Darf's vielleicht auch der Kleine sein?

Diese Geschwisterkonkurrenz ist von den Eltern ausnahmsweise mal erwünscht. Schließlich soll Fords kleinster Transporter Transit Courier nicht nur in der kleinsten Klasse bei Fiat Fiorino, Renault Kangoo Compact & Co., sondern auch in der nächst größeren Klasse wildern. Dort rückt er seinem größeren Bruder Transit Connect auf die Pelle. Aber kann der Kleine den Großen wirklich in seine Schranken weisen? Diese Frage klärt der "Brudervergleich". Dabei war für die erste Überraschung schon gesorgt, als die beiden Kontrahenten nebeneinander parkten: Denn so viel kleiner ist der Mini gar nicht. Nur 26 Zentimeter überragt der Connect den Courier in der Länge. Auch wenn die im Verkehrschaos enger Innenstädte ebenso entscheidend werden können, wie die um knapp acht Zentimeter geringere Breite des Couriers. Kluft zwischen Papier und Wahrheit Mehr noch zählen im Transporteinsatz aber die inneren Werte. Und auch hier trennt die beiden Vans nicht wirklich viel: 2,3 Kubikmeter schluckt das Courier-Frachtabteil, in den Connect passen lediglich 0,57 Kubik mehr. Womit beide Ford-Transporter problemlos eine Norm-Palette aufnehmen. Um durch die Courier-Hecktüren zu passen, muss die allerdings um 3,6 Zentimeter niedriger beladen sein als beim Connect. Ebenfalls entscheidend könnte dessen um 13 Zentimeter geringere Ladelänge sein. Wobei die Ford-Optionslisten in beiden Fällen eine flexible Trennwand, respektive ein Trenngitter (Courier) samt klappbarem Beifahrersitz bereithalten (Serie bei Ausstattung "Trend"). Das streckt die Ladelänge auf 2500 beziehungsweise 3000 Millimeter beim Connect. Eine weitere Überraschung offenbart der Blick auf die Nutzlastangaben: 660 Kilogramm gibt Ford für den Courier an. 70 Kilogramm mehr als die Kölner dem größeren Connect zutrauen! Nach der Fahrt über die Waage ist die Ordnung dann allerdings wieder hergestellt und der Tester etwas desillusioniert: Zwar darf der Connect real mehr zuladen als sein kleiner Bruder, die unbestechliche Waage verharrte aber bei 1,6 Tonnen Leergewicht. Ergibt bei dem für 1985 Kilogramm zugelassenen Testwagen magere 375 Kilogramm Nutzlast. Noch größer fiel die Kluft zwischen Papier und Wahrheit beim Courier-Testwagen aus, der nur 325 Kilogramm zuladen durfte. Genügend Platz für jede Fahrerstatur Im Bereich vor der serienmäßigen Trennwand muss man in beiden Fällen keine Platz-Kompromisse eingehen. Obwohl in beiden Fords der Armaturenträger wuchtig in den Inneraum ragt und man sich vor allem im Connect durch die breit bauende Mittelkonsole wie eingemauert fühlt, finden dank des serienmäßig in Höhe und Weite regulierbaren Lenkrads auch Sitzriesen bequeme Position. Gönnen sollte man sich aber die Höhenverstellung für den Fahrersitz (Serie ab Trend). Ansonsten steckt man auf den gepolsterten Sitzen auch längere Strecken locker weg. Länger braucht es übrigens auch, bis man das Bedienkonzept in beiden Vans verinnerlicht hat. Denn anders als bei den Ford-Pkw, wo die Designer aktuell die wild vertreute Tastenflut von Modell zu Modell beseitigen, müssen die beiden frisch entwickelten Transporter den alten Pkw-Armaturenträger weiter auftragen. Vor allem die vielen Knöpfe im oberen Bereich der Mittelkonsole und am Lenkrad während der Fahrt fehlerfrei zu treffen, erfordert viel Geduld und Übung. Beim Courier, dessen Armaturen vom Fiesta stammen, nerven zusätzlich die zu weit unten angebrachten kleinen Drehregler und Knöpfe für Heizung und Lüftung. Erfahrbare Unterscheide offenbaren die Brüder beim Thema Fahrwerk, obwohl hier beide ein hohes Niveau offenbaren. Die Abstimmung ist