Bürokratische Hürden

Sie sind jung, sie sind arbeitswillig - aber sie haben schwer Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt: jugendliche Asylsuchende aus Syrien. Willem van der Schalk, Geschäftsführer der Spedition A. Hartrodt Deutschland, will das ändern. Drei Syrern, deren Asylverfahren erfolgreich abgeschlossen ist, will er einen bezahlten Praktikumsplatz im Büro bieten. "Die drei Jugendlichen sprechen hervorragendes Englisch und standen vor der Flucht kurz vor dem Abitur. Einer von ihnen war in der zivilen Luftverkehrsbranche beschäftigt," erzählt der Firmenchef, der zudem Vizepräsident des Deutschen Speditions-und Logistikverbandes (DSLV) ist. Mit dem Praktikum wolle er ihnen einen ersten Einblick in die operativen Bürotätigkeiten bei einem internationalen Logistikunternehmen geben. Parallel sollen sie das Basiswissen Logistik auf Englisch von der Staatlichen Handelsschule Holstenwall oder der Akademie Hamburger Verkehrswirtschaft vermittelt bekommen. "Wünschenswert wäre für mich eine Art duales Praktikum", skizziert der Unternehmer seine Pläne. Und nach einem erfolgreichen Abschluss des Praktikums sei ein fester Ausbildungsplatz für die drei Syrer vorstellbar. "Das Beispiel von A. Hartrodt macht Mut und könnte in der Speditions- und Logistikbranche Nachahmer finden", sagt Uwe Borowy, Geschäftsführer der Personal- und Unternehmensberatung Personalunion. Zumindest im gewerblichen Bereich sieht er für anerkannte Flüchtlinge Beschäftigungs-Chancen. "Berufskraftfahrer und Lagerfachkräfte werden vielerorts händeringend gesucht", weiß er. Problem sei aber, dass der Arbeitsmarkt-Zugang in Deutschland nach wie sehr komplex ist. "Die bürokratischen Hürden für Arbeitgeber, die sich hier engagieren wollen, sind hoch. Das schreckt sicher Betriebe ab, die junge Zuwanderer beschäftigen wollen." Dschungel unterschiedlicher Vorgaben Das Procedere ist in der Tat komplex. So gibt es in Deutschland, vereinfacht formuliert, mindestens ein Dutzend Statuskombinationen für Flüchtlinge: asylsuchend, geduldet, mit oder ohne hypothetischen Zugang zum Arbeitsmarkt, aus politischen oder humanitären Gründen, seit zwölf Wochen, 15 Monaten oder vier Jahren im Land, als Kontingentflüchtlinge eingereist, um einige Beispiele zu nennen. Und je nach Status gilt eine andere Zugangsregelung zum Arbeitsmarkt (siehe Kasten Seite 23). Weitere Hürden sind: "Für Asylsuchende und Geduldete gilt zunächst ein absolutes Beschäftigungsverbot von drei Monaten", führt Achim Heissel aus. Er ist Referent für Gewerbe- und Ausländerrecht bei der IHK für München und Oberbayern. Damit nicht genug: Nach diesem Zeitraum müssen diese Personengruppen bei der Ausländerbehörde eine Erlaubnis zur Aufnahme einer konkreten Beschäftigung beantragen, der die Bundesagentur für Arbeit (BA) in den meisten Fällen zustimmen muss - Stichwort Vorrang- und Arbeitsbedingungsprüfung. Dafür prüft die BA unter anderem, ob ein Deutscher oder EU-Bürger den Job machen kann, bevor sie eine Arbeitserlaubnis an einen Flüchtling erteilt. Gerade diese Vorrangprüfung stößt bei Unternehmern auf Unverständnis, da sie für Rechtsunsicherheit sorge - auf Flüchtlings- und auf Arbeitgeberseite. Die Vorrangprüfung berge "beachtlichen bürokratischen Aufwand, der mit Zeitverlust und weiteren Kosten verbunden ist", moniert Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA). Wenn viele Flüchtlinge nicht im Arbeitsleben unterkommen, liege dies nicht am fehlenden Engagement der Arbeitgeber, sagt er, sondern an dem "Dschungel aus unterschiedlichen Regelungen und Vorgaben, die beachtet werden müssen, wenn Asylsuchenden oder Geduldeten ein Praktikum, eine Ausbildung oder eine Beschäftigung