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EU-Knöllchen verzögert sich

21.07.2010 16:22 Uhr
EU-Knöllchen verzögert sich
Verkehrssünder aufgepasst: Ausländische Bußgeldbescheide können künftig in Deutschland vollstreckt werden
© Foto: ddp/Danny Gohlke

Mit dem Europäischen Geldsanktionsgesetz will die Bundesregierung den sogenannten EU-Knöllchenbeschluss umsetzen. Damit könnten in Deutschland künftig ausländische Geldbußen vollstreckt werden. Doch das Gesetz wird nicht zum geplanten Termin in Kraft treten.

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Berlin. Verkehrssünder, die im Ausland gegen Straßenverkehrsvorschriften verstoßen, müssen künftig damit rechnen, dass ausländische Geldbußen in Deutschland vollstreckt werden. Dafür soll das Europäische Geldsanktionsgesetz sorgen, mit dem der „EU-Rahmenbeschluss zur grenzüberschreitenden Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen“ aus dem Jahr 2005 umgesetzt werden soll. Ein Vollstreckungshilfeabkommen gibt es bisher schon zwischen Deutschland und Österreich für Bußgelder ab 25 Euro.

Das ursprünglich für den 1. Oktober 2010 geplante Inkrafttreten des Geldsanktionsgesetzes wird sich jedoch verzögern. Die parlamentarischen Beratungen hätten sich länger hingezogen als ursprünglich erwartet, teilt das Bundesjustizministerium auf Anfrage der VerkehrsRundschau mit. Damit werde sich die Vollstreckung von ausländischen Bußgeldbescheiden noch etwas hinauszögern. Das Gesetz trete später, aber wahrscheinlich noch vor Ende des Jahres in Kraft.

Gesetzentwurf stößt auf Kritik

Der Bundestag hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung Anfang Juli angenommen. Zuvor hatte der Rechtsausschuss des Bundestages mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP den Gesetzentwurf beschlossen. SPD und Linksfraktion hatten gegen den Entwurf gestimmt; die Grünen hatten sich enthalten. Aus Sicht der Sozialdemokraten enthalte der Entwurf „grundsätzliche Mängel“. Ein Sachverständiger habe deutlich gemacht, dass das Bundesverfassungsgericht das Gesetz aufheben werde. Die Union war gegenteiliger Ansicht: Aus ihrer Sicht beste­he kein Grund, das Verfahren „weiter in die Länge zu ziehen“. Drei Sachverständige hätten den Entwurf gebilligt, nur einer habe Bedenken geltend gemacht.

Auch aus Sicht von Volker Lempp, Leiter Verkehrsrecht beim Auto Club Europa (ACE), ist es fraglich, ob das Geldsanktionsgesetz verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Es müsse sichergestellt sein, dass ausländische Bescheide, die auf der Grundlage einer Halterhaftung ergehen, in Deutschland nicht vollstreckt werden dürfen beziehungsweise vollstreckt werden können. Denn im Unterschied zur Gesetzeslage in mehreren anderen europäischen Ländern gelte hierzulande im fließenden Verkehr nur die Fahrerhaftung. Demnach könne in Deutschland wegen eines Verkehrsvergehens grundsätzlich nur der Fahrer des Fahrzeugs, nicht dessen Halter belangt werden. Außerdem zeigten sich in der Frage, ob bei der Vollstreckungsuntergrenze von 70 Euro die Verfahrenskosten mitzurechnen seien oder nicht, bedenkliche Nachlässigkeiten im Detail, so ACE-Experte Lempp.

Bundesrat entscheidet im September

In bestimmten Fällen scheidet eine Vollstreckung in Deutschland laut Bundesjustizministerium aus. Zwar sollte ein Betroffener einen ausländischen Bußgeldbescheid immer bezahlen, wenn dieser zu Recht erlassen wurde. An dieser Verpflichtung ändere auch das Umsetzungsgesetz zum „Rahmenbeschluss Geldstrafen und Geldbußen“ nichts.

Eine Übernahme der Vollstreckung in Deutschland durch das zuständige Bundesamt für Justiz scheidet laut Ministerium jedoch unter anderem aus, wenn

  • die verhängte Geldsanktion einen Betrag von 70 Euro nicht erreicht,
  • im Falle eines schriftlichen Verfahrens die betroffene Person nicht über ihre Möglichkeiten zur Anfechtung und bestehende Fristen informiert wurde, etwa, weil die ausländische Behörde dem Betroffenen einen Bußgeldbescheid in einer Sprache zugestellt hat, die er nicht versteht,
  • gegen den Betroffenen eine Sanktion vollstreckt werden soll, ohne dass es auf sein Verschulden ankam (typischer Fall: Halterhaftung). Auch künftig werde niemand für einen Verkehrsverstoß verantwortlich gemacht, den ein anderer begangen habe. Voraussetzung sei da­für allerdings, dass er diesen Einwand zuvor im ausländischen Verfahren vorgetragen habe.

 

Der Gesetzentwurf wird nun dem Bundesrat zur Billigung zugeleitet, der voraussichtlich am 25. September darüber entscheiden wird.

Ausländische Bußgeldbescheide, die ab dem Tag der Verkündung des Geldsanktionsgesetzes ergehen beziehungsweise rechtskräftig werden, könnten dann künftig in Deutschland vollstreckt werden. Vereinzelt könnten auch Verkehrsverstöße hierzulande vollstreckt werden, die bereits vor dem zur- zeit noch offenen Stichtag be­gangen wurden, sofern das Bußgeld nach diesem Datum verhängt wurde oder nach diesem Datum rechtskräftig wird, betont der ADAC.

Umsetzung fehlt in sechs EU-Staaten 

Wenn das Geldsanktionsgesetz in Kraft tritt, kann das zuständige Bundesamt für Justiz laut Bundesjustizministerium nur Bescheide aus solchen EU-Mitgliedstaaten vollstrecken, die ihrerseits den Knöllchenbeschluss umgesetzt hätten. Bislang hätten ihn 21 Mitgliedstaaten umgesetzt – fehlen würden ne­ben Deutschland noch Belgien, Griechenland, Italien, Irland und die Slowakei. Wann in diesen Ländern mit Umsetzungsgesetzen gerechnet werden könne, sei nicht bekannt. (kap)

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