Da platzt einem der Kragen

Der Tag beginnt früh für Bruno Mößlang. Bereits um 5:30 Uhr sitzt der Speditionsleiter bei Löblein Transport im fränkischen Schillingsfürst in der Dispo. Noch sind seine Mitarbeiter nicht am Platz. Täglich hunderte Mails zu Verspätungen Mößlang fängt jedoch nicht so früh an, weil er die Ruhe genießt oder ungestört seinen Kaffee trinken möchte. Er arbeitet schon mal vor, damit seine Disponenten gleich loslegen können, wenn sie eintreffen. So auch heute. Seine Tätigkeit, die ihn in den letzten Monaten immer mehr beansprucht und derzeit eine halbe bis ganze Stunde am Morgen ausfüllt: die von den Kombi-Operateuren eingetroffenen Mails checken, weil Löblein-Sendungen sich auf Zügen befinden, die verspätet unterwegs sind. Und diese Informationen an den zuständigen Disponenten weiterleiten. "Heute sind es 260 Meldungen, die über Nacht in meinem Postfach gelandet sind", sagt Mößlang. "Das sind heute morgen ja eher wenig", ruft ein Kollege zurück, der mittlerweile eingetroffen ist. Sonst sind es durchschnittlich etwa 400 Mails. Jede Mail ist allerdings nicht gleichzusetzen mit einem verspäteten Zug. "Wir erhalten zu einigen Zügen mehrere Updates, sobald es zu weiteren Verzögerungen kommt", erklärt Mößlang. Ihn und seine Kollegen können die vielen Verspätungen nicht mehr schockieren, geschweige denn überraschen. Auch wenn damit viel Arbeit und Stress verbunden ist. Aber dieser unerfreuliche Zustand hält einfach schon zu lange an, etwa seit Jahresbeginn, weshalb die Disponenten es sich gar nicht erlauben können, sich jeden Tag neu darüber aufzuregen. Mößlang und sein Team kennen ihre Kandidaten bereits. "Sehen Sie hier der Zug von Köln nach Verona", zeigt Mößlang auf seinem Bildschirm. Abfahrt: 10. November; zur Abholung bereit: am Abend des 11. Novembers. Heute, am 14. November, stehen die Sendungen immer noch in München, wo sie umsteigen sollten Richtung Verona. "Das Terminal in München ist ein Nadelöhr", sagt Mößlang. Wie in einem Hauptbahnhof kommen dort zahlreiche Züge aus unterschiedlichen Richtungen an und müssen Sendungen dann umsteigen. Am Knotenpunkt München stapeln sich dann die Sendungen, die auf eine Weiterfahrt warten. Verpasst dann mal eine Sendung die reservierte Trasse, müssen im Falle der Löblein-Auflieger nicht nur ein neuer Slot auf der viel frequentierten Brenner-Strecke gefunden werden, sondern auch eine Lok und ein Lokführer. "Die Weiterfahrt wird aus Kapazitätsgründen ausgesetzt. 'Mangelnde Ressourcen' heißt die Begründung", zitiert Mößlang aus der Mail des verantwortlichen Operateurs zum Verona-Zug. Sein Stirnrunzeln zeigt, dass er mit dieser Aussage hadert, auch wenn solche Mails mittlerweile zum Alltag dazugehören wie der morgendliche Kaffee. "Das wird heute nichts mehr", lautet seine wenig optimistische Prognose zu diesem Zug. Hinzu kommt: Ein Zug ist immer auch für die Rückfahrt eingeplant. "Trifft er mit großer Verspätung ein, fällt der Gegenzug aus - und schon stehen von uns reservierte Stellplätze nicht mehr zur Verfügung und wir müssen umdisponieren", sagt Mößlang. Top-Kunde beim Kombiverkehr Die Spedition Löblein hat sich auf den Kombinierten Verkehr (KV) spezialisiert und wickelt 90 Prozent seiner Transporte intermodal ab. Partner ist der Operateur Kombiverkehr, wo Geschäftsführer und Inhaber Werner Löblein seit 2002 zu