Das Verkehrsgewerbe hat massive Mehrkosten durch ...

Das Verkehrsgewerbe hat massive Mehrkosten durch das neue FahrpersonalrechtIn der KostenfalleDer Deutsche Speditions- und Logistikverband DSLV hat erstmals untersucht, wie sich die verkürzten Lenk-, Ruhe- und Arbeitszeiten der Fahrer in der Praxis auswirken. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick.Die deutschen Transport-, Speditions- und Werkverkehrsbetriebe müssen aufgrund des neuen Fahrpersonalrechts in diesem Jahr durchschnittlich 9,4 Prozent höhere Kosten verkraften als 2006. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Studie, die der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) am Mittwoch in Bonn vorgestellt hat. Erstellt wurde die Untersuchung unter Federführung der Nürnberger Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Technologien der Logistik-Dienstleistungswirtschaft (ATL) in Kooperation mit dem Logistik-Kompetenzzentrum Prien am Chiemsee. Ziel sei es gewesen, so DSLV-Präsident Michael Kubenz, damit erstmals die Auswirkungen der neuen Lenk-, Ruhe- und Arbeitszeiten im Gewerbe zu analysieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten (s. Interview auf S. 36). Hauptgrund dafür: die Verkehrssicherheit auf deutschen Straßen weiter zu verbessern und dafür die Arbeitssituation der LKW-Fahrer zu untersuchen, so Kubenz, der neben seiner Verbandsposition auch das Speditions- und Logistikunternehmen Kube & Kuben z in Hamburg leitet. Im Frühjahr 2007 hatte der DSLV die Untersuchung in Auftrag gegeben. Insgesamt 26 Transport-Betriebsstätten von 22 Unternehmen wurden deutschlandweit dafür befragt und 1430 ein- und mehrtägige Touren ausgewertet. Dies dürfte die weitaus größte und detaillierteste Studie von Berufskraftfahrereinsätzen sein, die bisher durchgeführt wurde, so Professor Klaus, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Logistik, der Universität Erlangen-Nürnberg sowie Leiter der Fraunhofer ATL in Nürnberg. Die Datenbasis sei zwar trotz ihres Umfangs nicht ausreichend, um den strengen Maßstäben wissenschaftlich-statistischer Anforderungen zu genügen. Laut Klaus ist sie aber „ausreichend aussagefähig“, um Politik und Praktikern darzulegen, wie sich die Kostensituation in den deutschen Transport-, Speditions- und Werkverkehrsbetrieben aufgrund der gesetzlichen Neuerungen im Fahrpersonalrecht entwickelt (s. obenst. Tabelle). Massive AuswirkungenÜberrascht hat den Professor nach eigenen Worten, „dass sich die verkürzten Lenkzeiten in den einzelnen Betrieben mit wenigen Ausnahmen eher geringer ausgewirkt haben“. Massive Wirkungen gehen dagegen von der Verkürzung der wöchentlich zulässigen Arbeitszeit von Kraftfahrern von durchschnittlich 56,5 Stunden auf 48 Stunden aus. Ganze 16,1 Prozent höhere Kosten müssen zum Beispiel die Fernverkehrsunternehmer im Trampverkehr laut Studie im Schnitt durch das neue Fahrpersonalrecht verkraften (s. Tabelle auf Seite 36). Für die Betriebe im System-Nahverkehr ergeben sich sogar satte 19 Prozent, während Unternehmer mit Spezialtransporten im Schnitt 8,6 Prozent höhere Kosten tragen müssen. Offenbar am wenigsten treffen die gesetzlichen Neuerungen laut Studie die Betriebe im Werkverkehr. So muss ein Betrieb im Werk-Nahverkehr im Schnitt „lediglich“ 1,3 Prozent Mehrkosten hinnehmen, weil in diesem Bereich typischerweise noch unausgeschöpfte Arbeitszeitreserven bestehen.Für den Logistikexperten Klaus liegen die eklatanten Unterschiede auf der Hand. So mache die reine Fahrtätigkeit im Ladungsverkehr „Tramp“ bei einem LKW-Fahrer rund 68 Prozent seiner Arbeitszeit aus. Die übrigen 32 Prozent seiner Tätigkeit würden Be- und Entladeaufgaben (rund 16 Prozent), Wartezeiten und Dokumentenhandling (rund 16 Prozent) umfassen. Bei einem Fahrer im System-Nahverkehr stellt sich laut Klaus die Situation ganz anders dar: Dort nehme die reine Fahrtätigkeit aufgrund von durchschnittlich 14 Stopps nur rund 41 Prozent ein. Den Großteil seiner Tätigkeit verschlingen hier die Wartezeiten an der Rampe des Kunden und administrativer Papieraufwand.Mögliche EntlastungspotenzialeUnd die günstigere Situation der Werkverkehrsbetriebe erklärt Klaus auch da-mit: Als