Zügige Mittelklasse

Ein Laptop mit der richtigen Software und eine Stunde Zeit. Mehr benötigen die Ingenieure der Scania-Entwicklungsabteilung für 40 PS weniger nicht. Denn dieser saphirblau lackierte Scania rollte ursprünglich mit 540 PS vom Band. Da die neue Topeinstellung von Scanias Reihen-Sechszylinder aber bereits beim Euro-Truck-Test dabei war (siehe VR 46/2019, Seite 34), bat die VR um ein Downgrade auf die nächstschwächere Einstellung mit 500 PS und 2550 Nm Drehmoment. Technisch erfuhr auch diese zuletzt ein Update. Dabei will Scania die Reibungskräfte innerhalb des Motors reduziert haben und so bis zu zwei Prozent Kraftstoff einsparen. Ein Beispiel ist der neue Turbolader mit fester Geometrie, der durch seinen einfacheren Aufbau nicht nur länger halten, sondern durch neue Kugel- anstelle der bisherigen Gleitlager, auch widerstandsärmer laufen soll. Abgesehen davon verzichtet der Motor auch bei der strengeren Abgasstufe Euro 6d weiterhin auf Abgasrückführung. Diese hätte nämlich einen größeren Kühlbedarf zur Folge, der sich negativ auf den Wirkungsgrad auswirkt. Die Kehrseite der Medaille: Ein deutlich höherer AdBlue-Verbrauch, denn der SCR-Kat muss es gepaart mit dem Dieselpartikelfilter alleine richten - doch dazu später mehr. Der 500er steht gut im Futter Von den oben genannten Maßnahmen bekommt man hinter dem Steuer nichts mit und erfreut sich vielmehr am vorbildlich niedrigen Geräuschniveau im S 500. Pardon, im 500 S, schließlich musste Scania die Nomenklatur bei seinen S-Modellen kurz nach unserer Testfahrt ändern. Konkurrent Mercedes-Benz befürchtet nämlich Verwechslung mit seinem Luxus-Pkw S-Klasse, den es ja auch als S 500 gibt ... Was am Testfahrzeug zusätzlich auffällt: Der 500er steht gut im Futter. Ein Grund dafür offenbart sich beim Blick auf den Drehzahlmesser bei Reisetempo 85: Exakt 1175 Touren liegen an, in Zeiten von immer längeren Hinterachsübersetzungen mittlerweile ungewohnt viel. Der Agilität des Scania kommt das zugute, denn der Motor reagiert williger und spontaner auf Gaspedalbefehle als mit der länger übersetzten Hinterachse. Vor allem verleiht es eine höhere Resistenz gegenüber Steigungen. Selbst den steilsten und längsten Stich unserer Testrunde, den 4,5 Kilometer langen Kindinger Berg auf der A 9, überwindet das Testfahrzeug, trotz voll beladenem Fliegl-Curtainsider auf der Sattelplatte, ohne Rückschaltung. Wobei dem 500 S in solchen Situationen der GPS-Tempomat CCAP zu Hilfe eilt. Der offenbarte allerdings bislang ungekannte Regelungenauigkeiten, indem er mehrfach das Schwungvermögen des 40-Tonners überschätzte und mittels kurzem Gasstoß das Unterschreiten der eingestellten Hysterese verhindern musste. Dafür verordnet das System am Fuße von vielen Steigungen eine Tempoverschärfung um plus 3 km/h und bekämpft den Berg mittels mehr Schwung meist erfolgreich - sprich ohne Gangrückstufung. Zusätzlich schreckt die Motorelektronik selbst vor extremen Drehzahlen unterhalb der 800er-Marke nicht zurück, wenn die erlösende Kuppe bereits in Sichtweite ist. Solche Manöver kannte man von einem Scania bislang nicht. Der Grund liegt darin, dass die 500-PS-Einstellung ihr maximales Drehmoment bereits ab 925 Touren bereit stellt und damit immerhin 75/min früher als das um 40 PS stärkere Topmodell. Trotzdem liegt dem DC13 genannter Drehzahlkeller nicht wirklich, auch wenn störende Vibrationen ausbleiben. Hoher S oder sportlicherer R? Die Frage, ob R- oder S-Kabine, ist letzten Endes eine Geschmacks- und Preisfrage. Auf den Fahrer dürfte sich das S-Fahrerhaus mit ebenem Boden sicher motivierend auswirken. Allerdings kann sie in Sachen Fahraktivität mit dem niedrigeren R-Fahrerhaus nicht mithalten. Bei Kurvenfahrt und Lastwechseln kommt sie deutlicher ins Schwanken, auch wenn nie die Gefahr droht "seekrank" zu werden. Goldrichtig empfinden wir dafür die Wahl der Vorderachsfederung. Im Testfahrzeug lastete die 7,5-Tonnen-Achse auf Zweiblatt-Parabeln. Im Vergleich zur bei Scania neuerdings ebenfalls lieferbaren Einblattfeder bringt sie deutlich besseren Komfort und besseres Fahrverhalten. Anders als im einblattgefederten R 540 aus dem Euro-Truck-Test, präsentiert sich auch die Lenkung in diesem Scania wieder auf dem fahraktiven und direkten Niveau, das die Fans der Marke von Schwedens Ostküste so schätzen. Aber erhält der 500 S beim Thema Verbrauch die Quittung für seine fahraktivere Auslegung? Nein, wie nach der exakt 342,8 Kilometer langen Teststrecke feststeht, bei der erstmals unser nagelneuer Referenz-Actros (siehe folgende Seite) mit von der Partie war. Der Scania begnügt sich mit 25,98 l/100 km und legt damit die Messlatte in unserem neu begonnenen Verbrauchsranking entsprechend hoch an. Anteilig darin enthalten ist der AdBlue-Konsum, der mit 8,68 Prozent vom Dieselverbrauch tatsächlich deutlich über dem vergleichbarer Wettbewerber liegt, die ihre Abgase unter Zuhilfenahme von Abgasrückführung reinigen. Die meisten Eigner dürfte das angesichts des niedrigen Dieselverbrauchs wenig stören. Schließlich kostete der Liter AdBlue am Testtag günstige 56 Cent zu 1,29 für den Liter Diesel. Die Anschaffung eines Scanias kommt schließlich bekanntermaßen teuer genug. Immerhin der Mehrpreis für die 540 PS starke Version fällt in diesem Fall weg. Alle Tests und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau-plus.de In Kürze Die 2,59er-Hinterachsübersetzung verleiht dem Scania 500 S Highline Agilität. Zudem hilft der 500 PS starken Einstellung ihr ab 925 Touren anliegendes Drehmoment von 2550 Newtonmeter. Testurteil Ausgewogener Fahrkomfort, niedriger Verbrauch, früh anliegendes Drehmoment, niedrige Geräuschkulisse vergleichsweise hohes Leergewicht, S-Kabine mit Seitenneigung in Kurven, schwache Motorbremse