ford-typisch straff, Verwindungen sind für die steifen Karosserien ein Fremdwort. So lassen sich Connect und Courier trotz 300 Kilo Testballast im Frachtabteil gleichermaßen sportlich in Kurven werfen und zeigen sich sogar von aggressiv gefahrenen Lastwechseln unbeeindruckt. Bei beiden Vans wacht übrigens ESP serienmäßig über eventuelle physikalische Verfehlungen des Fahrers. Klar geschlagen ist der Courier aber beim Komfort. Der auf der Plattform des C-Max basierende Connect liegt insgesammt satter auf der Straße, absorbiert Fahrbahnunebenheiten effizienter und auch die Lenkung arbeitet verbindlicher als der nervösere Kurshalter im Courier. Turbobenziner als neue Alternative? Die Karten neu gemischt haben will Ford beim Antrieb. Der 100 PS starke 1,0-Liter-Ecoboost-Benziner soll in vielen Fällen den Griff zum bislang in dieser Fahrzeugklasse obligatorischen, aber eben auch teureren Diesel wirtschaftlich machen. Tatsächlich überrascht der im Connect-Testwagen verbaute Turbo-Dreizylinder mit Attributen, die man bislang nur dem Diesel zusprach. Ab 1300/min zieht der Hubraumwinzling kräftig durch und verträgt auch den Drehzahlkeller von 1000/ min problemlos. Und überwindet diesen sogar souveräner, als der im Courier verbaute 1,6-l-TDCI-Diesel mit 95 PS. Bei dem regelt die Motorsteuerung das Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen zurück, was dem Verbrauch zugute kommen soll, aber eben auch etwas Spritzigkeit kostet. Auch bei Geräuschkulisse und Laufruhe muss sich der Diesel dem Benziner geschlagen geben, der im Leerlauf so leise arbeitet, dass dieselgewohnte Fahrer mitunter nochmals den Zündschlüssel drehen, um den abgestorben geglaubten Motor wieder zum Leben zu erwecken. Doch ist der Benziner wirklich die neue Alternative für Vans? Weiterhin nein - oder nur bei sehr geringen Kilometerleistungen. Zwar zog sich der Ecoboost auf der gemischten VR-Testrunde mit 6,7 l/100 km Superverbrauch gut aus der Affäre. Sobald es aber länger auf die Autobahn geht, durchbricht der Connect locker die Neunliter-Marke, obwohl wir die Tachonadel kaum über die 140-km/h-Marke trieben. Courier mit sehr niedrigem Verbrauch Zu Verhängnis wird dem Ecoboost auch der niedrige Verbrauch des Courier von 4,7 l/100 km Diesel. Ein Topwert auf der Testrunde, der auch für einen Diesel-Connect schwer zu knacken gewesen wäre, bei dem in vorangegangenen Tests die klassenübliche fünf vor dem Komma stand. Weshalb der Diesel bei beiden Vans für nahezu alle Einsatzformen gesetzt sein wird. Ansonsten gilt: Wer vorrangig Langstrecken bedient, ist mit dem komfortableren und insgesamt erwachsener anmutenden Connect sicher besser beraten. Im gemischten Einsatz stellt der Courier aber eine echte Alternative dar - sofern man nicht auf den letzten Millimeter im Frachtraum angewiesen ist. Nicht zuletzt auch, weil der Courier bei den Anschaffungskosten kräftig spart: In beiden Fällen den 1,5-Liter-TDCI-Einstiegsdiesel mit 75 PS angenommen, trennen Courier und Connect satte 2680 Euro. Kleine Brüder können eben ganz schön nervig sein! Kommentar Konkurrenz unter Brüdern Der Connect muss die Konkurrenz seines kleinen Bruders durchaus fürchten. Zumal von den "Eltern" wenig Hilfe zu erwarten ist, denen letztlich egal sein dürfte, für welchen Ford sich der Kunde entscheidet. Da bleibt dem Connect nur, sich kräftig zu strecken. Was übrigens durchaus wörtlich gemeint ist. Denn als Version mit verlängertem Radstand schluckt der Connect 3,57 Kubik und stellt die Familienordnung so wieder her.Kontakt: jan.burgdorf@springer.comJan Burgdorf Redakteur

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