Serie Unternehmensnachfolge

Serie Unternehmensnachfolge Richter zerlegen ErbschaftssteuerErben von Unternehmen werden bislang steuerlich bevorzugt. Das stört den Bundesfinanzhof. Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Teil eins unserer neuen Serie zur Unternehmensnachfolge.Für viele Inhaber von Transportunternehmen und Speditionen ist nicht der Mangel an geeignetem Personal das Zukunftsthema Nummer eins. Auch nicht die steigenden Kosten und die nicht im gleichen Umfang durchsetzbaren Preiserhöhungen. Vielen Inhabern bereitet vielmehr schlaflose Nächte, wem sie den Betrieb übergeben sollen und wie das geschehen kann, ohne dabei die Existenz des Unternehmens aufs Spiel zu setzen.Grund genug für die VerkehrsRundschau, eine große Serie zur Unternehmensnachfolge zu starten. Wenn dann noch der Bundesfinanzhof (BFH) am 10. Oktober 2012 erklärt, das seit 2009 geltende Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht sei verfassungswidrig, darf dieses Thema in einer solchen Serie natürlich nicht fehlen. Die höchsten deutschen Steuerrichter erachten es als falsch, dass Unternehmen Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften weitgehend oder völlig steuerfrei vererben oder verschenken können. Dies sei eine „verfassungswidrige Überprivilegierung“ zum Nachteil aller anderen „Steuerpflichtigen, die die Begünstigungen nicht beanspruchen könnten“, kritisierten die Steuerrichter. „Mit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs ist die Verfassungswidrigkeit noch nicht endgültig festgestellt. Das letzte Wort in dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht“, stellt Daniela Karbe-Geßler klar, Referatsleiterin Lohn-, Schenkungs- und Erbschaftssteuer beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin. Wann das Bundesverfassungsgericht darüber aber entscheide, sei noch offen. Und genau das verunsichere momentan viele Unternehmen. Sie wissen, dass etwas kommt, wissen aber nicht, was und vor allem wann.Schlupflöcher im SteuergesetzJuristische Scharmützel um die Erbschafts- und Schenkungssteuer sind dabei kein Novum: 2006 hatte Karlsruhe schon einmal das entsprechende Gesetz gekippt, weil Betriebs- und Privatvermögen zu unterschiedlich besteuert worden waren. Die damalige große Regierungskoalition hatte daraufhin die Vorschriften nachgebessert. Aber schon damals lautete ihr Ziel, Unternehmen im Erbfall nicht zu stark zu belasten, um keine Arbeitsplätze zu gefährden. So beschloss sie im Zuge der Reform im Jahr 2008 viele Ausnahme- und Verschonungsregeln. Mit ihren Korrekturen durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz weitete die Bundesregierung die Begünstigungen für Unternehmen sogar noch aus: genau um die Punkte, die der Bundesfinanzhof nun kritisiert.So können bislang Firmeninhaber Teile ihres Betriebsvermögens auf die nächste Generation übertragen, ohne Schenkungs- oder Erbschaftssteuer zahlen zu müssen. Voraussetzung ist, dass das Betriebsvermögen für eine gewisse Zeit im Unternehmen bleibt (siehe Kasten Seite 23) und es sich dabei nicht größtenteils um Verwaltungsvermögen handelt. Steuerlich begünstigt sind bislang die Betriebswerte, die der Produktion dienen, also zum Beispiel Fahrzeuge oder Anteile an anderen Firmen, wenn sie über 25 Prozent liegen. Damit ein Unternehmensnachfolger nicht nachträglich besteuert wird, muss er außerdem die Arbeitsplätze erhalten. Die Summe aller Gehälter und Löhne muss je nach Variante fünf oder sieben Jahre lang überwiegend stabil bleiben. Für Betriebe mit weniger als 20 Angestellten gilt die besagte Lohnsummenklausel allerdings nicht. Die Kritik des BundesfinanzhofsGenau das monierte der Bundesfinanzhof nun in seiner Entscheidung. Denn über 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland hätten ohnehin höchstens 20 Mitarbeiter. Außerdem