Wenn Algorithmen entscheiden

Die Begriffe Künstliche Intelligenz und/ oder Machine Learning fallen heutzutage auch in Zusammenhang mit Transport-Management-Systemen in schöner Regelmäßigkeit - automatisierte Tourenplanung heißt das Zauberwort. Aber was wird hier eigentlich auf welchem Level automatisiert? Assistenzfunktionen, sei es das Einspielen von Transportaufträgen in die bestehende Planung oder die Berücksichtigung einzelner Parameter bei der Tourenerstellung, gehören schon seit einiger Zeit zum Repertoire vieler Anbieter. Auch die Erstellung des initialen Tourenplans auf Knopfdruck ist keine Seltenheit mehr. Die Tools werden nur immer intelligenter. Tausende Tourenpläne auf Knopfdruck Das TMS Opheo aus dem Hause Initions beispielsweise arbeitet mit dem sogenannten IxOptimizer, mit dem neben Depotverkehren auch Streckenverkehre im Bereich Teil- und Komplettladungen automatisch geplant werden können. Der Optimierer ist laut Entwickler in der Lage, innerhalb kürzester Zeit tausende Tourenpläne zu berechnen und durch einzelne Änderungen eine schrittweise Verbesserung zu erreichen. Dabei lernt der Algorithmus, welche Änderungsschritte zu Verbesserungen oder Verschlechterungen des Tourenplans geführt haben. Das Modul ist seit Februar dieses Jahres bei dem auf granulierte Bau- und Rohstoffe spezialisierten Transportunternehmen SiloNet Logistik aus dem westfälischen Beckum im Einsatz. "Durch den IxOptimizer können wir unsere Wachstumsstrategie umsetzen, ohne die Zahl der Disponenten weiter zu erhöhen", beschreibt Geschäftsführer Marco Reemer die Vorteile. Den Ausschlag für den Einsatz des Moduls gab übrigens eine interne "Dispo-Challenge", bei der die erfahrenen Mitarbeiter dieselbe Planungsaufgabe für den Fuhrpark erhielten wie das Softwaremodul. "Am Ende lieferte der IxOptimizer das bessere Ergebnis", berichtet Disponent Christoph von Glinski. Software plant eigenständig um Die nächste Stufe ist, wenn Algorithmen schließlich selbstständig Entscheidungen treffen, etwa wenn bei bestimmten Ereignissen eine Um- oder Neuplanung zur Disposition steht. Die neu von Initions entwickelte Anwendung RoadEngine etwa erkennt auf Basis der übermittelten Telematikdaten automatisch, wenn Konflikte drohen, und nimmt eigenständig eine Umplanung des aktuellen Tourenplans vor. Der Disponent muss nicht mehr manuell eingreifen. Auch Softwarehersteller Inform hat seine Transport-Optimierungssoftware in der Baustoffbranche eingesetzt. So plant und optimiert Ross Bauservice aus Sprendlingen in Rheinland-Pfalz neuerdings seine Transporte mithilfe neuer Algorithmen. Die aktuellen Aufträge holt sich die Optimierungssoftware über eine Schnittstelle zur WDV2020, einem in der Baustoffbranche weitverbreiteten ERP-System. Der Go-live des Projektes erfolgte im Juli 2020 - der Kunde zeigt sich schon jetzt zufrieden: "Neuaufträge, Ausfälle oder Verzögerungen berechnet das System im Minutentakt neu", freut sich Thomas Gaul, Geschäftsführer von Ross Bauservice. Die Logistiksoftware CarLo arbeitet ebenfalls mit KI-Elementen, wie das dahinterstehende Softwarehaus Soloplan betont. Informationen wie beispielsweise Transportart, Datum, Startpunkt, Zielpunkt, Ladungspositionen oder das Gewicht der Ladung werden ins System eingespeist und mithilfe eines Algorithmus verarbeitet. Anhand von Erfahrungswerten und dem Verhalten in der Disposition eignet sich das System eine effektive Tourenplanung an. Aktuell forschen die Soloplan-Experten an noch weiter reichenden KI-Themen wie der Bestellwahrscheinlichkeit. Gute Datenbasis ist Voraussetzung Die Vorteile der automatischen Tourenplanung sind offensichtlich: Der händische Aufwand für die Mitarbeiter in der Dispo wird reduziert, sie können sich anstatt mitunter monotonen Aufgaben anderen Dingen wie etwa der Kundenbetreuung widmen. Eines sollten Unternehmen, die nun mit einer entsprechenden Aufrüstung ihrer Software liebäugeln, aber auf keinen Fall vergessen: Ein algorithmusbasiertes System ist nur so gut wie die Daten, mit denen man es füttert und auf deren Basis es lernen kann. Mehr zum Thema finden Sie unter #Tourenplanung www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Moderne Tourenplanungs- und Optimierungssoftware nimmt den Disponenten nicht nur wiederkehrende und monotone Arbeitsschritte ab. Lernende Algorithmen können sogar in die Lage versetzt werden, an manchen Stellen Entscheidungen selbst zu treffen. Grundsätzlich aber gilt: Die Datenbasis muss stimmen. Tipps für die Einführung einer automatisierten Dispo - Step by Step vorgehen: Die Automatisierung der Disposition kann nicht auf einmal erfolgen. Sebastian Friedrich, Leitung Mathematische Optimierung bei Initions, rät zu einer Roadmap, bei der folgende Fragen im Fokus stehen: Welches sind die Automatisierungsschritte, mit denen schnell erste Erfolge erzielt werden können? Welcher Automatisierungsgrad soll perspektivisch erreicht werden? Welche Zwischenschritte sollen erreicht werden? - Datenqualität sicherstellen: Auftrags- und Artikeldaten, Standortdaten, Fahrzeugdaten sowie Entscheidungsregeln für Fahrer- und Fahrzeugzuordnung - vor allem diese Daten gilt es in Form zu bringen. Dabei geht es nicht nur um Korrektur, sondern auch darum, individuelles Dispositionswissen der Mitarbeiter digital verwertbar zu machen. - Softwarepartner finden: Prüfen Sie bei der Anbietersuche, wer am besten zu Ihren Anforderungen passt. Ist eigenes Know-how bei Automatisierungsthemen vorhanden? Ist mit regelmäßiger Weiterentwicklung der Software und Innovationen im Bereich der Automatisierung zu rechnen? Wird auf individuelle Anforderungen eingegangen? - Mitarbeiter mitnehmen: Eine zentrale Voraussetzung ist, die Mitarbeiter von den Vorteilen der Automatisierung zu überzeugen und Ängste zu entkräften."Ein wesentliches Ziel besteht darin, ihren Mitarbeitern monotone, wiederkehrende Aufgaben abzunehmen und Raum für neue, spannende Aufgaben zu schaffen", argumentiert Friedrich. mh

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