Azubi-Mangel in der Logistik: Selbst verschuldet?

16 Schüler - sonst wird der Ausbildungsstandort Bielefeld geschlossen. Georg Kramer, Geschäftsführer des gleichnamigen Möbeltransport-Unternehmens aus Ostwestfalen, schildert in eindrücklichen Worten, wie es um seine Branche bestellt ist. Sein Familienunternehmen bildet seit 2008 Fachkräfte für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice (FMKU) aus. Der Fachkräfte-Mangel ist ein Damoklesschwert, das über dem Betrieb hängt. So wie Kramer ergeht es derzeit vielen Betrieben in Deutschland, die auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen sind. In Zahlen verdeutlicht es die kürzlich erschienene Ausbildungsbilanz der IG Metall: Um zehn Prozent ist die Zahl der neuen Ausbildungsverträge im Bereich Kaufleute und Logistik im Jahr 2023 zurückgegangen. Insgesamt zählt die Gewerkschaft knapp 49.000 Verträge. Auch in der Bewerber-Statistik der Agentur für Arbeit rutschen Verkehrs- und Logistikberufe immer weiter ab. Den aktuellen Zahlen für 2021/2022 zufolge kam man auf 9600 Bewerberinnen und Bewerber in ganz Deutschland. 2017 waren es noch über 12.500. Gründe für die Lage gibt es viele. Stefan Thyroke leitet bei der Dienstleistungs-Gewerkschaft Verdi die Fachgruppe Speditionen, Logistik, KEP und meint: "Wir haben grundlegend eine geringere Zahl an Schulabgängern und zugleich mehr Möglichkeiten, andere Berufe zu ergreifen, beispielsweise einen Hochschulabschluss zu absolvieren. Aber ganz entscheidend sind aus unserer Sicht die eklatanten Gehaltsunterschiede, die zwischen der Logistik und vergleichbaren Tätigkeiten in anderen Branchen herrschen." Weniger Geld vorhanden? Thyroke nennt einen Gehaltsunterschied von bis zu 20 Prozent im beispielhaften Vergleich zur Industrie. Finanzielle Schwierigkeiten sieht der Verdi-Fachgruppenleiter bei der Logistik nicht: "Man muss zwar einzelne Teilbranchen voneinander unterscheiden, aber bis auf wenige Ausnahmen machen Unternehmen unabhängig von ihrer Größe immer noch gute Gewinne." Diese seien durch die Rezession und andere Faktoren zwar geschrumpft, aber immer noch mehr als ausreichend, um auch in Ausbildung zu investieren. Thyroke sagt, der Logistikbranche werde es durch politische Weichenstellungen leichter gemacht, Beschäftigte aus Drittstaaten einzustellen. In der Folge würde das Thema Ausbildung weiter in den Hintergrund rutschen. Der Möbeltransporteur Kramer hat eine etwas andere Ansicht der Dinge: "Die Hauptursache ist aus meiner Sicht der demografische Wandel." Also, wie es Thyroke auch schon aufgeführt hat, die Unwucht zwischen weniger Schulabgängern und mehr Möglichkeiten auf dem Arbeits- und Studienmarkt. Für Kramer gibt es drei Lösungswege aus dem Dilemma: "Wir verbessern klar den Status von Menschen, die arbeiten. Wir rekrutieren mehr Fachkräfte aus dem Ausland und sorgen dafür, dass Deutschland ein attraktives Land für Menschen wird, die sich ein gutes Leben aufbauen und erarbeiten wollen. Und: Wir bekommen mehr Kinder und schaffen ein Lebensumfeld, dass für Lebensgemeinschaften mit Kindern eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz und soziale Vorteile hat." Azubis aus dem Kongo Wie die Rekrutierung von Azubis aus dem Ausland ablaufen kann, zeigt ein Beispiel der Spedition Emons aus Köln. Christoph Welticke, stellvertretender Leiter im Bereich Personalwesen, erklärt das Konzept wie folgt: "Wir haben verschiedene Projekte, zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo und Burkina Faso, gestartet. Junge Menschen bekommen die Chance, in Deutschland eine Ausbildung als Berufskraftfahrer oder Fachlagerist zu absolvieren. Das Projekt nennt sich "why not logistics" und wurde in der Personalabteilung und im Bereich Emons Digital entwickelt - ein noch junger Komplex, der neue Geschäftsfelder auftun soll. Das Konzept scheint zu funktionieren: "Wir haben bereits sieben Auszubildende aus dem Kongo gewonnen und bei Emons integriert. Weitere 18 Berufskraftfahrer-Auszubildende sowie sechs angehende Fachlageristen aus Drittstaaten starten in diesem Sommer bei uns", berichtet Welticke. Ein Segen für das Unternehmen, denn auch bei Emons hat man ein Problem damit, Auszubildende in Deutschland zu finden. Die finanziellen Gründe, die Verdi anführt, kann Welticke zum Teil nachvollziehen: "Es ist kein Geheimnis, dass verschiedene Branchen unterschiedliche Gehälter bezahlen. Manche Betriebe aus der Industrie können einfach mehr bezahlen als ein mittelständisches Logistikunternehmen." Emons selbst hält sich bei den Gehältern an geltende Tarifverträge. Berufsschul-Standort gefährdet Beim Möbeltransport-Unternehmen Kramer kündigt sich derweil eine weitere Verschärfung der Lage an: "Inzwischen ist der Berufsschul-Standort für FMKU in Bielefeld gefährdet", sagt Kramer. Die Bezirksregierung fordere, dass man in diesem Jahr einen vollen Ausbildungsjahrgang mit 16 Schülern stellen solle, die auch im kommenden Jahr noch mit dabei sind. "Ansonsten wird der Ausbildungssitz geschlossen." Es wurde nun ein Arbeitskreis mit dem Verband Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL) und Berufsschullehrern organisiert, um Lösungen zu finden. Was passiert, wenn der Ausbildungssitz in Bielefeld geschlossen wird, mag sich der Geschäftsführer gar nicht vorstellen: "Für mich bedeutet das ein großes Problem. Der nächste Berufsschul-Standort ist etwa 40 Kilometer weit entfernt. Wie soll ich einem 16-Jährigen ohne Führerschein das erklären?" Die unausgesprochene Befürchtung liegt dennoch auf der Hand: In einer Branche, die eh schon mit Image-Problemen und Arbeitsbelastung zu tun hat, kann man sich solche Aufbürdungen eigentlich nicht erlauben. Für den Moment bleibt Kramer nichts anderes übrig, als zu hoffen und zu kämpfen. Denn der Unternehmer weiß, wie wichtig die Auszubildenden für seinen Betrieb sind: "Wir haben eine Fachkräfte-Dichte von 75 Prozent im eigenen Unternehmen." Das ist weit mehr als ein "Nice-to-have-Posten", sondern schlichtweg die Basis, auf der das ganze Unternehmen beruht.

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