Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am Mittwoch entschieden, dass das Erbschaftsteuer‑ und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) teilweise verfassungswidrig ist. Es verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Zwar stelle der Schutz von Familienunternehmen und Arbeitsplätzen grundsätzlich einen legitimen Sachgrund dar, Betriebe teilweise oder vollständig von der Steuer zu befreien. Art und Weise sowie Ausmaß der Steuerbefreiung seien aber unzulässig.
So würden durch die Ausnahmen nicht nur kleinere und mittelständische Betriebe bevorzugt, sondern unabhängig von ihrem wahren Entlastungsbedarf auch Großkonzerne, hieß übereinstimmenden Medienberichten zufolge. Als ebenfalls unverhältnismäßig beurteilen die Richter demnach die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme. Zudem eröffne das Gesetz den Unternehmen zahlreiche "Gestaltungsmöglichkeiten", um die Steuerpflicht zu umgehen.
Die 2009 reformierte Erbschaftsteuer hatte das Ziel, Familienunternehmen beim Übergang des Betriebs auf die Erben nicht übermäßig zu belasten. Wenn sie beim Betriebsübergang das Lohnniveau der Firma hielten, bekamen sie einen Steuerrabatt. In manchen Fällen mussten die Erben gar nichts bezahlen. Grund für die staatliche Privilegierung war, dass Arbeitsplätze auch nach dem Übergang sichergestellt werden sollen.
Bis 30. Juni 2016 muss ein neues Gesetz her
Die bisherigen Erbschaftssteuer-Regeln bleiben aber vorerst in Kraft. Der Gesetzgeber muss bis zum 30. Juni 2016 eine entsprechende Reform verabschieden. Kleinere und mittlere Familienunternehmen dürfen dem Urteil zufolge auch künftig vollständig entlastet werden, um ihre Existenz und Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Firmen mit bis zu 20 Mitarbeitern werden aber künftig nachweisen müssen, dass sie die Jobs erhalten. Bisher sind sie von dieser Pflicht befreit.
Im Jahr 2013 hat die Erbschaftsteuer dem Bund 4,7 Milliarden Euro eingebracht – das sind weniger als ein Prozent der Staatseinnahmen. Im internationalen Vergleich gelten die bisherigen Regeln als sehr großzügig. (ms/ag)