Turbulente Hochzeit

Jetzt dürfen sie also doch: Am 12. Januar gab Bundeswirtschaftsminister Gabriel bekannt, die Fusion zwischen Edeka und Kaiser's Tengelmann genehmigen zu wollen. Ursprünglich hatte das Bundeskartellamt sie zwar untersagt, doch dieses Urteil will der SPD-Mann per Ministererlaubnis überstimmen. Unruhige Zeiten für Spediteure Allerdings nur, so Auflage von Gabriel, wenn Edeka strenge Auflagen erfüllt: 15.520 der 16.000 Jobs bei Kaiser's Tengelmann müssen für mindestens fünf Jahre erhalten bleiben. Außerdem darf in diesem Zeitraum keine der 451 Filialen des neuen Juniorpartners an selbstständige Kaufleute verkauft werden. Kurz gesagt: Kaiser's-Märkte dürfen nicht ins klassische Genossenschaftsmodell von Edeka überführt werden. Doch was passiert mit der Logistik, wenn sich Edeka, der größte Verbund im deutschen Einzelhandel, den kriselnden Regionalchampion einverleibt? Sicher scheint, dass Spediteure, die für Kaiser's Tengelmann arbeiten, unruhigen Zeiten entgegengehen. Dass nach der Großfusion sofort hektisch Dienstleister ausgetauscht werden, halten Branchenkenner jedoch eher für unwahrscheinlich. Dafür sei das Verhältnis zwischen Händler und Spediteur zu sehr auf Langfristigkeit ausgelegt. "Verlässlichkeit spielt eine große Rolle", sagt Markus Bappert, Geschäftsführer bei Ludwig Meyer, Friedrichsdorf. Das Unternehmen ist für fast alle Lebensmittelhändler hierzulande tätig. Und was diese suchen, ist ein Dienstleister, der gut mit saisonalen und wöchentlichen Schwankungen der Volumina klarkommt und mitziehen kann, wenn neue Konzepte ausprobiert werden (Beispiel: häufigere Frischebelieferung). "Das geht nur, wenn die Zusammenarbeit strategisch ist", so Bappert. Dazu kommt, dass Spediteure den Händlern meist ein fixes Kontingent an Fahrzeugen für einen Standort zur Verfügung stellen. "Da kann nicht einfach über Nacht für einen anderen Kunden gefahren werden", betont er. Soweit die Gemeinsamkeiten von Edeka und Kaiser's Tengelmann. Denn bei genauerem Hinsehen unterscheiden sich die Logistikkonzepte der beiden. So zeichnet sich Edeka durch eine stark regionalisierte Organisation aus, was sich aus der Geschichte als Einkaufsgemeinschaft erklärt. Die Märkte sind quasi Eigentümer der Logistik vor Ort, daher können Lagerkonzepte und Sortimente von Standort zu Standort variieren. Es gibt zwar eine Logistikabteilung in der Berliner Zentrale, die fungiert aber eher als Dienstleister und Berater. Kaiser's Tengelmann steuert hingegen seine Logistik zentral für ganz Deutschland. Alle Märkte werden über das gleiche Netz aus Zentral- und Regionallagern beliefert. "Hier gibt es einen klaren Kulturunterschied", sagt ein Berater, der für eine der Firmen aktiv ist und daher nicht namentlich genannt werden will. Als weiteres Beispiel für die Unterschiedlichkeit der Partner nennt er das Thema E-Food: Während Kaiser's Tengelmann mit Bringmeister schon lange einen Online-Bestelldienst bietet, nahm sich Edeka mit E-Commerce Zeit. Auch hier zeigt sich die föderale Struktur der Genossenschaft: Wer Lebensmittel online ordern will, kann dies bei den verschiedenen Regionalgesellschaften tun, die jeweils eigene Shops betreiben (edeka-lebensmittel.de, dein-edeka.de, edeka24.de). Was passiert nun mit der Logistik, wenn diese ungleichen Partner zusammenkommen? "Zunächst wird man eine Standort- und Sortimentsanalyse durchführen", sagt Harald Gerking, vormals Logistikverantwortlicher in verschiedenen Handelskonzernen und heute Unternehmensberater. Sprich: Edeka wird prüfen, welche Filiale von welchem Lager aus mit welchem Produkt versorgt wird. Bei Produkten des Giganten Procter & Gamble (Pampers, Ariel, Gillette) zum Beispiel wird es viele Überlappungen