Betriebseinheiten von Industrie- oder Handelsunternehmen haben die Werkverkehrsbetriebe gegenüber dem gewerblichen Güterkraftverkehr einen deutlichen Kommunikationsvorsprung. So könnten sie zum Beispiel Lösungen im Be- und Entladebereich unternehmensintern mit der Wareneingangs- und Versandabteilung leichter abstimmen als externe Dienstleister. Just an dieser Stelle will der DSLV deshalb in Gesprächen mit den Verladerverbänden unter anderem ansetzen, verrät Kubenz. Denn die Studie belege ganz klar, „dass große Teile der zulässigen – nunmehr reduzierten – Arbeitszeiten der Fahrer mit Warten sowie Vor- und Nachbereitungszeiten an den Be- und Entladestellen na-hezu ,verschwendet‘“ würden. Deren Organisation und Kontrolle aber, so Professor Klaus, sei nicht Aufgabe der Transportwirtschaft, sondern eindeutig der „verladenden“ Wirtschaft, der Umschlags- und Terminalaktivitäten.Was aber empfiehlt der Wissenschaftler nun Transport- und Speditionsbetrieben aufgrund der vorliegenden Studie? Ganz klar: „Die deutsche und europäische Wirtschaft muss sich auf eine deutliche zusätzliche Kostenbelastung aufgrund der vollständigen Umsetzung des neuen Fahrpersonalrechts einstellen“, so Klaus. Dies sei schlichtweg „der Preis für zusätzliche Straßenverkehrssicherheit“, bringt es DSLV-Präsident Kubenz auf den Punkt. Unabhängig davon müssten aber die deutschen Verkehrsdienstleister auch „die Prozesse der Systematisierung ihrer Organisationen und Abläufe fortführen“, empfiehlt Klaus. Viele Optimierungspotenziale in den Verkehrsbetrieben seien zwar aufgrund der Kostenexplosion in den letzten Jahren schon ausgeschöpft. Es gebe aber durchaus noch weitere Ansätze, zum Beispiel durchsystematische Entkoppelung der Fahrereinsätze und Fahrzeugumläufe;eine intelligente Nutzung neuer technischer Möglichkeiten der Fahrerkommunikation, Disposition und Crewplanungsowie die dadurch benötigte Fahrer-Weiterbildung. Das weitaus größere Entlastungspoten-zial sieht der Nürnberger Logistikexperte aber „in der Entlastung der Fahrer von Wartezeiten und nicht mit dem Transport zwingend verbundener Vor- und Nach-bereitungsarbeiten“. Darauf müssten sich Verlader und Transportwirtschaft verständigen, sagt er. Möglich sei dies aber nur, wenn man „die Aktivitäten, Verantwortlichkeiten und Kosten einvernehmlich“ umschichte „von den Fahrern auf die ,stationären‘ Mitarbeiter in den Logistikzentren, Versand- und Warenannahmestellen“. Dazu sollten die Be- und Entladeaufgaben zeitlich von den Fahrtätigkeiten entkoppelt werden, vor allem durch systematische Auflieger- und Containertausche. Damit dafür wirtschaftliche Anreize entstehen, sind laut Klaus entsprechend neue Abrechnungsstrukturen zu schaffen.Und welches persönliche Resümee zieht DSLV-Präsident Kubenz aus der Studie für sein eigenes Speditions- und Logistik-unternehmen? „Wir werden alle unsere Tanklastzüge mit Satellitenortung ausrüsten, im ersten Schritt 60 Fahrzeuge“, verrät er gegenüber der VerkehrsRundschau. Denn nur so, erzählt er, könne er die Tätigkeiten seiner LKW-Fahrer exakt analysieren und mit seinen Verladern über etwaige Optimierungsmöglichkeiten sprechen, etwa im Bereich Be- und Entladung. ❙❚■ Eva Hassa Verkehrs-Einsatztyp1 Ladungsverkehr „Depotgebunden“ 2 Ladungsverkehr „Tramp“3 System-Fernverkehr4 System-Nahverkehr 5 Flächenverkehr ohne festes System6 Transporte mit Spezialfahrzeugen7 Werk-Nahverkehr8 Werk-FernverkehrGesamtZur Tabelle: Hochrechnung des wirtschaftsweiten Kosteneffekts des neuen Fahrpersonalrechts differenziert nach Verkehrs-EinsatztypenIst-Kosten-Volumen 2006 15,4 Mrd. € 5,9 Mrd. € 5,9 Mrd. € 2,6 Mrd. € 4,8 Mrd. € 1,4 Mrd. € 5,0 Mrd. € 8,8 Mrd. € 49,8 Mrd. €Steigerung 8,1 % 16,1 % 3,0 % 19,0 % 18,0 % 8,6 % 1,3 % 8,6 % 9,4 %Volumen 16,6 Mrd. € 6,8 Mrd. € 6,1 Mrd. € 3,1 Mrd. € 5,7 Mrd. € 1,5 Mrd. € 5,1 Mrd. € 9,6 Mrd. € 54,5 Mrd. €Nach Umsetzung neues RechtMehrkosten durch neues Fahrpersonalrecht„Verkehrssicherheit hat ihren Preis“Über die Gründe und wichtigsten Ergebnisse der jüngsten DSLV-Studie sprach die VerkehrsRundschau mit Michael Kubenz, Präsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV).Der deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV), Bonn, hat