Zeit kostet Geld!

Zeit ist Geld. Kaum eine Branche, in der diese kapitalistische Weisheit mehr Gültigkeit hat als in der des Transports. Verbrauchsreduzierende Systeme à la GPS-Tempomat oder gar der Verzicht auf das volle Ausreizen der abgeregelten Höchstgeschwindigkeit bleiben da nicht selten auf der Strecke. Doch ist das Fahren am Begrenzer wirklich so viel schneller? Und inwieweit folgt an der Zapfsäule die Quittung für den Zeitgewinn? Fragen, denen wir bei diesem Test mit einem Volvo New-FH 460 I-Save auf den Grund gehen. Seine Sparsamkeit hat das Testfahrzeug bereits unter Beweis gestellt, denn die Fernverkehrszugmaschine hält aktuell den Verbrauchsrekord im Supertest in der Klasse unterhalb von 500 PS (siehe VR 38/2020). Als Teststrecke befahren wir mehrfach die bayerische A 93 zwischen Holledau und Regensburg. Eine Autobahn wie gemacht für den Einsatz eines GPS-Tempomaten: Zahlreiche Steigungen und Gefälle erlauben dem System, wirkungsvoll mit der Topografie zu "spielen" und lange Rollphasen zu verordnen. Außerdem herrscht auf der Strecke vergleichsweise wenig Verkehr, mit Behinderungen ist daher kaum zu rechnen. Damit die Ergebnisse der verschiedenen Runden untereinander vergleichbar sind, ist wie immer unser redaktionseigenes Referenzfahrzeug in Form des Mercedes-Benz Actros 1845 mit beladenem Sattelauflieger von Schmitz Cargobull mit von der Partie. Erste Runde mit 90 km/h und ohne GPS Auf der ersten Runde geben wir dem FH ordentlich die Sporen. Soll heißen: Wir fordern alles, was der Begrenzer hergibt, in diesem Fall 90 km/h. Zudem bleibt der GPS-Tempomat, bei Volvo Trucks "I-See" genannt, deaktiviert. Wir achten bergab lediglich darauf, das eingestellte Marschtempo nicht zu überschreiten - schließlich wollen wir uns keinen Tempoverstoß auf der Fahrerkarte einhandeln. Mit dieser Fahrweise gehört man klar zu den Schnellsten auf der Piste. Trotz der 40 Tonnen, für die unser voll beladener Fliegl-Curtainsider sorgt, müssen wir an Steigungen regelmäßig rausziehen, um langsamere Kollegen überholen - dem für diese Leistungsklasse überdurchschnittlichen 2600 Newtonmeter Drehmoment des 460er-I-Save sei es gedankt. So hat man den Blick ständig im linken Rückspiegel auf der Suche nach der nächsten passenden Lücke, um sich möglichst nicht ausbremsen zu lassen. Eine Fahrweise, die entsprechende Konzentration fordert, oder nennen wir es ruhig beim Namen: purer Stress! Dessen Lohn ist am Ende der 80 Kilometer langen Testrunde ein hohes Durchschnittstempo von schnellen 89,67 km/h, für die der D13-Reihensechszylinder allerdings auch 31,14 l/100 km Diesel in Rechnung stellt. Die gilt es, auf der Runde zwei zu unterbieten. Dafür setzen wir den Tempomat um minus fünf auf 85 km/h, was in Verbindung mit der extralangen 2,31er-Hinterachsübersetzung des Volvo ein um immerhin 50 Touren niedrigeres Drehzahlniveau von 1050/min zur Folge hat. Einen positiven Einfluss auf den Verbrauch dürfte zusätzlich die Aktivierung des GPS-Tempomaten bringen. Diesen stellen wir in der unteren Hysterese auf minus 5 km/h und erlauben bergab Überschwinger um den gleichen Wert nach oben. Unserer Meinung nach der beste Kompromiss, denn so erhält die Elektronik genügend Freiraum, um die topografischen Gegebenheiten der Strecke zu nutzen und die kinetische Energie der 40 Tonnen wirksam einzusetzen. Außerdem kommen nachfolgende Kollegen so kaum in Bedrängnis, zum Überholen anzusetzen, wenn die Elektronik dem Volvo vor Bergkuppen die Schubabschaltung oder alternativ den Eco-Roll-Modus verordnet. Gefühlt deutlich langsamer unterwegs Allerdings hat dieses Dahinrollen an mancher Stelle einen Abfall auf 80 km/h zur Folge, sodass man gefühlt deutlich langsamer unterwegs ist - der New-FH scheint mehr zu gleiten als vorwärtszutreiben. Auf der anderen Seite offenbart diese Fahrweise ein spürbar geringeres Stresspotenzial, weil man mit Tempo 85 eben viel seltener in die Situation gerät, selbst überholen zu müssen. Und der Verzicht auf Tempo wird belohnt: 26,45 l/100 stehen nach der zweiten Runde auf der Kostenseite - ein Minus von satten 15 Prozent im Vergleich zur vorangegangenen Fahrt. Langsamer ist man allerdings auch, exakt 4,53 Kilometer schafft der Sattelzug pro Stunde weniger, bezogen auf die schnelle erste Runde. Oder anders gesagt, auf der 80 Kilometer langen Testrunde haben wir etwas weniger als drei Minuten verloren. Eco extrem auf der