Berlin/Hannover. Die Zulassung von 25 Meter langen und bis zu 60 Tonnen schweren Riesen-LKW würde zu einer massiven Verlagerung von Gütertransporten von der Schiene auf die Straße führen. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebene Studie, die der VerkehrsRundschau vorliegt. Darin berechnen die Experten der K+P Transport Consultants (Freiburg), dass die Transportkosten beim Einsatz dieser so genannten Gigaliner im Vergleich zu herkömmlichen LKW um bis 20 Prozent sinken würden. Damit würde „ein sehr großer Marktbereich der Bahn angegriffen“. Die Expertise dürfte die kontroverse Diskussion bis zur Verkehrsminister-Konferenz von Bund und Ländern am 9. und 10. Oktober in Merseburg (Sachsen-Anhalt) fortsetzen. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) ließ seine Gigaliner-Ablehnung vom Ministerium bekräftigen. „Wer das Klima schützen will, muss den Güterverkehr auf die Schiene bringen“, sagte ein Sprecher. „Diese Strategie ist erfolgreich und darf nicht durch den Gigaliner konterkariert werden.“ Zwischen Bund und Ländern ist das Thema ebenso umstritten wie innerhalb der Wirtschaft: Industrie- sowie Groß- und Außenhandel sind für das Projekt, große Teile der Güterverkehrsbranche mit mittelständischen Unternehmern dagegen. Scharf reagierte auch Bahn-Gewerkschaftschef Norbert Hansen (Transnet) als Vorsitzender des Verbandes Allianz pro Schiene. „Laut Studie wären bei einer flächendeckenden Gigaliner-Zulassung jährlich 125.000 Monstertrucks in Deutschland unterwegs, die Güter transportieren, die vorher auf der Schiene waren“, sagte er. „Das Argument, Gigaliner würden zur Entlastung der Straßen beitragen, weil man aus drei 40-Tonnen schweren LKW zwei 60-Tonner machen kann, ist damit widerlegt.“ Nach Berechnungen der Experten würde die Einführung dieser Riesen-Lastwagen unter dem Strich aber zu weniger LKW auf der Straße führen: Infolge des Umstiegs von den herkömmlichen bis zu 16,5 Metern und 40 Tonnen zugelassenen Lastwagen auf Gigaliner könnte sich die Zahl der LKW - je nach Annahme - zwischen 700 und 2800 verringern. Dem stünden 420 LKW mehr gegenüber, die durch Güter-Rückverlagerungen von der Bahn auf die Straße verursacht werden. Bei etwa 300 Gütertransport-Tagen entspricht dies den vom Transnet-Chef genannten 125.000 Trucks pro Jahr. Noch nicht in der Studie enthalten seien zu befürchtende Verlagerungen vom - wie die Bahn - als umweltverträglich geltenden Verkehrsträger Binnenschiff auf die Riesen-LKW, sagte Hansen. Mittelfristig seien erhebliche Gewichtsverschiebungen zu erwarten: „Wenn der LKW-Verkehr durch die bundesweite Einführung von Gigalinern schlagartig um 20 Prozent billiger wird, werden noch mehr Unternehmen zur Lagerhaltung auf der Straße übergehen. Deutschland wird mit Gigalinern im Stau und in Abgasen ersticken. Diese Fahrzeuge als „Ökoliner“ zu bezeichnen, wie es kürzlich Niedersachsens Verkehrsminister Walter Hirche (FDP) getan hat, grenzt an Volksverdummung." Hirche plädiere für einen bundesweiten Modellversuch, sagte ein Ministeriumssprecher heute in Hannover. Die Zahl der überlangen Lastwagen und Strecken solle dabei aber begrenzt bleiben. Das Güteraufkommen wachse in starkem Maße und sei derzeit nicht allein von der Schienen-Infrastruktur aufzufangen. Hirche hatte nach Gigaliner-Pilotprojekten in Niedersachsen eine positive Bilanz gezogen. (dpa)
Studie: Gigaliner „greifen Bahn an“
Verkehrsminister wollen im Oktober über 25-Meter-LKW diskutieren – heftige Kontroverse über Studie