könnten Firmenchefs die Lohnsummenklausel umgehen, indem sie ihr Unternehmen beliebig in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft aufspalten. Der BFH kritisierte darüber hinaus die bisherige Auffassung des Gesetzgebers, wonach der Erhalt von Unternehmen bei Übergang auf einen Erben durch die Erbschaftssteuer „typischerweise gefährdet“ sei. Insbesondere das Argument des Arbeitsplatzerhalts sei nicht haltbar, sagte der BFH. Stattdessen verschone das Gesetz das Betriebsvermögen in der Regel ohne Rücksicht darauf, wie leistungsfähig die Erben tatsächlich sind. „Durch rechtliche Gestaltungen“ könne man, so der Kritikpunkt des BFH, das Privatvermögen in unbegrenzter Höhe zu begünstigtem Betriebsvermögen machen und es damit kaum versteuert oder gar steuerfrei den Nachkommen überlassen.Das Bundesfinanzministerium geht dagegen davon aus, dass das aktuelle Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird. Allerdings hatte der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2013 ursprünglich vor, schon ab dem kommenden Jahr einige Steuer-Schlupflöcher für findige Erben zu stopfen. Aufgrund einer Initiative des Bundesrates wollte man zum Beispiel unterbinden, dass Unternehmer hohe Summen aus ihrem Privatvermögen in die Firma stecken, um dieses Geld dann zu den Konditionen des Betriebsvermögens auf die nächste Generation zu übertragen. Vor allem die sogenannte Cash-GmbH ist einigen Bundesländern ein Dorn im Auge. Denn mithilfe dieser Konstruktion können Firmeninhaber nicht begünstigtes Vermögen in Betriebsvermögen überführen und ihrem Nachfolger damit steuerfrei überlassen. Dazu steckt man Bargeld in eine Kapitalgesellschaft und vererbt oder verschenkt Anteile an der GmbH. Genau dieses Steuerschlupfloch wollte der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2013 schließen, machte nun jedoch einen Rückzieher. Nachfolger-Lücke steigtKein Wunder also, „dass viele Mittelständler jetzt verunsichert sind“, weiß Marc Evers, Leiter des Referats Mittelstand, Existenzgründung und Unternehmensnachfolge beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Viele von ihnen fürchten, dass auf ihre Erben höhere Belastungen an Erbschafts- oder Schenkungssteuer zukommen. Gerade für kleine und mittelständische Betriebe, die in der Regel über eine dünne Eigenkapitaldecke verfügen, könne dies die Existenz des gesamten Unternehmens gefährden, fürchtet er. Vor allem aber würden die Ängste über die mögliche steuerliche Gesetzesänderung es für Firmenchefs noch schwerer machen, das Unternehmen zu übergeben. Und das sei schon heute ein Problem: Fast vier von zehn Betrieben, die zur Übergabe anstehen, finden derzeit keinen passenden Nachfolger, weiß Evers aus einer Erhebung des DIHK. „Und diese Lücke wird in den nächsten Jahren noch größer – nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels und steigender Qualifikationsdefizite von Nachfolgern“, schätzt der Mittelstandsexperte. Das ist auch die große Sorge von Axel Schindler, Justiziar beim Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) in Frankfurt/Main. „Heute schon ist die Weiterführung von inhabergeführten Transportunternehmern nicht einfach“, sagt er. „Viele Unternehmer tun sich schwer, einen geeigneten Nachfolger für ihren Betrieb zu finden, der oder die bereit ist, in das risikobehaftete Transportgewerbe einzusteigen.