angeboten wird." Ein Schritt Richtung Bürokratie-Abbau ist immerhin gemacht. So hat das Bundeskabinett am 29. Juli 2015 das Zustimmungserfordernis für bestimmte Praktikumsarten gestrichen. Diese Erleichterung gilt laut IHK-Referent Heissel für Pflichtpraktika, Orientierungspraktika und ausbildungs- oder studienbegleitende Praktika mit einer Dauer von jeweils bis zu drei Monaten. Die Bundesagentur für Arbeit müsse also einem solchen Praktikum von Asylbewerbern und Geduldeten nicht mehr zustimmen und prüfen, ob es keine deutschen Arbeitnehmer oder EU-Bürger gibt, die ein Vorrecht auf den Praktikumsplatz haben. Zudem soll mit der Novellierung die Teilnahme an einer Einstiegsqualifizierung oder Berufsausbildungsvorbereitung erleichtert werden. Es kommt also Bewegung in die Diskussion. Zumal Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Firmenbesuch in Glashütte aktuell unterstrichen hat, dass gut ausgebildete Asylbewerber "eine schnelle Chance auf dem deutschen Arbeitsmarkt" erhalten sollen. Ein Signal, das Flüchtlinge und Arbeitgeber gerne hören werden. "Nun müssen nur die Job-Center mitspielen", sagt van der Schalk, "damit die Firmen an mögliche Kandidaten, etwa für Praktika und Ausbildungsplätze, kommen. Nur über Mund-zu-Mund-Propaganda klappt das nicht." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Arbeitsrecht www.verkehrsrundschau.de/dossiers Wann Flüchtlinge arbeiten dürfen - Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltserlaubnis und haben uneingeschränkten Zugang zum Praktikums-, Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.- Asylbewerber (also Personen, bei denen noch keine Entscheidung im Verfahren erfolgt ist) erhalten eine "Aufenthaltsgestattung" und können nach drei Monaten Wartefrist mit Zustimmung der Ausländerbehörde ein Praktikum und eine betriebliche Berufsausbildung antreten.- Geduldete (also Personen, bei denen eine ablehnende Entscheidung im Verfahren getroffen wurde, die aber nicht abgeschoben werden können) können ein Praktikum, für das Mindestlohn gezahlt werden muss, nach drei Monaten Wartefrist und ein mindestlohnfreies Praktikum sowie eine betriebliche Berufsausbildung sofort antreten. Für die Wartefrist zählen Zeiten der Aufenthaltsgestattung mit. Auch hier ist die Zustimmung der Ausländerbehörde erforderlich. Die Zustimmung darf nicht erteilt werden, wenn das Abschiebehindernis vom Geduldeten selber herbeigeführt wurde oder er nicht mitwirkt.Hinweis: Arbeitgeber sollten frühzeitig mit der örtlichen Ausländerbehörde Kontakt aufnehmen, da diese die Entscheidung über den Arbeitsmarktzugang trifft. ehQuelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (www.bmas.de), Berlin, Stand 25. August 2015 Hilfreiche Internet-Links Welche Zugangsmöglichkeiten und -bedingungen zum Arbeitsmarkt für geflüchtete Menschen bestehen, findet sich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unter www.bamf.de .Eine Broschüre für Arbeitgeber"Potenziale nutzen - geflüchtete Menschen beschäftigen" hat die Bundesagentur für Arbeit unter www.arbeitsagentur.de zusammengestellt.Welche Praktika unter die Mindestlohngesetzgebung fallen, welche nicht, zeigt der Link www.der-mindestlohn-wirkt.de.Informationen zu Themen der qualifizierten Beschäftigung ausländischer Fachkräfte und damit verbundene Fragen, zum Beispiel die Anerkennung von Abschlüssen, Beschäftigungschancen und Sozialversicherung, finden sich auf der Internetplattform des Internationalen Personalservice der ZAV unter www.arbeitsagentur.de sowie auf dem EURES-Portal European Employment Services) unter https://ec.europa.eu/eures/public/de/homepage. eh

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