Erste Testfahrt mit dem neuen Mercedes-Benz eActros 400

Den neuen eActros 400 optisch vom bisherigen 300er zu unterscheiden? Fast unmöglich, weil unser Testfahrzeug den futuristischen Auftritt des großen Fernverkehrsmodells eActros 600 nicht mitmachen durfte. Statt des auffälligen Designs der sogenannten Pro-Cabin mit ihrer ungewöhnlichen, weil fast komplett geschlossenen Front, verordnete Daimler Truck hier die bisherige 2,30 Meter schmale StreamSpace-L-Kabine mit dem herkömmlichen Kühlergrill. Sinn ergibt das durchaus. Schließlich zielt der eActros 400 vorrangig auf kürzere Strecken im schweren oder mittelschweren Verteilerverkehr. In diesem werden deutlich kürzere Strecken bei geringerem Tempo zurückgelegt, weshalb die aerodynamisch perfektionierte Pro-Cabin ihr Sparpotenzial nicht genug auskosten könnte. Technikpaket stammt vom Fernverkehrsmodell eActros 600 Abgesehen vom Fahrerhaus übernahm der eActros 400 allerdings fast das ganze Technikpaket von seinem großen Bruder eActros 600. Die gesamte Antriebseinheit ist an der Hinterachse untergebracht. Dazu gehören zwei je 200 Kilowatt starke Synchron-Elektromotoren, die ihre gebündelte Kraft über ein Vierganggetriebe an die Hinterräder weitergeben. Eine Kardanwelle ist somit nicht mehr von Nöten, was Platz für andere Bauteile schafft. Beispielsweise Batterien, womit wir bei einer weiteren Abgrenzung zum großen eActros 600 wären. Zwar hat der 400er mit den brutto 207 kWh großen Akkupaketen mit moderner Lithium-Eisen-Phosphat-Zellstruktur die gleiche Stromspeichertechnik an Bord, anstatt drei befinden sich hier aber nur zwei davon an Bord. Macht 414 Kilowattstunden Brutto-Energie, von denen laut Hersteller 400 kWh nutzbar sind – daher auch der Name eActros 400. Je nach Streckenbeschaffenheit für bis zu 480 Kilometer soll der Stromvorrat genügen, 300 Kilometer seinen nach Aussage des auf dem Beifahrersitz mitreisenden Werksfahrer aber eigentlich immer drin, das dürfte für die meisten Liefertouren mehr als genug Reserve bedeuten. Bis zu 628 Kilowatt Leistung Und besagte Touren machen im eActros 400 richtig Spaß, denn das Fahren unterscheidet sich ein keiner Weise von dem im großen 600er-Actros. Tritt man das Gaspedal voll durch, treiben bis zu 628 kW (854 PS) die 41 Tonnen schwere Testfuhre nach vorne. Was man allerdings seltener nutzt, als man denken würde. Erstens genügen auch die „normalen“ 400 Kilowatt in den meisten Situationen völlig und zweitens saugt der Leistungsmodus die Batterien unnötig leer. So erfreut man sich lieber am flüsterleisen Gleiten und den fast unmerklichen Gangwechseln des von Daimler selbst entwickelten Vierganggetriebes. Oder lernt, wie einfach sich der Sattelzug über die bis zu 628 kW starke Rekuperation, stufenweise über den rechten Lenkstockhebel steuerbar, verzögern lässt, ohne einmal die Betriebsbremse antippen zu müssen. E-Lkw fahren bringt eben automatisch einen gelassenen Fahrstil mit sich… Um 1,5 Tonnen leichter als der große eActros 600 Kommen wir zu den Vorteilen des eActros 400. Einerseits verspricht Daimler Truck natürlich einen günstigeren Listenpreis zum eActros 600. Vor allem aber kann der Kleine dessen Achillesferse ausmerzen. Bei voller Ausladung hat der 600er nicht selten mit einer gewichtsmäßig überlasteten Hinterachse zu kämpfen. Dagegen dürfet der kleinere Bruder gewappnet sein. Einerseits, weil das Weglassen eines Batteriepaketes allein bereits 1,5 Tonnen Gewicht spart – ein Eigengewicht von 9800 Kilogramm soll daher bei einer 4x2-Sattelzugmaschine möglich sein. Zusätzlich hält Mercedes-Benz für den eActros 400 noch einen kürzeren Radstand von 3700 Millimetern parat, wodurch sich das Gewicht der Zugmaschine mehr auf die Vorderachse verteilen kann. Bis zu 3,5 Tonnen mehr Nutzlastreserven sollen laut den Daimler-Verantwortlichen so möglich sein. Durch diese Tatsache könnte der eActros 400 also doch in Revier des großen eActros 600 wildern? So könnten schwer ladende Transporteure nämlich das Lastproblem an der Hinterachse lösen und dafür in Kauf nehmen, dass sie mit einem 400er öfter an einer Schnellladesäule andocken müssten. Erhöhte Variantenvielfalt In Wörth am Rhein jedenfalls scheint man auch diese Tatsache in Betracht zu ziehen, warum sonst bietet man für solche Fernverkehrsfälle dann doch die eingangs erwähnte Pro-Cabin für den eActros 400 an? Überhaupt steigt mit dessen Geburtsstunde die Variantenvielfalt im Elektrobaukasten merklich. Exemplarisch seien hier die 4x2-Pritschenfahrgestelle genannt, die es mit den Radständen 4000, 5500, 5800 und 6100 Millimeter gibt. Oder die dreiachsigen 6x2-Varianten, die in sechs verschiedenen Radständen zwischen 4000 und 5800 Millimeter lieferbar sind. Das Elektro-Programm vervollständigt sich damit immer mehr – nicht nur bei Daimler Truck.