in einer Studie die Auswirkungen des neuen Fahrerpersonalrechts auf Transport- und Speditionsbetriebe untersuchen lassen. Warum?Michael Kubenz: Hauptgrund war: Die EU hat neue Rahmenbedingungen für die Sozialvorschriften erlassen. Dadurch soll die Verkehrssicherheit auf den europäischen Straßen weiter verbessert werden, was wir ausdrücklich unterstützen. Da 80 Prozent der Verkehre von LKW erbracht werden und die Fahrer hier der entscheidende Sicherheitsträger sind, analysierten wir mit der Studie, welche Aufgaben ein LKW-Fahrer in seiner Arbeitszeit leisten muss. Das Ergebnis ist eindeutig: Fahrer übernehmen neben der reinen Fahrtätigkeit zu viele Aufgaben. Angesichts des derzeit eklatan-ten Fahrermangels ist das ein ganz wichtiger Punkt, den man neben der Lohnfrage im Blick haben sollte. Zudem wollten wir mit der Studie die Belastungen der Transport-, Speditions- und Werkverkehrsbetriebe durch das neue Fahrpersonalrecht untersuchen, gleichzeitig aber aufzeigen, wie man diese minimieren kann.Was sind für Sie die wichtigsten Ergebnisse der Studie?Durch die verkürzte Arbeitszeit der Kraftfahrer von durchschnittlich 56,5 Stunden auf 48 Stunden braucht das Verkehrsgewerbe in diesem Jahr zusätzlich 50.000 Fahrer, also 20 Prozent mehr. Überrascht hat mich das Ergebnis, dass der Werkverkehr laut Studie von den neuen gesetzlichen Regelungen kostenmäßig weniger betroffen scheint wie der gewerbliche Güterkraftverkehr. Offenbar ist bei ersteren das Problem der Be- und Entladetätigkeiten an der Rampe durch die Betriebszugehörigkeit besser gelöst. Was wird der DSLV mit den Ergebnissen nun tun?Aufgrund der gesetzlichen Neuerungen hat das Gewerbe deutliche Mehrbelastungen, die wir den Verladerverbänden so kommunizieren werden. Verkehrssicherheit hat einfach ihren Preis. Aber auch die Politik ist gefordert. Soll das Gewerbe die neuen Regelungen sinnvoll umsetzen, brauchen wir zusätzliche Parkplätze an Autobahnen und Bauland für Fahrerbasen und Autohöfe. ehHöhere Kosten, 20 Prozent mehr Fahrer Welche Art von Betrieben von den gesetzlichen Neuerungen betroffen ist und was diese dagegen tun können, sagt Professor Peter Klaus, Leiter der Fraunhofer ATL in Nürnberg.Welche Art von Unternehmen treffen laut Ihrer Studie die gesetzlichen Neuerungen im Fahrpersonalrecht besonders stark und welche weniger?Peter Klaus: Am stärksten betroffen sind die Betriebe im Systemnahverkehr. Sie haben durch die Verkürzung der wöchentlich zulässigen Arbeitszeit der Kraftfahrer von im Schnitt 56,5 Stunden auf 48 Stunden im Schnitt 19 Prozent höhere Kosten. Das liegt daran, dass die Verkürzung der Arbeitszeit in diesem Bereich bei unverändert bleibenden Be- und Entladezeitfenstern der Kunden viele zusätzliche Touren führen wird – mit entsprechender Steigerung benötigter Fahrzeuge, Fahrer und Anfahrtskilometer in die jeweiligen Bedienungsgebiete. Erstaunlicherweise haben die Werkverkehrsbetriebe im Nahverkehr mit „nur“ 1,3 Prozent höheren Kosten die neuen Regelungen gut verkraftet. An welchen Stellschrauben kann denn ein gewerblicher Güterkraftverkehrsunternehmer überhaupt noch drehen?Die Rationalisierungspotenziale an den Rampen der Kunden sind noch nicht ausgereizt. Hier müssten die gewerblichen Güterkraftverkehrsunternehmer stärker mit den Industrie- und Handels-unternehmen in den Dialog treten, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, die die Mehrbelastungen auf beiden Seiten minimieren helfen.Was ist das für Sie wichtigste Ergebnis?Entscheidender Fakt ist, dass durch die Neuerungen Kraftfahrern viel weniger Arbeitszeit zur Verfügung steht als früher. Mit der Folge, dass das Transport- und Speditionsgewerbe in diesem Jahr rein rechnerisch circa 20 Prozent zusätzliche Fahrer braucht, also 50.000 bis 60.000, um die heutigen Frachtvolumina zu bewegen. Gleichzeitig dürfte der Bedarf an zusätzlichen Fahrzeugen steigen. Geht man von einem derzeitigen Bestand von rund zwei Millionen Nutzfahrzeugen aus, dürften bei gleichbleibendem Volumen nochmals tausende zusätzliche Fahrzeuge benötigt werden, etwa im Ladungsverkehr „Tramp“ und im Systemnahverkehr. eh

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