Scania 560 S Super Highline: Der bessere V8?

Für einen Großteil der Fahrerschaft dürfte die Sache klar sein: In einen echten Scania gehört ein Achtzylinder, erst recht bei Motorleistungen oberhalb von 500 PS! Der ohne Frage herrlich satte Sound, den der V8 vor allem bei höheren Drehzahlen entwickelt, einerseits, vor allem aber das über Jahrzehnte geschickt platzierte Marketing der schwedischen Marke dürften die Hauptgründe für diese Meinung sein. Und sind darüber hinaus dafür verantwortlich, dass um diesen großvolumigen Motor schon fast so etwas wie ein Mythos entstand. Gegen diesen tritt die "Sallow-Green" lackierte Test-Zugmaschine an. Die mag in Sachen Klangkultur den Kürzeren ziehen, sollte dafür aber im ungleich wichtigeren Kapitel Wirtschaftlichkeit umso mehr punkten. Schließlich sorgt hier der neue, bezogen auf den V8 um 3,7 Liter Hubraum kleinvolumigere "Super"-Reihensechszylinder für Vortrieb. Von weiterem Understatement zeigt der neue DC13 keinerlei Spur: 560 Pferdestärken und 2800 Newtonmeter Drehmoment ab frühen 900 Touren kommen in der stärksten Leistungsstufe an den Antriebsrädern an! Damit bringt es der Reihensechser auf das gleiche Drehmoment wie der 530-PS-V8 und ist auch dessen um 60 PS stärkeren Einstellung lediglich um 250 Newtonmeter unterlegen. Berge sind für den 560er kein Hindernis Papierwerte, die sich auf der Straße schon nach wenigen Metern bestätigen. Nicht nur, weil Gaspedalbefehle äußerst spontan umgesetzt werden, geht der per einstufigem Turbolader beatmete Motor ab wie die buchstäbliche Sau! An keinem der durchaus ernst zu nehmenden Messberge unserer Teststrecke fällt die Tachonadel unterhalb die 80-km/h-Marke - ungeachtet unseres ausgeladenen Fliegl-Testtrailers auf der Sattelplatte. Sicher auch, weil Scania hier eine leistungsorientiertere Software-Abstimmung zugesteht. Nicht selten wählt das gewohnt zackig zu Werke gehende Opticruise- Getriebe schon am Fuße von Steigungen die elfte Fahrstufe und nimmt die topografische Aufgabe mit 1400/min in Angriff. Entsprechende Souveränität ist die Folge - sofern dem 560er kein langsamer Artgenosse gepaart mit einem Überholverbot in die Quere kommt. Akkurat arbeitender GPS-Tempomat Passiert das nicht, erweist sich der 560er dem V8 als ebenbürtig. Den Kindinger Berg auf der A 9, bekanntermaßen die längste und anspruchsvollste Steigung der VR-Teststrecke, verarbeitet er in 3:19 Minuten und damit exakt gleich schnell wie der im Vorfeld getestete Achtzylinder mit 590 PS (siehe VR 19/2021). Um zu vermeiden, dass der Spritverbrauch dabei aus dem Ruder läuft, besinnt sich aber auch der Topsechser kurz vor dem Erklimmen der Bergkuppe auf Vernunft. Dann greift nämlich der GPS-Tempomat ein und nutzt die kinetische Energie der Fuhre in den vom Fahrer gesetzten Grenzen zum Spritsparen aus. Dabei geht das System mit schwedischer Genauigkeit vor - wie immer gewähren wir Über- und Unterschwinger von jeweils fünf km/h, welche die Elektronik peinlich genau einhält. Führt die Strecke im Anschluss durch die Ebene, zückt der Scania mit "Pulse-and-Glide" eine weitere Waffe gegen die aktuell in schwindelnde Höhen steigenden Spritpreise. Dabei beschleunigt das System um zwei km/h über das im Tempomat eingestellte Reisetempo, um anschließend in Eco-Roll bis auf Tempo 83 frei zu rollen. Danach wird wieder sanft beschleunigt. Man gewöhnt sich schnell an diese Funktion, auch weil man aufgrund der Scaniatypisch überdurchschnittlich leisen Geräuschkulisse kaum Notiz davon in der großen S-Highline-Kabine nimmt. Overdrive senkt die Drehzahl Gleiches gilt für die