den Top-Zehn-Kunden zählt und Mitglied im Verwaltungsrat ist. Löblein lässt vor allem Schüttgüter zwischen Deutschland und Italien transportieren. Darunter fallen Abfälle genauso wie hochwertige Metalle oder Rohstoffe. Verona ist das wichtigste Terminal für Löblein in Italien. Dort befindet sich auch eine Niederlassung mit 50 Lkw. "Eine solche schlechte Leistung wie in diesem Jahr habe ich im KV noch nicht erlebt", sagt Löblein. "Ein Zug zwischen München und Leipzig hat für die Strecke mal zehn Tage benötigt. Das können wir einfach nicht mehr hinnehmen", platzt ihm der Kragen angesichts solcher Leistungen der Bahnen. Denn die Verspätungen ziehen eine Vielzahl von Problemen nach sich, die verbunden sind mit einem hohen Zeitaufwand und entsprechenden Kosten. So sind die sieben Disponenten von Löblein permanent damit beschäftigt, nicht nur die Verspätungen zu erfassen. Sie müssen die Tourenpläne für die Fahrer täglich neu konzipieren. Auch für die Fahrer steigt der Mehraufwand. "Da viele Terminals am Rande der Kapazität arbeiten, dauert es einfach länger, bis die Fahrer aus den Umschlagbahnhöfen rein- und wieder rauskommen", sagt Markus Friedlein, bei Löblein für die IT verantwortlich. Per Telematik erfasst er die Standzeiten für die Terminals. Vergleicht man hierbei die Daten im Oktober, haben sich die Standzeiten 2017 zu 2016 um 12 Prozent in Verona erhöht - Tendenz steigend. Bei den Standzeiten mit mehr als zwei Stunden betrug die Steigerung sogar über 50 Prozent. München fährt Löblein deutlich weniger häufig an. Im Oktober 2017 hatte sich dort die Zahl der Löblein-Lkw mit Standzeit zwar leicht verringert. Aber: Die Standzeiten selber hatten sich erhöht. 30 Lkw mussten zwischen einer und zwei Stunden warten, acht über zwei Stunden. "Eine Konsequenz der unpünktlichen Züge und der überlasteten Terminals", sagt Löblein. Unproduktive Wartezeiten für Fahrer und Lkw und die deutlich länger gebundenen Ladeeinheiten sind bereits gravierend. Richtig teuer für das Unternehmen sind die von einer auf die andere Stunde ausgesprochenen Anlieferstopps der Terminals, da aufgrund fehlender Züge sich die Sendungen stauen und kein Platz mehr auf dem Bahnhof vorhanden ist. Immer häufiger führt es dazu, dass Lkw vor dem Bahnhof mehr als 24 Stunden blockiert bleiben, somit die im Terminal befindlichen Container nicht abgeholt werden können und Standgeld im Terminal produzieren. Die Höhe der Gebühren im Terminal sind je nach Länge der Ladeeinheit unterschiedlich: angefangen bei 6,50 Euro pro Tag für eine Ladeeinheit von unter 7,82 Metern bis hin zu über 50 Euro pro Tag bei einer Länge von über 9 Metern und ab einer bestimmten Anzahl von Tagen. "2017 werden wir über 300.000 Euro an Abstellgebühren zahlen. Das meiste Geld geht an die Terminals der DB-Tochter DUSS", sagt Löblein. Ihm missfallen diese hohen Gebühren vor allem auch deshalb, weil die DUSS aufgrund ihrer Monopolstellung in Deutschland "exorbitante Gewinne" erzielen könne - und das, obwohl der Bau der Terminals mit staatlichen, von der EU bewilligten Fördergeldern erfolge. Terminals stundenlang nicht erreichbar Trotz dieser Belastung oder womöglich gerade deswegen ist der Service nicht besser geworden. "Wenn wir in den Terminals anrufen, um zu fragen, wie es aussieht mit unseren Sendungen, geht häufig über Stunden keiner ans Telefon", klagt