preismodell vor, in dem ein Faktor für den Niedrigschwefel-Umstieg enthalten ist. Die Aufgabe der Spedition sei es dann, einen Reeder zu finden, dessen Preismodell dazu passt. "Hier entsteht eine Herausforderung, sich adäquat am Markt einzudecken", sagt Marnetté. Wie stark die Gesamtrate durch IMO2020 steigt, könne bislang nur geschätzt werden. "Wir rechnen mit einem zweistelligen Prozentsatz." Marnetté rät allerdings zur Besonnenheit, schließlich sei der Kraftstoff nur ein Preisbestandteil unter vielen. Druck zu mehr Vollauslastung Tatsächlich existieren in der Seefracht schon etliche Zuschläge, zum Beispiel ein Schwefelzuschlag für Fahrten durch die Nordsee (Low Sulphur Surcharge, kurz: LSS), ein Aufpreis für Krisenregionen und Abfertigungsstaus . Einige Spediteure befürchten, dass sich die Reedereien im Windschatten von IMO2020 gesundstoßen könnten. "Die Seefrachtraten und Zuschläge ändern sich meist monatlich und der Fantasie der Reedereien bei der Namensgebung der Extrakosten sind keine Grenzen gesetzt", schmunzelt die Geschäftsführerin einer norddeutschen Spedition. Wie wird sich die Seefrachtbranche insgesamt durch die Grenzwerte verändern? Nicht sehr, hört man von Experten. Der Druck, spritsparend zu fahren, ist schon lange da. Die Schiffseigner lassen Silikonbeschichtungen am Rumpf anbringen, um die Reibung zu verringern, man modifiziert die Bugwulste oder Propeller, um Treibstoff zu sparen. Noch größere Schiffe einzusetzen, wird - anders als in der Vergangenheit - nicht die Lösung sein, meint Nagel. "Dadurch steigt auch der Druck, immer voll beladen zu fahren, um die Skaleneffekte auch auszuschöpfen." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Seefracht www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten + Fakten Die sauberste Alternative: LNGAm einfachsten ließen sich die neuen Schwefelgrenzwerte einhalten, wenn die Schifffahrt auf Flüssig-Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) als Kraftstoff umsteigen würde. Bei seiner Verbrennung entsteht nahezu kein Schwefeloxid, außerdem sollen 25 Prozent weniger Treibhausgase entstehen. Viele Reedereien testen LNG schon, Hapag-Lloyd etwa lässt sein Schiff "Sajir" (Kapazität: 15.000 TEU) derzeit auf die neue Technik umrüsten. Es wäre der erste Containerriese weltweit, der mit LNG fährt. Allerdings kommt der zukunftsweisende Treibstoff für die "Operation IMO2020" zu spät, da sowohl die Umrüstung der Schiffe (Mehrkosten: 25 bis 30 Millionen US-Dollar) als auch der Aufbau einer Tank-Infrastruktur lange dauern werden.Experten sehen für Flüssig-Erdgas eher eine langfristige Perspektive."2050 wird laut Prognosen LNG oder das nahezu klimaneutrale, synthetisch aus Windenergie und Wasserstoff erzeugte Flüssiggas LSG etwa ein Drittel des Energieverbrauchs der Handelsschifffahrt decken", sagt Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied beim Verband Deutscher Reeder (VDR), Hamburg. cg