Berlin. Das Bundesarbeitsministerium will Selbstständige dazu verpflichten, für den Ruhestand vorzusorgen. Ein entsprechendes Gesetz soll 2013 in Kraft treten. Die Altersvorsorgepflicht soll laut einem Eckpunktepapier für alle gelten, die bei Inkrafttreten des Gesetzes jünger als 30 Jahre sind oder erst dann eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen. Damit will der Staat erreichen, dass Selbstständige genug sparen, um im Alter auf eine Rente von mindestens 700 Euro pro Monat kommen. Um diesen Betrag zu erreichen, müssten sie monatlich zwischen 250 bis 300 Euro beiseite legen, schätzt das Ministerium. Weitere 100 Euro kämen hinzu, wenn sich Selbstständige zusätzlich gegen Erwerbsminderung absichern müssten. Ob das ebenfalls Pflicht wird, steht derzeit noch nicht fest.
In der Transportbranche würde die neue Regelung überwiegend Fahrer betreffen, die mit eigenem Fahrzeug und auf eigene Rechnung unterwegs sind. Davon gibt es besonders viele im Kurier-, Post- und Express- Segment (KEP). Der dafür zuständige Bundesverband BdKEP begrüßt deshalb den Vorstoß: „Wir fordern schon lange ein Rentenversicherungspflicht für Selbstständige“, sagte ein Sprecher. Das Argument des BdKEP: In den heftigen Preiskämpfen auf dem Paket- und Kuriermarkt gebe es immer wieder Selbstfahrer, die ohne Kosten für ihre Rentenvorsorge kalkulieren, um so die Konkurrenz zu unterbieten. Eine Versicherungspflicht könnte diese Selbstausbeutung stoppen, meint der Verband.
Opposition kritisiert von der Leyen
Eine Rentenversicherungspflicht existiert momentan ausschließlich für Selbstfahrer mit nur einem Kunden (Verbot von Scheinselbstständigkeit). Alle anderen Einzelunternehmer können wählen, ob und wie sie sich ein finanzielles Polster für den Ruhestand zulegen. Vorsorgeexperten beurteilen die Pläne von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen grundsätzlich positiv. „Gerade für Kleinverdiener gibt es eine Vorsorgelücke“, diagnostiziert Theodor Pischke von der Zeitschrift „Finanztest“. Er kennt die typische Einkommenssituation von Selbstständigen: Eine private Rentenversicherung oder Kapitallebensversicherung sei zu teuer, und eine Rürup-Rente lohne sich nicht, weil die damit verbundene Steuerersparnis für sie zu gering sei. „Für diese Selbstständigen bietet der Staat noch nichts an“, urteilt Pischke.
Scharfe Kritik an den Plänen aus dem Hause von der Leyen kommt von der Opposition. So weisen die Grünen darauf hin, dass heute viele Menschen zwischen Selbstständigkeit und Anstellung wechseln. „Diese neue Realität ist in dem Modell nicht abgebildet“, kritisiert Wolfgang Strengmann-Kuhn, rentenpolitischer Sprecher der Partei. Der Grünen-Politiker sieht außerdem ein Problem bei der angepeilten Höhe der Pflichtbeiträge. „350 bis 400 Euro – das können sich viele Selbstständige nicht leisten“, meint Strengmann-Kuhn. Besser sei eine gesetzliche Rentenversicherung für alle, für die dann ein Beitrag gezahlt wird, der sich nach der Höhe des Einkommens richtet. (ag/cg)
Mehr zur Altersvorsorgepflicht für Selbstständige im E-Paper der VerkehrsRundschau und in der Magazinausgabe VR 14/2012 vom 07. April 2012
G. Böhmert