dritten Runde Geht da noch mehr? Das soll unsere dritte Runde zeigen: Diesmal mit extremen minus 10 km/h bei der unteren Hysterese des GPS-Tempomaten. Darüber hinaus hat der Volvo FH noch ein weiteres Ass im Ärmel, zu dem wir später kommen. Zunächst einmal stellen wir fest: Diese Einstellung mag auf einsamen schwedischen Straßen passen, in unseren Breiten mit hohem Verkehrsaufkommen ist sie zu viel des Guten! Denn wenn man vor Gefällen mit 75 km/h dahinschleicht, macht man sich beim nachfolgenden Verkehr verständlicherweise keine Freunde, entsprechende Gesten genervt überholender Kollegen inklusive. Weniger stört dagegen der Eco-Modus, über den der FH verfügt. Bedeutet: Zugunsten eines möglichst niedrigen Verbrauchs erklimmt der FH Berge bewusst etwas langsamer, als er eigentlich könnte. Auf unserer 1,5 Kilometer langen Bergmessung auf der A 93 macht das allerdings einen vernachlässigbaren Zeitverlust von gerade mal fünf Sekunden aus. Nochmal deutlich niedrigerer Verbrauch Auf den Diesel-Verbrauch schlägt sich das ebenso positiv nieder wie die große Hysterese: Bei rekordverdächtigen 24,42 l/100 km landen wir am Ende der dritten Runde, allerdings ist der Sattelzug mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 83,43 km/h aber auch noch mal entsprechend langsamer unterwegs. Am Ende stellt unserer Meinung nach einmal mehr die berühmte goldene Mitte den besten Kompromiss dar: Tempo 85 und ein humaner Einsatz des GPS-Tempomaten von plus/minus 5 km/h. Diese Einstellung nagt human an der Durchschnittsgeschwindigkeit und hat einen Verbrauchs- und damit Kostenvorteil zur Folge, der in der heutigen Zeit keinen Transportunternehmer kalt lassen darf. Erst recht, wenn das passiert, was uns bei unseren Testfahrten auf der verkehrsarmen A 93 erspart blieb: Gerät der Lastwagen in einen der zahllosen Staus auf deutschen Straßen, ist der durch den Bleifuß teuer erkaufte Zeitvorteil mit einem Schlag wirkungslos verpufft. Dann gilt umso mehr: Zeit kostet Geld. Mehr zum Thema finden Sie unter #VolvoTrucks www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Einen GPS-Tempomaten, der durch das "Spielen" mit der Strecken-Topografie für geringere Verbräuche sorgt, hat mittlerweile fast jeder neue Lkw an Bord. Zur Anwendung kommen die Systeme allerdings längst nicht bei jedem Transportunternehmen, da viele einen Zeitverlust befürchten. Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (D13 K 460 Turbo-TC), Turbo mit Wastegate, Turbocompound-Turbine, Common-Rail-Einspritzung (max. 2400 bar), Euro 6d mit SCR-Kat, Abgasrückführung, Partikelfilter, Bohrung x Hub: 131 x 158 mm, Verdichtung: 10,0:1; Hubraum: 12.800 cm3 Leistung: 460 PS (338 kW) bei 1250 - 1600/min, maximales Drehmoment: 2600 Nm bei 900 - 1300/min Getriebe Automatisiertes Schaltgetriebe „I-Shift“,12 Vorwärts-, 4 Rückwärtsgänge, Spreizung: 14,94 bis 1,00; Hinterachsübersetzung: i=2,31 Maße & Gewichte Radstand: 3700 mm, zulässiges Gesamt-gewicht: 18.000 kg, Leergewicht (inkl. 400 l Diesel, 60 l AdBlue): 7210 kg Verbräuche und Geschwindigkeiten im Vergleich Verbrauch *¹ Verbrauchsminderungin l/100 km*² Verbrauchsminderungin %*² Gesamtfahrzeit *¹ Zeitverlust *² Durchschnittstempo *¹ Veränderung Durchschnittstempo *² Fahrt 1:"Bleifuß" 90 km/h,GPS +0/-0 km/h 31,14l/100 km - - 53:32 min 0:00 min 89,67 km/h - Fahrt 2: "vernünftig"85 km/h,GPS +5/-5 km/h 26,45 l/100 km - 4,69 l/100 km - 15,06 % 56:23 min +2:51 min 85,14 km/h - 4,53 km/h Fahrt 3: "Eco-Max" 75 km/h,GPS +5/-10 km/h+ Eco-Modus 24,42 l/100 km - 6,72 l/100 km - 21,58 % 57:32 min +4:00 min 83,43 km/h - 6,24 km/h *¹ auf Testrunde: 80 km, störungsfrei ohne Behinderungen auf A 93*²: Bezogen zur Fahrt 1 Alle Verbrauchswerte ohne AdBlue-Anteil Fazit: Langsamer spart Bares! Im Transportalltag kommt es oft auf jede Minute an! Bleibt dem Fahrer aber nichts anderes übrig, als dem Druck per Druck aufs Gaspedal zu begegnen, folgt an der Zapfsäule die Quittung, wie dieser Test eindrucksvoll zeigt. Der Verzicht auf Topspeed und die intelligente Technik moderner Lkw sparen kräftig Sprit, aber eben nur, wenn beides auch zur Anwendung kommt. Hier ist vor allem eine umsichtige Disposition gefragt, denn wenn der Fahrer ständig einem zu eng gesteckten Terminplan hinterherhetzt, rückt das Thema Spritsparen zwangsläufig weit in den Hintergrund. Jan Burgdorf Test-Redakteur

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