Baden-Württemberg

Baden-WürttembergLogistik im LändleDas Thema Logistik wurde in Baden-Württemberg relativ spät entdeckt. Gleichwohl sitzen hier viele namhafte Speditions- und Logistikgrößen – nicht zuletzt dank der interessanten Industrie. Gleich drei der dynamischsten Logistikregionen Deutschlands finden sich in Baden-Württemberg (BW). So erreichten im Imageranking 2010 der SCI Verkehr, für das deutschlandweit über 200 Logistikdienstleister befragt worden waren, die Region Stutt-gart Platz drei, Mannheim/Ludwigshafen Platz vier und die Region Ulm/Westschwaben nahm den zehnten Platz in diesem Ranking ein. Fast jeder Zehnte ist in der Logistik aktivNicht minder beeindruckend ist die hohe Zahl der Arbeitskräfte in der Logistik: Immerhin jeder 20. Beschäftigte in Baden-Württemberg war 2010 im Kernbereich Logistik tätig. Betrachtet man den erweiterten Logistikbereich, zu dem auch die mit logistischen Tätigkeiten Beschäftigten in Industrie und Handel zählen, war es sogar fast jeder zehnte Beschäftigte. „Die starke mittelständische Industrie trägt in hohem Maße zur Attraktivität des Logistikstandorts Baden-Württemberg bei“, sagt Peter Abelmann, Leiter Logistik bei SCI Verkehr. „Wo viel produziert wird, gibt es schließlich auch viel zu befördern.“ Trotzdem fristete die Querschnittsbranche Logistik im Land der Tüftler und Maschinenbauer lange Jahre ein gewisses Schattendasein im öffentlichen Bewusstsein. „In Baden-Württemberg wurde das Thema Logistik erst relativ spät entdeckt“, bestätigt Abelmann. Erst seit Antritt der grün-roten Landesregierung gibt es in Baden-Württenberg zum Beispiel wieder ein Verkehrsministerium. Die bisherige Regierung handelte das Thema Verkehr im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft (MFW) ab. Dort existiert auch heute noch das Referat Mobilität und Logistik, das sich nach Aussage des neuen Verkehrsministers Winfried Hermann seit dem Regierungswechsel stärker um Wirtschaftsförderung als um Transportpolitik kümmert (s. Interview auf Seite 36). Immerhin brachte das MFW das Logistik-Netzwerk Baden-Württemberg (Log BW) auf den Weg (s. Kasten auf Seite 35). Dies nahm zum Jahreswechsel 2010/2011 seine Arbeit auf – deutlich später als ähnliche Initiativen auf Länderebene, die in ihren Bundesländern zum Teil schon seit Jahren den politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurs zumindest mit beeinflussen. Auf die Frage nach den Schwerpunkten der grün-roten Landesregierung beim Thema Logistikstandort kommt sowohl vom neuen Verkehrsminister Winfried Hermann als auch aus dem Finanz- und Wirtschaftsministerium das Stichwort der „nachhaltigen Mobilität“. „Wir werden den Kombinierten Verkehr stärken, um eine Verlagerung auf die Schiene und die Wasserstraße voranzubringen“, lässt das Ministerium wissen. „Aus diesem Grund sind wir auch gegen den Einsatz der Lang-LKW. Wir werden uns stark für den Erhalt und die Modernisierung der Infrastruktur einsetzen, nicht jedoch für deren massiven Ausbau.“ Beim Straßenbau ist es sowohl dem Finanz- und Wirtschaftsministerium als auch dem Verkehrsminister wichtig, erst die im Bau befindlichen Vorhaben fertigzustellen, bevor Neues begonnen wird. „Das wird uns jedoch nicht daran hindern, beim Bund die Zuweisungen für Baden-Württemberg in bedarfsgerechter Höhe einzufordern“, betont ein Sprecher des Finanz- und Wirtschaftsministeriums. Für ein Bundesland, das sich auf der Website „logistik-bw“ grammatikalisch nicht ganz korrekt als „Drehscheibe von Europa“ bezeichnet, könnte die Zurückhaltung beim Straßenbau zu einer Herausforderung werden. Denn in Baden-Württemberg gibt es im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ohnehin verhältnismäßig wenig Autobahnkilometer – und zwar sowohl pro Flächeneinheit als auch pro Einwohner, wie SCI-Experte Abelmann erklärt. „Allerdings sind in Baden-Württemberg viele Bundesstraßen autobahnähnlich ausgebaut.