Anschluss nicht verpassen

Die Messe Innotrans Ende September in Berlin hat es gezeigt: Mit Hochdruck arbeiten die Akteure daran, mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Die besten Angebote, die neueste Technik und auch die Digitalisierung hilft jedoch nichts, wenn im doppelten Sinne des Wortes die Grundlage für mehr Schienengüterverkehr fehlt: die Schienenwege. Zahl der Gleisanschlüsse rückläufig "Die Zahl der Gleisanschlüsse in Deutschland ist in den letzten Jahren permanent zurückgegangen", sagt Marcus Gersinske, Fachbereichsleiter Ressourcenmanagement Eisenbahn im VDV (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen). 1997 gab es davon etwa 11.000, 2018 nur noch 2350 solcher Gleise, die Logistikzentren und Industrieansiedlungen den Zugang zu dem bundesweiten Schienennetz ermöglichen. Ein wichtiger Grund für den eklatanten Rückgang war Mora C. Mit diesem Programm aus dem Jahr 2001 wollte DB Cargo alle Gleisanschlüsse kündigen, deren Bedienung als nicht wirtschaftlich angesehen wurden. So sollte der defizitäre Wagenladungsverkehr (WLV) saniert werden. Doch in dem Segment schreibt die DB nach wie vor rote Zahlen. Als Folge ist die Verkehrsleistung im WLV (vor allem dafür werden die Gleisanschlüsse genutzt) seit Jahren rückläufig. Dennoch gilt der WLV als unverzichtbar. So ist im Masterplan Schienengüterverkehr, den auch die aktuelle Bundesregierung befürwortet, das Ziel festgehalten: "Der Schienenverkehr hat flächendeckenden Zugang zu Verkehrsquellen und -zielen unmittelbar über Gleisanschlüsse im Rahmen eines effizienten wettbewerbsfähigen und feingliedrigen Einzelwagennetzes sowie über multimodale Transportketten." Interesse an solchen Zugängen besteht. Das zeigt das Beispiel Krones. Das Unternehmen mit Sitz in Neutraubling fertigt Maschinen und Anlagen für die Prozess-, Abfüll- und Verpackungstechnik. "Pro Jahr versenden wir ein Volumen von umgerechnet etwa 9000 Containern", sagt Stefan Eigenstetter, verantwortlich im Bereich externe Logistik bei Krones. Das höchste Aufkommen mit etwa zwei Drittel fällt im Werk in Neutraubling bei Regensburg an. Um vor allem Waren nach Übersee aus den verschiedenen Werken für die Kunden in Container zu bündeln, hatte man bei Krones beschlossen, in Hamburg ein Logistik-Hub einzurichten, wo diese Bündelung erfolgen sollte. "Jetzt stellte sich die Frage, wie die Ware nach Hamburg transportiert wird: Da haben wir von Neutraubling aus die Bahn als Alternative zum Lkw in Erwägung gezogen, zumal es dort bereits mal einen Gleisanschluss gab", sagt Eigenstetter. Ein wichtiges Argument für die Bahn war die angespannte Verkehrslage rund um Regensburg mit vielen Baustellen auf den Autobahnen. "Zudem befindet sich das Werk in einem Mischgebiet mit begrenzten Parkmöglichkeiten. Deshalb wollten wir uns Optionen zum Lkw schaffen", nennt Eigenstetter einen weiteren Grund. Das Thema Umwelt und CO2-Einsparung war auch schon damals ein Argument für die Bahn, sagt der Logistik-Manager, stand aber noch nicht so sehr im Fokus wie heute. Ein Drittel der Versandmengen per Bahn Den Antrag zur Förderung des Gleisanschlusses an das Eisenbahn-Bundesamt hat Krones 2015 gestellt, 2016 wurde der Anschluss in Betrieb genommen. "Nach einer Anlaufphase haben wir 2018 und 2019 über 1000 Bahnwaggons pro Jahr über den Anschluss abgewickelt. Ein Bahnwaggon entspricht grob der Ladung von zwei Sattelaufliegern," sagt Eigenstetter. Dabei war es in der Regel so, dass Krones einmal pro Tag (morgens zwischen 4.00 und 5.00 Uhr) mit neuen Waggons bedient und dann die beladenen Waggons abgeholt wurden. Im Anschlussgleis ist Platz für maximal fünf Waggons. Somit ist es Krones gelungen, ein Drittel der Versandmengen aus Neutraubling auf die Bahn zu verlagern. Doch Corona und Lieferengpässe haben dazu geführt, dass die Mengen gesunken sind. 2021 waren es nur noch 350 Waggons. Jetzt könnte Krones wieder mehr Transporte auf die Schiene bringen: "Unser Ziel wären 550 Waggons pro Jahr. Die Mengen dafür können wir derzeit auch liefern", sagt Eigenstetter. Aber nun hakt es bei der Bahn. "Zum einen wird nicht immer die gewünschte Zahl an Waggons geliefert", beklagt Eigenstetter. Und zwar ohne Vorwarnung oder Information. "Dann stehen morgens schon mal nur zwei Waggons im Gleis, obwohl wir vier bestellt hatten", so der Logistikverantwortliche. Auf Nachfrage erhalte man die Antwort: "Mehr waren nicht da." Hinzu kommen Verspätungen. 