geben. Hier spielt es im Prinzip keine Rolle, von welchem Lager aus ein Markt versorgt wird. Kritischer ist die Neuplanung der Logistik bei Produkten wie denen von Alnatura, die Edeka führt, Tengelmann aber nicht. "Ich gehe davon aus, dass in den meisten Fällen der Dienstleister, der für Edeka gefahren ist, auch die Tengelmann-Filialen beliefern wird", sagt Gerking. Dass man dafür eine neue Ausschreibung startet, erwartet der Branchenkenner nicht. "Solche Sachen werden meist über Nachverhandlungen abgewickelt, eine komplett neue Ausschreibung kostet zu viel Zeit." Sicher scheint: Nach der Eheschließung wird Edeka auch in der Logistik den Ton angeben. Denn der gelb-blaue Riese ist in dieser Disziplin führend. Das Lager in Hamm-Rhynern etwa gilt als eines der modernsten in Deutschland. An Spitzentagen werden hier bis zu 240.000 Handelseinheiten auf Paletten und Rollcontainern zusammengestellt - und zwar weitgehend ohne Personaleinsatz. Dafür sorgt ein hochmodernes automatisches Kommissioniersystem. "Edeka hat einen klaren Produktivitätsvorteil", fasst Gerking zusammen. Er hält es für möglich, dass Tengelmann dagegen so manches Lager schließen muss. Das werde zu Verschiebungen führen, glaubt er. Aber er betont auch, dass das geschäftliche Gesamtvolumen für die Spediteure gleich bleibe. Gleichmacherei kann Kunden vergraulen Bisher verfolgen die Spediteure die Fusion aber gelassen. "Das wird keine Auswirkungen auf die Logistik haben, solange keine Märkte geschlossen werden", sagt der Chef eines Dienstleisters, der für die beteiligten Handelskonzerne tätig ist. Doch das kann sich ändern. Kaiser's Tengelmann spielt zwar national gesehen nur eine untergeordnete Rolle, in einigen Regionen wie Berlin ist das Unternehmen jedoch Marktführer. Daraus könnten Probleme für den Zusammenschluss entstehen. "Es wird nicht so leicht sein, diese Kaiser's-Tengelmann-Filialen über vermutlich schon ausgelastete Edeka-Lager zu versorgen", meint der Berater. Aus seiner Sicht gibt es zwei Optionen: Entweder die Tengelmann-Märkte werden nach der Fünf-Jahres-Wartefrist einfach zu Edeka-Filialen umfirmiert mit gleichen Sortimenten, Marken und Aktionen. In diesem Fall wäre die Logistikintegration zwar einfach, doch es bestünde das Risiko, durch die Gleichmacherei Kunden zu vergraulen. Behalten die Märkte dagegen ihre Eigenständigkeit, würde das die Harmonisierung der Logistik erschweren. "Welcher Weg eingeschlagen wird, ist derzeit reine Spekulation", räumt der Insider ein. Andere Experten glauben eher an eine Mischlösung: Leistungsfähige Lager von Kaiser's Tengelmann bleiben erhalten (inklusive der Lieferstrukturen) und werden in das Netz von Edeka aufgenommen. Doch wer das Geschehen an den Rampen im Lebensmitteleinzelhandel kennt, weiß: Geräuschlos werden die Flitterwochen nach der großen Handels-Hochzeit auf keinen Fall ablaufen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Handelslogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Goliath und David Edeka und Kaiser's Tengelmann im Vergleich EdekaPlatz 1 auf dem deutschen Lebensmittelmarkt- Umsatz: 47,2 Mrd. Euro- Mitarbeiter: 336.100- Standorte: 11.492 deutschlandweit- Gesamtfläche: 10,64 Mio.- Wirtschaftliches Ergebnis: 291,8 Mio. Euro Jahresüberschuss im Konzern- Marken: Edeka, Netto, Regie, C + C GroßmarktKaiser's Tengelmann*Platz 7 auf dem deutschen Lebensmittelmarkt*- Umsatz: 1,94 Mrd. Euro- Mitarbeiter: 16.514- Standorte: 501 in Berlin, München/Oberbayern und Nordrhein- Gesamtfläche: k. A.- Wirtschaftliches Ergebnis:"kleiner operativer Verlust" (laut Geschäftsbericht)- Marken: Kaiser's, TengelmannQuelle: Geschäftsberichte von Edeka (2014) und Tengelmann-Gruppe (2013), *Tengelmann-Gruppe gesamt