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Bahn-Börsengang: Weiche gestellt, aber viele Fragen offen

02.01.2007 15:11 Uhr

Für Bahnchef Hartmut Mehdorn ist es eine ungewohnte Situation: Wenn das neue Geschäftsjahr nach den Feiertagen jetzt richtig anläuft, ist die wichtigste Weiche schon gestellt.

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Berlin. Seit dem Grundsatzbeschluss der schwarz-roten Koalition von Ende November ist klar, dass der bundeseigene Konzern bis spätestens 2009 an die Börse rollen soll. Doch einfacher wird der Weg zu seinem großen Ziel für Deutschlands obersten Eisenbahner damit kaum – zu viele brisante Fragen sind nach wie vor ungeklärt. Bis zum Frühjahr will Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) einen Gesetzentwurf vorlegen, wie die Teilprivatisierung genau angepackt werden soll. Im Fern- und Nahverkehr muss sich zeigen, wie die Kunden auf die abermalige Preiserhöhung reagieren, die Tickets zum Jahreswechsel um bis zu 5,6 Prozent verteuert hat. Mit den Gewerkschaften steht eine harte Tarifrunde bevor. Und nicht zuletzt ist der nationale Güterverkehrsmarkt ab sofort für Konkurrenten aus der Europäischen Union geöffnet. Im Jahr 2010 soll dann auch der Personenverkehr europaweit liberalisiert werden. Dass der Erfolgsdruck nicht sinken wird, ist Mehdorn (64) in seinem inzwischen achten Jahr an der Unternehmensspitze klar. Denn nach der lang ersehnten Richtungsentscheidung der Politik für eine Privatisierung stehen die Manager in der Zentrale am Potsdamer Platz in Berlin unter nochmals verschärfter Beobachtung aller Seiten. Nach dem schwungvollen Fußball-WM-Jahr 2006 dürfe der Konzern „gerade im Hinblick auf den Kapitalmarkt, dessen Geld wir für unsere Weiterentwicklung brauchen, nicht nachlassen“, schrieb Mehdorn allen Mitarbeitern zum Weihnachtsfest. Und auch Tiefensee listete schon Erwartungen auf: „Wir wollen, dass die Kunden eine hohe Qualität haben, dass die Bahn weiter gute Züge einkaufen und Bahnhöfe renovieren kann.“ Daneben soll der längst über den nationalen Schienenverkehr hinausgewachsene Konzern auch auf den Weltmärkten mithalten können, wenn es um globale Frachttransporte zur See, in der Luft und mit Lkw geht. An Hafenterminals an Nord- und Ostsee will die Bahn ihre Stellung verbessern. Ein anderes Projekt sind durchgehende Güterzüge bis nach Peking, die in wenigen Jahren Realität sein sollen. Die ICE-Flotte muss modernisiert werden, damit Züge auch über die Grenzen hinaus etwa nach Frankreich rollen können. Dass er für all diese Vorhaben frische Milliarden vom Kapitalmarkt braucht, hat Mehdorn mehrfach unterstrichen. Als Grundlage dafür sei der Kompromiss der Koalition „nicht in vollem Umfang das, was wir uns gewünscht haben“, notierte Mehdorn in der Mitarbeiterzeitschrift. „Aber es ist ein Signal, das unserer Strategie Rechnung trägt und das uns nach vorne bringt“. Nach dem jahrelangen Gezerre gelte nun: „Wir brauchen wieder Ruhe im Konzern und unsere volle Konzentration auf die sich öffnenden Märkte, um dort Wachstumschancen wahrzunehmen.“ Richtschnur für die Teilprivatisierung soll nach dem Willen von Union und SPD sein, dass das Gleisnetz, Bahnhöfe und Servicestationen nicht an private Investoren verkauft, sondern auf den Bund übertragen werden. Die Bahn soll das 34.000 Kilometer lange Netz aber zusammen mit dem Fahrbetrieb bewirtschaften und in der Bilanz führen dürfen - die konkrete Umsetzung ist aber noch Schwerstarbeit für Juristen. Mit Rückendeckung der Arbeitnehmervertreter mahnte Mehdorn schon, dass nun nicht wieder alle möglichen Modelle durchgespielt werden sollten. In einem ersten Schritt könnten zunächst 24,9 Prozent der Anteile an den privaten Markt gebracht werden. Dabei gilt ein Börsengang noch immer als wahrscheinlichste Variante, denkbar ist aber auch ein Verkauf an gezielt ausgesuchte Investoren. Die Gewerkschaft Transnet warnte bereits vor unerwünschten Geldgebern: „Finanzinvestoren, die eine schnelle, hohe Rendite erwarten, würden von uns mit aller Konsequenz abgelehnt“, sagt der Vorsitzende Norbert Hansen, der auch stellvertretender Bahn-Aufsichtsratschef ist. Von Gewerkschaftsseite kommen auf die Bahn ohnehin Konflikte zu. Wenn der bestehende Tarifvertrag Mitte 2007 ausläuft, will Transnet deutliche Einkommensverbesserungen durchsetzen. Nach zwölf Jahren Sanierung sei die Zeit gekommen, „Zugeständnisse und Entbehrungen“ der Mitarbeiter zu honorieren. Immerhin soll der operative Gewinn der Bahn 2006 die Rekordmarke von zwei Milliarden Euro erreicht haben, nachdem es im Vorjahr 1,35 Milliarden Euro waren. Börsenexperten zeigen sich vorerst dennoch skeptisch. Mehdorn habe bislang nicht schlüssig dargelegt, woher das für eine Erfolgsstory notwendige Wachstum kommen soll, meint der Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Jürgen Kurz. Momentan sei die Bahn jedenfalls „noch nicht börsenreif“.

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