Bei einer Anhörung zum Brenner-Nordzulauf im Verkehrsausschuss des Bundestages haben Experten am Mittwoch, 16. Oktober, noch einmal für die verschiedenen Varianten des Bahnprojekts geworben. Bei dem Neubau der Strecke im Inntal in Oberbayern wird insbesondere darüber gestritten, ob weitere Gleise zusätzlich unterirdisch verlaufen sollen.
Kritiker der Tunnel verweisen darauf, dass diese Bauweise das Projekt deutlich teurer machen und für Verzögerungen sorgen würde. Die Befürworter verweisen darauf, dass die Eingriffe in die Landschaft dadurch verringert und die Akzeptanz bei der Bevölkerung vor Ort größer würde. Der Nordzulauf soll Deutschland mit dem Brenner-Basistunnel in Österreich verbinden, der künftig bis nach Italien führt.
Aufwändige und teure Tunnellösung
Ingrid Felipe von der Infrastrukturgesellschaft der Deutschen Bahn sagte im Ausschuss, dass bereits viele Anregungen aus der Region in die Planung eingeflossen seien. In der aktuell vorgesehenen Variante würden Tunnel etwa 60 Prozent ausmachen. Die Bahntochter spricht von einem „vergleichsweise hohen Tunnelanteil“ auf der 70 Kilometer langen Strecke. Die Verlegung der sogenannten Verknüpfungsstelle bei Kirnstein im Landkreis Rosenheim in den Untergrund lehnt die DB ab, weil dies nicht mit den Sicherheitsvorschriften vereinbar sei. Die Verknüpfungsstelle soll besonders die Schienenverbindung von Neubau- und Bestandsstrecken sicherstellen.
Auch Felix Heizler vom Deutschen Zentrum für Schienenverkehrsforschung verwies in der Anhörung darauf, dass ein Bau dieser Verknüpfungsstelle in Tunnelröhren „sicherheitstechnisch sehr komplex“ sei. Er erläutere, dass es um die Sicherheit bei Notfällen, besonders einem Tunnelbrand, gehe. Es seien Untersuchungen dazu nötig, die zeitaufwändig und teuer werden könnten. Dabei gebe es keine Garantie, dass solch ein Gutachten letztlich eine machbare Lösung aufzeige. Weder in der EU noch in der Schweiz gebe es derzeit ein vergleichbares Tunnelsystem, betonte Heizler.
Wirtschaft drängt auf zügigen Ausbau
Der Rosenheimer Landrat Otto Lederer (CSU) warb hingegen nochmals für eine unterirdische Lösung. Die Verknüpfungsstelle Kirnstein sei in einem räumlich sehr stark begrenzten Abschnitt des Inntals geplant. Durch das schmale Tal führten jetzt schon neben der bestehenden Bahnstrecke unter anderem eine vierspurige Autobahn, eine Hochspannungsleitung, eine Öl- und eine Gaspipeline. Lederer verwies auf die große Bedeutung der dortigen Natur für den Tourismus und die Almwirtschaft. Der Landkreis befürchtet, dass zahlreiche landwirtschaftliche Familienbetriebe aufgeben müssten, wenn weitere Flächen für das neue Bahnprojekt genutzt würden.
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft fordert eine zügige Umsetzung des Brenner-Nordzulaufs. Auch der Fahrgastverband Pro Bahn spricht sich gegen weitere Verzögerungen durch neue Tunnelplanungen aus. Das Projekt werde die Zugfahrt zwischen München und Verona auf künftig etwa zweieinhalb Stunden beschleunigen. Im Vergleich zur jetzigen Fahrzeit wäre das etwa eine Halbierung. „Da fliegt dann auch keiner mehr“, sagte Lukas Iffländer vom Fahrgastverband. Neue Tunnelplanungen bezeichnete er wegen der Sicherheitsthematik als „Lotteriespiel“.
Gegenseitige Vorwürfe von Landes- und Bundesminister
Bereits vor der Anhörung des Bundestags warf Bundesverkehrsminister Volker Wissing der CSU vor, den Zeitplan für das Projekt zu gefährden. „Ich finde es hochgradig unseriös, dass die CSU nun die Planungen torpediert, die sie über die Jahre selbst vorangetrieben hat“, sagte der FDP-Politiker der „Augsburger Allgemeinen“. „Der Ausbau der Alpenachse München-Verona erfolgt anhand eines komplexen, auf europäischer Ebene abgestimmten Zeitplans.“ Diesen sehe er anhand der Änderungswünsche gefährdet.
Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) wies die Vorwürfe umgehend zurück. Wissing sei noch nie in der oberbayerischen Region gewesen, um dort mit Anwohnern zu sprechen. „Er kennt das Projekt nur vom Papier“, kritisierte Bernreiter. „Man kann so ein Mega-Projekt nicht gegen den Willen der Menschen vor Ort einfach von Berlin aus durchdrücken.“
Italien und Österreich bauen bereits
Der Nordzulauf soll auf deutscher Seite im Raum Rosenheim die Anbindung zum Brenner-Basistunnel schaffen. Damit soll der Güterverkehr über den Brenner von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Zudem sollen auch Personenzüge durch den Tunnel fahren.
Die DB hat den möglichen Trassenverlauf für die deutsche Zuführung weitgehend festgelegt, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verlangt hingegen noch Änderungen. 2025 soll der Bundestag über das Milliarden-Projekt entscheiden. An dem Brennertunnel wird in Italien und Österreich bereits seit Jahren gebaut. Kritiker werfen Deutschland vor, mit der Umsetzung des Anschlussstücks viel zu langsam zu sein.