“ Und diese Situation werde sich sogar verschärfen, wenn die Regeln über die erbschaftssteuerliche Verschonung von Betriebsvermögen zum Nachteil der Betriebsübernehmer verändert würden, fürchtet Schindler.Trotz der möglicherweise anstehenden Änderungen in puncto Erbschafts- und Schenkungssteuer sollten Seniorchefs aber „jetzt nicht in blinden Aktionismus verfallen“, warnt der BGL-Justiziar. „Das wäre der falsche Weg. Entscheidend ist letztlich“, sagt er, „wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet“. Für den Justiziar steht fest: „Wenn das Bundesverfassungsgericht das Steuerschlupfloch der sogenannten Cash-GmbHs stopft, hätte der BGL dagegen keine Einwendungen“. „Problematischer wäre es, wenn Karlsruhe die heute bestehenden Möglichkeiten der Betriebsaufspaltung kippt“, warnt er. Denn dieses Instrument sei im Transportgewerbe durchaus gängig, weiß er: Etliche Unternehmer spalten ihren Betrieb in eine Besitzgesellschaft mit viel Vermögen und wenig Mitarbeitern und die Betriebsgesellschaft mit kaum Vermögen und vielen Mitarbeitern. Nicht aber, um Steuern zu sparen, sagt Schindler, sondern um das Vermögen des Unternehmens auch in Zeiten des Abschwungs zu sichern. Diese Gestaltungsmöglichkeiten mittelständischen Transportbetrieben zu nehmen, wäre genau das falsche Signal, warnt der BGL-Mann. Wenn die Existenz auf dem Spiel stehtDas größte Problem für viele Transportbetriebe ist laut Schindler indes, dass Erbschafts- und Schenkungssteuer auch rückwirkend für Unternehmensnachfolger anfallen können. Und zwar dann, wenn die vom BFH gerügte Ausnahme von der Arbeitsplatzgarantie für Unternehmen bis zu 20 Mitarbeitern von den Verfassungsrichtern kassiert würde. Gerät das Unternehmen konjunkturbedingt in Schieflage und müssen folglich Mitarbeiter abgebaut werden, kritisiert Schindler, würde die Erbschafts- oder Schenkungssteuer auch für die mittelständischen Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern fällig – im Extremfall eben rückwirkend. „Das kann richtig böse werden und die Existenz der gesamten Firma gefährden“. Es wäre kein Wunder, wenn dann viele Söhne und Töchter dieses Risiko der Unternehmensnachfolge nicht mehr eingehen wollen. Daher sollten Betriebsübertragungen im Wege der Schenkung, die für die nächste Zeit geplant sind, nicht unnötig verzögert werden.Noch aber gelten die bestehenden Erbschafts- und Schenkungssteuer-Regeln. Darauf weist auch Daniela Karbe-Geßler, Erbschafts- und Schenkungssteuer-Expertin beim DIHK ausdrücklich hin. Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht sich der Meinung des Bundesfinanzhofs anschließe, so die Juristin, kann es möglich sein, dass das heute bestehende Gesetz noch einen gewissen Zeitraum anwendbar bleibt, bis der Gesetzgeber neue Regelungen beschließt. „Trotzdem sollten Unternehmen das Thema Nachfolge rechtzeitig angehen“, rät sie. Grund dafür sei, dass zum einen die Suche nach einem geeigneten Nachfolger und zum anderen die erforderlichen Planungs- oder Vertragsarbeiten Zeit in Anspruch nehmen. Allerdings könnten sie aber selbst dann nicht sicher sein, schränkt Karbe-Geßler ein, dass auf ihr Erbe nicht doch Erbschafts- oder Schenkungssteuer anfalle. „Denn im Extremfall“, so die Juristin, „könnte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit auch rückwirkend für die Unternehmen gelten“. ❙❚■ André Gieße, Eva HassaFrüh übt sich ...: Dieses Motto könnte zum Scheitern verurteilt sein, wenn die Gerichte die Weitergabe des Unter-nehmens weiter erschwerenUnternehmensnachfolgeDie neue Serie der VerkehrsRundschau im Überblick:VR 46: Die Folgen des Urteils des Bundesfinanzhofs zur ErbschaftssteuerVR 47: Was bei der Betriebsübergabe rechtlich zu beachten ist VR 48: Loslassen lernen – den Wandel erfolgreich meisternVR 49: Best Practice: So klappt die Betriebsüber-gabe bei ERA GermanySerie UnternehmensnachfolgeSerie UnternehmensnachfolgeDie völlige Steuerfreiheit steht auf dem SpielOb es künftig teurer wird, Firmen zu vererben und was sich beim aktuellen Erbschaftssteuergesetz ändern könnte, sagt Armin Pfirmann, Steuerberater bei Dornbach & Partner in Saarbrücken.Wie wahrscheinlich ist es, dass das Bundesfinanzministerium das 2009 reformierte Erbschaftssteuergesetz erneut anpackt?Armin Pfirmann: Die politische Konstellation gibt den Rahmen vor. Derzeit werden schon einige Änderungen im Zuge des Jahressteuergesetzes 2013 diskutiert. Ich gehe davon aus, dass das Erbschaftsteuergesetz spätestens nach der Bundestagswahl im September nächsten Jahres grundsätzlich überarbeitet wird. Spätestens zum 1. Januar 2014 dürften erste Gesetzesänderungen in Kraft treten. Bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird der Gesetzgeber allerdings nicht abwarten. Denn bis dahin könnten noch zwei bis drei Jahre vergehen. Welche Änderungen sind denkbar, sollte das Bundesverfassungsgericht die aktuellen Regelungen bemängeln?Ich vermute, dass das Bundesverfassungsgericht einige Ungenauigkeiten im Gesetz beanstandet, die von Unternehmen zuletzt häufig als steuerliche Schlupflöcher genutzt worden sind. Ein Beispiel ist die Cash-GmbH, bei der Privat- in Betriebsvermögen umgewandelt und danach steuerfrei auf die nächste Generation übertragen wird. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die völlige Steuerfreiheit unabhängig von der Höhe des vererbten Betriebsvermögens eine gewisse Kritik erfährt. Darüber wurde schon bei der Reform des Gesetzes im Jahr 2009 diskutiert.Ist es denkbar, dass alle Steuerprivilegien beim Vererben von Betriebsvermögen abgeschafft werden?Das halte ich eher für unwahrscheinlich. Das wäre nicht sachgerecht. Dem Unternehmen würde bei der Übernahme durch einen Nachfolger massiv Liquidität entzogen werden, sofern zur Begleichung der Schenkungssteuer nicht ausreichend Privatvermögen vorhanden ist. Dadurch könnte das Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage geraten oder müsste im Extremfall sogar Insolvenz anmelden. Ziel ist es ja, möglichst viele Unternehmen über den Generationenwechsel hinweg zu erhalten und dadurch auch Arbeitsplätze zu sichern. Was raten Sie derzeit den Unternehmern?Auf keinem Fall sollte man den Betrieb kurzfristig an einen Nachfolger übergeben, nur um von steuerlichen Begünstigungen zu profitieren, sondern die Unternehmensnachfolge langfristig planen. Wenn der Generationswechsel aber eine Zeit- und keine Grundsatzfrage ist, sollte man möglichst schnell zu einem Ergebnis kommen. Denn spätestens Ende nächsten Jahres werden einige Steuerprivilegien eingeschränkt. agInterviewArmin PfirmannPfirmannBetriebsvermögen steuerfrei vererben Für Unternehmensnachfolger gibt es derzeit zwei Varianten, sich von der Erbschaft- und Schenkungssteuer zu befreien: die Regelverschonung und die Verschonungsoption. Voraussetzung in beiden Fällen ist, dass das Unternehmen für einen bestimmten Zeitraum fortgeführt wird (Behaltefrist). Bei der Regelverschonung für fünf Jahre, bei der Verschonungsoption für sieben Jahre.Bei der Regelverschonung sind nur 15 Prozent des Wertes des begünstigten Betriebsvermögens steuerpflichtig, sofern die Summe der Löhne und Gehälter innerhalb der Behaltefrist von fünf Jahren mindestens 400 Prozent der Ausgangslohnsumme beträgt. Maßgeblich ist hierfür die durchschnittliche Lohnsumme der fünf Jahre vor dem Erbschaftssteuerfall. Bei der Schonungsoption darf das Betriebsvermögen sogar komplett steuerfrei vererbt werden. Dafür muss der Erbe oder Beschenkte über sieben Jahren eine Lohnsumme von 700 Prozent erreichen. Begünstigtes Betriebsvermögen liegt aber nur vor, wenn das Betriebsvermögen zu höchstens 50 Prozent (Regelverschonung) beziehungsweise zu maximal 10 Prozent (Verschonungsoption) aus Verwaltungsvermögen (zum Beispiel vermietete Immobilien oder Wertpapiere) besteht.Nach den fünf/sieben Jahren kann der Erbe oder Beschenkte ohne steuerliche Konsequenzen Teile des Unternehmens verkaufen, Mitarbeiter entlassen oder Geld privat entnehmen. agVOraussetzungen bei der BetriebsübergabeSerie Unternehmensnachfolge

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