Overdrive-Funktion des G33CM-Opticruise-Getriebes. Den Zusatz-Schongang nimmt die Steuerungselektronik auf ebener Strecke zu Hilfe, wodurch in Verbindung mit der im Testfahrzeug werkelnden 2,31er-Hinterachse dann nur noch 820 Touren bei Tempo 85 anliegen. Dass damit für den Motor noch längst nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist, zeigt sich auf der Landstraßenetappe, wo der DC13, ohne mit der Wimper zu zucken, sogar mit 750/min klarkommt. Die niedrigen Drehzahlen sollen sich ebenfalls positiv auf den Spritverbrauch niederschlagen. Überraschend daher: Verglichen mit dem im Vorfeld getesteten 540 S - noch mit dem Vorgänger-Sechszylinder, aber gleichem Getriebe -, kommt der Overdrive deutlich seltener zum Einsatz. Die meisten Kilometer der Testrunde absolviert der 560er im direkt übersetzten zwölften Gang, in dem man mit 1050/min bei 85 km/h aber ebenfalls weit von Drehzahlorgien entfernt bleibt. Lohnt sich der ganze Aufwand mit dem Overdrive dann überhaupt? Auf jeden Fall, ist sich der auf dem Beifahrersitz mitreisende Werksfahrer sicher. Denn der Schongang kommt oft zum Einsatz, wenn man es gar nicht wahrnimmt. Nämlich dann, wenn der Sattelzug ohne Antriebsenergie durch sanfte Senken rollt. Geringere Schleppverluste sind die Folge, ohne dass ein Tropfen Diesel oder AdBlue eingespritzt wird. Was erklärt, warum der Greif auffallend selten den Eco-Roll-Modus bemüht, in dem zwar keinerlei Schleppverluste auftreten, der Motor im Leerlauf aber eben Sprit verbraucht. Motorbremse anstatt Retarder Umgewöhnen müssen sich Scania-Lenker bei Bergabfahrten, zumindest wenn der Chef, wie im Testfahrzeug, die neue gewichtssparende CRB-Motorbremse anstatt des Retarders geordert hat. Die bietet zwar genügend Power, um die ausgeladene Testfuhre in jedem Gefälle im Zaum zu halten, bleibt von der Souveränität und der akustischen Zurückhaltung des Retarders aber weit entfernt. Wer Letzteren gewöhnt ist, muss außerdem lernen, die Motorbremse, beispielsweise vor Autobahnausfahrten, frühzeitiger zu aktivieren, um nicht viel zu schnell in die Kurve zu rollen. Bleibt noch die in der aktuellen Zeit wohl wichtigste Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Gemäß der hohen Motorleistung legt der 560er eine schnelle Durchschnittsgeschwindigkeit von 80,75 km/h vor, was lediglich 0,16 km/h langsamer ist als der V8 mit 590 PS auf unserer Testrunde. Im Vergleich zu dem gibt sich der Reihensechser aber deutlich zurückhaltender beim Verbrauch: 25,06 l/100 km sind für diese Leistungsklasse ein sehr guter Wert. Nicht verschweigen wollen wir aber den AdBlue-Verbrauch des Greifs. Der ist wie immer beim Test ins Verbrauchsergebnis mit eingerechnet und fällt mit 10,8 Prozent in Relation zum Dieselverbrauch vergleichsweise hoch aus. Ein Zugeständnis an die doppelte AdBlue-Einspritzung des Scania, um die Schadstoffwerte für die Euro 6e-Norm zu erreichen, was gleichermaßen für den V8 gilt. Letzterer bekommt mit dem 560er definitiv eine neue, starke Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Wer allerdings glaubt, im stärksten Sechszylinder auch zwangsläufig ein Sonderangebot zu finden, irrt. Insidern zufolge soll er nämlich nicht viel weniger kosten als ein 590er-V8. Test mit Referenz-Lkw Der redaktionseigene Mercedes-Benz Actros 1845 mit beladenem Curtainsider von Schmitz Cargobull sorgt für vergleichbare Testergebnisse. Dafür wurde die VR-Testrunde unter guten Wetterbedingungen abgefahren. Liegen die Verbrauchswerte des Referenz-Lkw am Testtag über oder unter diesem Wert, ist klar, dass das Testfahrzeug schlechtere oder bessere Bedingungen hatte, was sich entsprechend zurückrechnen lässt. Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (Scania DC13 174 560), Common-Rail, zwei oben liegende Nockenw., einstufiger Turbo, Euro 6e mit SCROnly (Twin-SCR), DPF; Hubraum: 12.700 cm3, Leistung: 560 PS (412 kW) bei 1800/min, max. Drehmom.: 2800 Nm bei 900–1400/min Kraftübertragung Automatisiertes Schaltgetriebe (Scania Opticruise G33CM), synchronisiertes Dreigang-Grundgetriebe, Range- u. Splitgruppe, 12 Vorwärtsgänge + Overdrive, 1x Crawler, 4£Rückwärtsgänge, optional 8, Hinterachsübersetzung: i=2,31; Einscheiben-Trockenkupplung, 430 mm Durchmesser Fahrwerk HA: 11,5-t-Hypoid-Antriebsachse; Vierbalg-Luftfederung mit Stabilisator; VA: 7,5-t-Faustachse, gekröpft, Einblatt-Parabelfederung, Stabilisator Bremsen Zweikreis-Druckluftbremsanlage, Motorbremse: 200 kW bei 2400/min, optional CRB-Motorbremse: 354 kW bei 2400/min und/oder: Retarder (nicht im Testfahrzeug verbaut) Maße & Gewichte Radstand: 3750 mm; L x B x H: 5960 x 2500 x 3815 mm (ohne Dachspoiler); Leergewicht: 7340 kg (inklusive 400 l Diesel; 60 l AdBlue) Bewertung Scania 560 S Super Highline Motor/Antrieb (max. 140) 124 Getriebe/Kupplung (max. 140) 126 Bremsen (max. 120) 104 Lenkung (max. 40) 36 Pedale (max. 20) 16 Fahrverhalten (max. 60) 51 Sicht (max. 50) 44 Klima/Lüftung (max. 50) 41 Sitze (max. 40) 35 Armaturen/Instrumente (max. 50) 44 Scheibenwischer (max. 30) 24 Fahrerhaus (max. 240) 200 Gesamtwertung (max. 980): 845 Testurteil + niedriger Dieselverbrauch, hohe Transportgeschwindigkeit, gutes Bedienkonzept, hoher Fahrkomfort mit leiser Geräuschkulisse, hochwertige Verarbeitung innerhalb des Fahrerhauses - im Verhältnis hoher AdBlue-Verbrauch, CRB-Motorbremse längst nicht so souverän wie der Retarder, umständlicher Kabinenumbau für das Ausziehbett, hoher Einstieg in die S-Kabine Verbräuche (inkl. AdBlue-Anteil) und Geschwindigkeiten: 342,8-km-Teststrecke l/100 km km/h Autobahn medium (40t)A 9 Allershausen – A 93 Regensburg 23,84 85,83 Autobahn hügelig (40 t)A 3 Regensburg – Nürnberg 27,56 84,53 Autobahn Rolletappe (40 t)A 9 Nürnberg – Langenbruck 25,11 84,59 Landstraße (40 t)Langenbruck – Dasing 23,02 62,99 Autobahn leicht (40 t)A 8 Dasing – A 99 AS M-Ludwigsfeld 24,72 84,54 Durchschnitt: 25,06 80,75 BergwertungAutobahn (Kindinger Berg, A 9)Zeit: 3,18 min, Vmin 83 km/h, Gang:11 bei 1350/min Fazit Beeindruckende Kraft Das war eine überzeugende Vorstellung des 560 S auf der Teststrecke. Er ist schnell unterwegs, ohne das Thema Wirtschaftlichkeit aus den Augen zu verlieren. Rein rationell gesehen kommt man daher am Sechszylinder kaum vorbei, vor allem, wenn man auf die aktuell hohen Spritpreise an allen europäischen Tankstellen blickt. Und es gibt noch ein Thema, wo der DC13 klar im Vorteil gegenüber dem V8 ist: Die zwei eingesparten Zylinder bringen nämlich auch das Leergewicht des Scania nach unten. In genauen Zahlen sprechen wir von immerhin 260 Kilogramm, die der 560er weniger wiegt als die im Vorfeld getestete Sattelzugmaschine mit 590-PSV8. Und die trat sogar noch mit der kleineren R-Highline-Kabine an. jan.burgdorf@springernature.com Mehr zum Thema finden Sie unter #ScaniaTrucks www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Bezeichnung "Super" hat im Hause Scania eine lange Tradition. Ab 1961 trugen erstmals die Lkw-Modelle mit den damals neuen turbogeladenen Sechszylindern diesen Schriftzug. Letzterer wurde für den neuen DC13-Sechszylinder nach jahrzehntelanger Pause von den Schweden nun wieder reaktiviert.

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