Mößlang. Aus Sicht von Löblein sind das untragbare Zustände. Mit dieser Ansicht steht er nicht alleine da. Auf dem Forum des Kombi-Operateurs Hupac im November (siehe VR 50, Seite 24) hatten Operateure, Bahnen, Spediteure und Verlader unabhängig vom Chaos um die monatelange Unterbrechung der Strecke bei Rastatt eine Besserung der Lage angemahnt. Ins gleiche Horn stößt Löblein: "Es gibt seit Jahresbeginn sehr viele Baustellen im Netz. Bei diesen Maßnahmen scheint keine Absprache unter den Netzbetreibern zu erfolgen." Die Bahnen würden ein "Trümmerfeld" hinterlassen, mit dem eine vernünftige Planung nicht möglich sei. "Stundenlange Wartezeiten vor den Flüchtlingskontrollpunkten bringen die Zugsysteme endgültig zum Kollabieren. Die Situation wird noch zusätzlich verschärft, da das Eisenbahnbundesamt Gefahrgutkontrollen nicht zeitgleich am Ort der Flüchtlingskontrolle durchführt und dadurch den sowieso verspäteten Zug nochmals stundenlang im Vorbahnhof blockiert", sagt der Speditionschef. Für die Zukunft sieht er keine Besserung. Denn Löblein hat von Kombiverkehr die Auskunft erhalten, dass sich die Situation 2018 nicht wesentlich verbessern werde. "Im Gegenteil, wir könnten sogar zufrieden sein, wenn es nicht schlechter wird." Eine Aussage, mit der der Unternehmer überhaupt nicht einverstanden ist. Zwei Tage nach unserem Besuch trifft am 16. November um 6:27 Uhr von Mößlang in der Redaktion eine Mail ein. Deren Inhalt: "Der Zug von Köln nach Verona, Abfahrt am 10. November, wurde heute früh in Verona gegen 5:45 Uhr bereitgestellt." Mößlang hat also Recht behalten mit seiner Prognose. Die Sendungen waren damit sechs Tage unterwegs statt wie geplant zwei. "Wir wünschen Ihnen einen schönen, stressfreien Tag", schreibt Mößlang. Mehr zum Thema im Dossier "Kombinierter Verkehr" www.verkehrsrundschau.de/dossiers DB Cargo mit der Qualität nicht zufrieden Skeptischer Ausblick Zahlen zur Pünktlichkeit im Kombinierten Verkehr (KV) will DB Cargo auf Anfrage der VerkehrsRundschau leider nicht herausrücken. "Wir wollen erst das komplette Jahr abwarten", sagt eine Sprecherin. Aber zweifelsohne war 2017 kein gutes Jahr."Wir sind derzeit mit der Qualität im KV nicht zufrieden und arbeiten mit Hochdruck daran, unsere Leistung zu verbessern", heißt es aus der DB Cargo-Zentrale. Zu diesen Maßnahmen zählen neben einem verbesserten Bau-Management bei DB Netz unter anderem die korridorbezogene Zugplanung mit Start-Ziel Verantwortung und die Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen an neuralgischen Standorten.Der Ausblick ist wenig verheißungsvoll. Verzögerungen seien auch 2018 zu erwarten: im Transit durch die Schweiz wegen Baumaßnahmen und Teilstreckensperrungen sowie am Brenner, weil dort auch 2018 die Strecke jeden Tag fünf Stunden lang gesperrt sein soll. cd Daten und Fakten Löblein Transport Gründung: 1986 mit Transporten auf der Rollenden LandstraßeSitz: SchillingsfürstLeistungsspektrum: internationale SchüttguttransporteUmwandlung in eine GmbH: 1993; seitdem tätig im unbegleiteten KVZahl der angefahrenen Bahnhöfe: etwa 50Zahl der jährlich transportierten Sendungen im KV: etwa 25.000Anzahl Mitarbeiter: 160Anzahl Lkw: über 100Anzahl Auflieger: über 150Niederlassung: VeronaGeschäftsführer und Inhaber: Werner Löblein cd

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