2017 bis 2019 benötigten die Züge von Neutraubling bis Hamburg drei bis vier Tage - Laufzeiten, die für Krones ausreichend sind, auch wenn der Lkw nur zwei Tage braucht. "Im letzten Halbjahr hatten wir an einigen Tagen Laufzeiten von fünf bis 21 Tagen. 21 Tage waren zwar die Ausnahme, aber 14 Tage kamen öfter vor. Das sind keine akzeptablen Laufzeiten", sagt Eigenstetter. Die Folge: Mit Lieferungen, die in weniger als einer Woche in Hamburg sein müssen, beauftragt Krones nicht mehr die Bahn, sondern den Lkw. Exakte Angaben zum Investitionsvolumen für den Gleisanschluss will Eigenstetter nicht nennen. Er spricht von einem sechsstelligen Betrag, von dem die Hälfte der Bund getragen hat. Doch ist die Schiene auch wettbewerbsfähig im Vergleich zum Lkw? "Bis zum Frühjahr war die Kostensituation nahezu identisch", sagt Eigenstetter. Die Bahn habe jedoch die Preise in Verbindung mit Energiezuschlägen erhöht. "Deshalb ist die Bahn aktuell leicht teurer. Aber das kann sich angesichts der großen Schwankungen auch bei den Diesel- oder Adblue-Preisen im Straßengüterverkehr jederzeit ändern." Und Eigenstetter gibt zu bedenken, dass die CO2-Einsparung in Höhe von 60 Prozent beim Bahntransport noch nicht berücksichtigt ist. Deshalb hält Krones nach wie vor an dem Bahntransport fest, nennt aber eine bessere Leistung der Bahn auch als Voraussetzung. Ohne Frage war für Krones die Gleisanschlussförderung ein wichtiger Türöffner für die Verlagerung. Dabei hat die Überarbeitung der Richtlinie (siehe Kasten) für neuen Schwung bei der Antragstellung gesorgt. Seit März 2021 sind laut Eisenbahn-Bundesamt (EBA) 44 Anträge gestellt worden. "Hiervon betreffen 33 Anträge den Neu- und Ausbau von Gleisanschlüssen, sieben Anträge die multifunktionalen Anlagen und vier Anträge die Zuführungs- und Industriestammgleise. Insgesamt 29 Anträge wurden beschieden, davon 19 positiv", teilt ein EBA-Sprecher der VerkehrsRundschau mit. Keine Konstanz bei der Finanzierung Maßgeblich an der neuen Richtlinie mitgewirkt hat der VDV. "Das waren bedeutende Schritte nach vorn. An vorderster Stelle sei die Flexibilisierung der Nachweis- und Rückzahlungsmodalitäten genannt", sagt VDV-Vizepräsident Joachim Berends. Doch ist die künftige Finanzierung nicht gesichert. 2021 wurden die Mittel mit 34 Millionen Euro verdoppelt und 2022 gleich wieder halbiert. VDV-Experte Gersinske ergänzt: "Die Verstetigung der Mittel ist dringend erforderlich." Er hält es zudem für notwendig, die Förderrichtlinie bekannter zu machen in der verladenden Wirtschaft und bei den Speditionen: "Vielen Unternehmen ist die Richtlinie unbekannt. So werden die Möglichkeiten, Güter auf die Schiene zu verlagern, nicht voll ausgeschöpft." In Kürze Seit März 2021 gibt es eine neue Richtlinie zur Gleisanschlussförderung. Damit soll es für Industrie, Handel und Speditionen leichter und attraktiver werden, Güter per Bahn zu befördern. Tatsächlich gibt es erste Erfolgsmeldungen. Aber demgegenüber stehen die vielen Baustellen im Netz, die zu Einschränkungen der Leistungsfähigkeit im Schienengüterverkehr geführt haben. Die Richtlinie zur Gleisanschlussförderung Die wichtigsten Fakten In Kraft seit 1. März 2021 Laufzeit bis 31. Dezember 2025 Förderumfang abhängig von den tatsächlichen Mehrmengen auf der Schiene Förderumfang beträgt maximal 50 Prozent des Investitionsvolumens Ausnahme: Investitionen in multifunktionale Anlagen werden bis zu 80 Prozent gefördert. Sonderregelung für Volumengüter Neu im Vergleich zur alten Richtlinien Aufnahme der Förderung von Ersatzinvestitionen Ausweitung der Förderung auf multifunktionale Anlagen für den Umschlag Schiene/Straße Erhöhung der Fördersätze auf zehn Euro/ Tonne (bisher acht Euro) und auf 40 Euro/1000 Tonnen-km (bisher 32 Euro) Erhöhung der Planungskostenpauschale von bisher zehn auf 17,5 Prozent Quelle: VDV

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