“ Zudem rechne er damit, dass sich die Situation auf den Fernstraßen in diesem Bundesland nach der Fertigstellung der zahlreichen aktuellen Straßenbauprojekte verbessern werde. Dass es gerade im Straßenverkehr bislang keine Priorisierungen von Trassen und Strecken für den Güterverkehr gibt, sieht Holger Bach als Nachteil des Logistikstandorts Baden-Württemberg. Die Logistik steht immer im Wettbewerb „Jede Gemeinde bemüht sich, den Güterverkehr bestmöglich aus ihrem Gebiet zu verdrängen.“ Außerdem moniert der Klok-Geschäftsführer die heterogenen Gebilde von Umweltzonen in den einzelnen Städten. „Die Logistik steht in Baden-Württemberg in starkem Wettbewerb zu anderen Nutzungsansätzen, zum Beispiel dem Tourismus“, stellt Bach fest. „Aus diesem Grund ist es hier eher schwierig, neue Flächen für Logistikimmobilien auszuweisen.“ Dies bestätigt SCI-Berater Abelmann. „In den Ballungsgebieten, in denen die großen Produktionsunternehmen sitzen, gibt es zu wenig geeignete und vor allem bezahlbare Logistikflächen.“ Dies gelte insbesondere für den Großraum Stuttgart.Als wesentlichen Pluspunkt des Logistikstandorts BW bezeichnet das Finanz- und Wirtschaftsministerium die „dezentrale und breit aufgestellte, alle Fachrichtungen abdeckende Bildungslandschaft“. Dass die dualen Studiengänge, die es in Baden-Württemberg bereits seit Jahren gibt, eine besonders praxisnahe Ausbildung gewährleisten, betont auch Peter Abelmann. Dennoch fehle ein universitärer „Leuchtturm“, insbesondere im Bereich Transport- und Distributionslogistik. „Bei der Intralogistik gibt es dagegen exzellente akademische Ausbildungen, wie etwa am Institut für Logistik und Fördertechnik der Universität Stuttgart.“ Trotz der vielen Studiengänge an den Dualen Hochschulen, die auch für die Logistik ausbilden, sieht Holger Bach in Baden-Württemberg Nachwuchs- und Personalprobleme in der Branche: „Bei den Fachkräften stehen die Logistikdienstleister im Wettbewerb mit der Industrie, die nicht zuletzt ganz andere Gehälter bezahlt.“Mittelständler prägen das LändleDie starke mittelständische Prägung der baden-württembergischen Wirtschaft spiegelt sich in der Dienstleisterlandschaft wider: Hier finden sich zahlreiche bekannte Namen (s. Kasten links). Allerdings hat nach dem Verkauf von Wincanton kein einziger der 20 größten deutschen Logistikdienstleister seinen Sitz in Baden-Württemberg. Als größtes Unternehmen kommt der Schnell-Lieferdienst Trans-o-flex aus Weinheim in den „Top 100 der Logistik“, die von der Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) des Fraunhofer Instituts in Nürnberg im Herbst 2010 veröffentlicht wurden, auf Rang 22. ❙❚■ Eva Elisabeth Ernst, freie JournalistinWichtiger Knotenpunkt in der Logistik: der Mannheimer HafenBaden-WürttembergDas Logistik-Netzwerk Baden-Württemberg Das Logistik-Netzwerk Baden-Württemberg (Log BW) wird bis 2014 mit insgesamt 500.000 Euro europäischen Fördermitteln finanziert, die durch einen Beitrag der Netzwerkteilnehmer in gleicher Höhe ergänzt werden sollen. Träger ist das Klok Kooperationszentrum Logistik, dessen Zweck die „Förderung und Unterstützung der Entwicklung und Verbreitung logistischer Kompetenz“ ist. „Wir stellen uns Aufgaben und Problemen aus dem Bereich Transportlogistik, die in Baden-Württemberg auftreten und integrative Lösungen erfordern“, sagt Geschäftsführer Holger Bach. Zu den Aufgaben von Log BW gehört es, Logistikakteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mithilfe von