Von Patchwork zum Netzwerk

Das Ziel ist bekannt: Bis zum Jahr 2020 soll aus dem einstigen nationalen Schienencarrier DB Schenker Rail ein europäisches Schienengüterverkehrsnetzwerk werden, das in der Lage ist, beispielsweise Transporte von Russland nach Spanien oder von Bulgarien nach Großbritannien aus einer Hand zu offerieren. "Wir sind gut unterwegs", zog Alexander Hedderich, Vorsitzender von DB Schenker Rail, auf einem Medienworkshop in Berlin eine positive Zwischenbilanz. 15 Länder, 15 verschiedene Systeme Bereits geschafft haben Hedderich und die europaweit 31.000 Mitarbeiter von DB Schenker Rail den spektakulärsten Schritt: Nach einigen Übernahmen von ausländischen Eisenbahnunternehmen operiert die DB-Tochter mit eigenen Gesellschaften, Beteiligungen und Joint Ventures in 15 europäischen Ländern. "Um aus dem lokalen Geschäft ein integriertes Netzwerk zu schaffen, müssen wir europaweit unsere Geschäftsprozesse vereinheitlichen", sagt Hedderich. Ein anspruchsvolles Ziel angesichts der regulatorischen und technischen Vielfalt auf Europas Schienennetzen. Richten sollen es standardisierte IT-Systeme sowie eine gemeinsame IT-Infrastruktur. "Dafür werden wir insgesamt 200 Millionen Euro investieren", hob Hedderich hervor. Viel Geld für eine Geschäftseinheit, die im vergangenen Jahr ein Betriebsergebnis (EBIT) von 57 Millionen Euro zum Konzernergebnis beitrug. Zumal es nicht das einzige Investitionsvorhaben ist. Bis 2020 will DB Schenker Rail die Lokomotiven und Waggons ihrer Bestandsflotte mit Telematiksystemen nachrüsten, wie Produktionsvorstand Markus Hunkel ankündigte. Die Loks und Güterwagen sollen über das System automatisch Positionsdaten und Zustandsdaten melden. Durch die Datenanalyse soll der Wartungs- und Reparaturbedarf rechtzeitig erkannt werden. "Das vermeidet ungeplante Fahrzeugausfälle und erhöht so die Qualität und Effizienz", sagt Hunkel. Langfristiges Ziel ist der Aufbau eines europäischen Kontrolltowers, der grenzüberschreitend das rollende Material überwachen soll. Ein europäisches Operationscenter gibt es bereits: Es steuert von Frankfurt aus täglich 5000 Züge in Europa. Ersten Kundennutzen generiert das grenzüberschreitende Zusammenwirken bereits. Selbst kritische DB-Kunden äußern sich auf Nachfrage der VerkehrsRundschau mittlerweile recht zufrieden über die Auskunftsfähigkeit in Bezug auf den Verbleib von Ladungen. Einzelwagenverkehr zerbröselt Die Hauptsorge der Kunden liegt woanders: Der Einzelwagenverkehr zerbröselt zumindest an der europäischen Peripherie in erschreckendem Tempo - oftmals schneller als alternative Bahnkonzepte aufgebaut werden können. "Die europäischen staatlichen Bahnen sind nicht mehr in der Lage, dieses Produkt wirtschaftlich anzubieten", heißt es in einer Stellungnahme der Interessengemeinschaft der Bahnspediteure (IBS) für die EU-Kommission. Der Grund liege in zu hohen Infrastrukturkosten, vor allem für die Bedienung kleiner Kunden mit Schienenanschluss. Zu einer Quersubventionierung des Einzelwagenverkehrs fehle den Staatsbahnen aufgrund des Wettbewerbsdrucks das Geld - und private Operateure könnten die erforderlichen Investitionen ebenfalls nicht stemmen. "Dieses Produkt kollabiert auf dem EU-Markt", folgern die Bahnspediteure. Nur wenige Bahnen seien an der Aufrechterhaltung im rationalisierten Zustand interessiert. Als rühmliche Ausnahme nennt die IBS das X-Rail-Projekt, an der neben DB Schenker Rail sechs weitere Güterbahnen beteiligt sind. Allerdings, so IBS-Vorstand Olaf Krüger, habe auch X-Rail Probleme, Laufzeitzusagen einzuhalten und bahnübergreifend einheitliche Qualitätsstandards anzubieten. Die Bahnspediteure sehen erheblich größere Chancen für Korridore-Verkehre als für den klassischen Einzelwagenverkehr. Dabei werden Einzelladungsverkehre an Railports gebündelt und zwischen den einzelnen Railports im Hauptlauf transportiert. Das erspart den Bahnen die hohen Kosten bei der Bedienung kleiner Gleisanschlüsse. "In der Entwicklung von Korridor-Zügen zwischen Railports der Wirtschaftszentren liegt die Zukunft des Eisenbahn-Güterverkehrs in Europa. Umfassende Förder- und Strategieprogramme zur Entwicklung dieser Produkte sind erforderlich", schlägt die IBS der EU-Kommission vor. Gefördert werden sollte der Aufbau von geeigneten Railports, da die heutigen Rangieranlagen den Erfordernissen nicht mehr entsprechen. Für die notwendige Bündelung der Einzelladungen könnten laut IBS Kooperationsgemeinschaften oder Joint-Venture-Unternehmen sorgen. DB Schenker Rail ist also nicht der einzige Player im Schienengüterverkehr, der sich über europäische Vernetzung Gedanken macht.