Veranstaltungen, Workshops, Fachforen und Infotagen zusammenzubringen, öffentliche Ausschreibungen zu begleiten und auch potenzielle Fachkräfte für die Berufsfelder der Logistik zu interessieren. Darüber hinaus hat sich das Team um Holger Bach vorgenommen, das Bild Baden-Württembergs als Logistikstandort positiv zu beeinflussen. eeeBaden-Württemberg„Sanierung und Erhalt gehen vor Neubau“Wie Winfried Hermann, Minister für Verkehr und Infrastruktur in Baden-Württemberg, den Logistikstandort Baden-Württemberg weiter stärken will, sagt er im Interview mit der VerkehrsRundschau.Warum gibt es seit dem Regierungswechsel wieder ein Verkehrsministerium in Baden-Württemberg?Winfried Hermann: Wir sind überzeugt, dass zum ökologischen Umbau der Industriegesellschaft und zum Klimaschutz notwendigerweise die umweltgerechte Gestaltung der Verkehrssysteme mit dem Ziel einer nachhaltigen Mobilität gehört. Der Autoverkehr muss umweltgerechter und klimafreundlicher werden. Notwendig ist eine stärkere Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene. Die hochwertige Straßeninfrastruktur gilt es zu erhalten und zu pflegen. All diese Aufgaben können nicht zwei Abteilungen in einem anderen Ressort nebenbei leisten.Wie sieht die Aufgabentrennung zwischen Verkehrsministerium und dem Referat Mobilität und Logistik des Finanz- und Wirtschaftsministeriums aus?Das neue Ministerium für Verkehr und Infrastruktur ist für alle Bereiche des Straßen-, Schienen- und Radverkehrs, für Binnenschifffahrt und Luftverkehr, für Infrastruktur und Regionalplanung zuständig. Das Referat im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft kümmert sich mehr um Wirtschaftsförderung als um Transportpolitik.Was unternimmt ein Verkehrsminister der Grünen, um den Logistikstandort Baden-Württemberg zu stärken?Der Zuwachs beim Gütertransport muss stärker auf der Schiene und auf Wasserwegen abgewickelt werden. Auch auf der Straße müssen die Güter ressourcenschonend und umweltgerechter transportiert werden. Wir wollen den Kombinierten Verkehr und Umschlagplätze für verschiedene Verkehrsträger fördern. Die Binnenschifffahrt soll unter anderem durch Modernisierung der Neckarschleusen ebenso ausgebaut werden wie der Schienengüterverkehr zum Beispiel im Rheintal.Welche Schwerpunkte setzen Sie beim Ausbau der Verkehrswege?Wir wollen zunächst begonnene Straßenbauprojekte fertigstellen, bevor neue angefangen werden. Sanierung und Erhalt gehen vor Neubau. Vorrang haben Stärkung und Ausbau der Hauptverkehrsachsen. eeeInterviewWinfried Hermann Statistik: Sowohl mit seiner Fläche von 35.751 km² als auch mit seinen 10,7 Millionen Einwohnern ist Baden-Württemberg (BW) das drittgrößte deutsche Bundesland. Fast die Hälfte der Fläche wird landwirtschaftlich genutzt. Auf 18 Gebieten mit einem Flächenanteil von 39 Prozent leben 74 Prozent der Bevölkerung. Die Wirtschaftskraft ist hoch, die Arbeitslosenquote ist seit Jahren bundesweit mit am niedrigsten. Branchen: Das produzierende Gewerbe dominiert die Wirtschaft, wobei der Maschinenbau an erster Stelle steht. Es folgen die Branchen Fahrzeugbau mit Vorzeigeunternehmen wie Daimler und Porsche sowie die Elektrotechnik mit Bosch und Alcatel. 800 Firmen in Baden-Württemberg bieten technische Systeme und Beratungsdienste für Intralogistik. Logistikstandort: BW ist auch bei Logistikdienstleistern mittelständisch geprägt. Autobahnnetz: über 1500 Kilometer4700 Kilometer Schienenwege550 Kilometer Wasserstraßenvier der zehn größten deutschen Binnenhäfen: Mannheim, Karlsruhe, Heilbronn und KehlFlughäfen Stuttgart, Karlsruhe/Baden-Baden, Friedrichshafen und Sonderfrachtflughafen Lahr eee

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