Seeschifffahrt

SeeschifffahrtAufschwung unter anderen Vorzeichen In Deutschlands Seehäfen geht es wieder bergauf. Aber nach der Krise ist nicht vor der Krise. In der Seeschifffahrt zeichnen sich bleibende Strukturveränderungen ab. Die deutschen Seehäfen spüren den wirtschaftlichen Aufschwung. Nach drastischen Einbrüchen beim Güterumschlag (20 Prozent und mehr) und ein Abrutschen auf die Umschlagmengen des Jahres 2005 geht es nun nach der weltweiten Wirtschaftskrise langsam wieder aufwärts. Im Vergleich zum 1. Halbjahr 2009 stiegen die Gesamtumschlagmengen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres schätzungsweise um rund zehn Prozent. Im größten deutschen Seehafen Hamburg rechnen Insider mit einem Plus von unter zehn Prozent. Für die Häfen Bremerhaven und Bremen wird ein Gesamtplus von über 20 Prozent prognostiziert. Offizielle Halbjahreszahlen werden erst in den kommenden Wochen veröffentlicht. Ein wei-teres Indiz für den positiven Trend: Kurzarbeit ist bei den allermeisten Hafenbetrieben kein Thema mehr. Der Aufschwung findet dabei vor allem im Containerverkehr statt: „Zu unserer eigenen Überraschung ist seit Dezember das Containerumschlagvolumen in den deutschen Häfen wieder deutlich angestiegen“, sagt Detthold Aden. Der Präsident des Zentralverbands Deutscher Seehafenbetriebe (ZDS), der auch Vorstandsvorsitzender des Bremer Umschlag- und Logistikunternehmens BLG Logistics Group AG ist, berichtet, dass die beiden deutschen Containerhäfen Bremerhaven und Hamburg im Juni wieder ein Umschlagniveau erreicht haben, das sie zuletzt im Jahr 2005/2006 hatten. Von den Boomjahren 2007 und 2008 sind die beiden Häfen aber noch ein ganzes Stück entfernt. In dieser Rekordphase wurden in Bremerhaven/Bremen 5,49 Millionen TEU (2008) und in Hamburg 9,89 Millionen TEU (2007) Seecontainer in die Schiffsbäuche ein- und ausgeladen. Unsicher sind sich die Experten darüber, wie es weitergeht. Bleibt das jetzt erreichte Umschlagniveau bis Ende des Jahres stabil? Und vor allem, wie entwickelt sich 2011? „Wenn das Wachstum auch im kommenden Jahr anhält, dann werden wir in zwei Jahren wieder die Umschlagmengen aus dem Boomjahr 2008 erreichen. Gibt es aber im kommenden Jahr einen Einbruch, dann werden wir drei bis vier Jahre benötigen“, so die Einschätzung von ZDS-Präsident Aden. Mit Argusaugen beobachten die deutschen Hafenbetreiber, dass einige Reeder in der Krise dazu übergegangen sind, das sogenannte Hub-Feeder-Konzept zu verändern. Statt wie gewohnt via Bremerhaven und Hamburg die osteuropäischen Häfen mit vollen Containern aus Asien zu bedienen, setzen die Reeder vermehrt auf Direktverbindungen. So werden beispielsweise für Osteuropa bestimmte Waren in einem asiatischen Hafen auf ein Schiff mit rund 5400 TEU zusammengefasst und direkt nach Polen oder St. Petersburg geschickt. Bisher wurden diese Container in Bremerhaven oder Hamburg angelandet und dann mit Feederschiffen weitertransportiert. Vorteil durch teurere Schiffe„Ich glaube, dass sich dieser Trend wieder umkehren wird“, sagt Aden. Der oberste Sprecher der deutschen Häfen sieht die Anschaffungs- und Betriebskosten bei Seeschiffen im Aufwärtstrend. Dadurch lohne sich wieder vermehrt die Fahrt mit großen Containerschiffen und eine Umladung im Zielhafen auf Feederschiffe. Diese Verteuerung der Schiffe verschafft den deutschen Seehäfen nach Meinung von Experten auch wieder einen Vorteil gegenüber den Wettbewerbern in Belgien und Holland: Feederverkehre in die Ostsee führen von Bremerhaven und Hamburg über den Nord-Ostsee-Kanal und sind dadurch drei, vier Tage schneller als die Schiffe aus Rotterdam, die den Weg über den Skagerrak nehmen. In Zeiten billiger Schiffe spielte die längere Laufzeit keine Rolle, doch bei steigenden Preisen schlagen drei bis vier Tage wieder mehr auf die Gesamtkosten durch. Streit um Wilhelmshaven beigelegtDass Bremerhaven und Hamburg auch weiterhin eine entscheidende Rolle im weltweiten Containerverkehr spielen werden, bestätigen auch alle aktuellen Studien. Vor allem die große Anzahl auf den Markt drängender Großschiffe mit Kapazitäten von 11.000 TEU und mehr stärken demnach die Bedeutung von zentralen Großhäfen an der Nordsee, von denen aus die Waren verteilt werden. In den kommenden drei Jahren werden nach derzeitigen Planungen weltweit 210 Großcontainerschiffe vom Stapel laufen. Eine Entwicklung, die „nach wie vor auch für den Bau des Tiefseecontainerhafens Wilhelmshaven spricht“, meint Detthold Aden. Voll beladende Großcontainerschiffe brauchen eine Wassertiefe von 16,50 Metern. Wilhelmshaven verfügt schon heute über 18,50 Meter. Selbst nach der geplanten Vertiefung bieten Elbe und Weser verlässlich nur 14,50 Meter. „Wenn wir Deutschen diesen Hafen nicht bauen, dann landen die Großschiffe in Rotterdam. Und dann wäre Feierabend für Bremerhaven und Hamburg, weil die Hauptcontainerverkehre an uns vorbeilaufen würden“, mahnt ZDS- und BLG-Chef Aden. Das Land Bremen (Eigentümer der BLG Logistics Group) und das Land Niedersachsen investieren zu gleichen Teilen insgesamt 180 Millionen Euro in das Containerterminal am Jadebusen. Zuletzt gab es etwas Unruhe um Deutschlands neuen Containerhafen, weil die Verantwortlichen in Bremen und Hannover um eine Verschiebung des Betriebsbeginns gestritten hatten. Während die Bremer aufgrund der zurückgehenden Containermengen in der aktuellen Wirtschaftskrise den Betriebsbeginn gerne auf 2013 verschoben hätten, hielten die Niedersachsen wohl auch aus regionalpolitischen Gründen am Starttermin 5. Oktober 2011 fest. Kürzlich haben sich die beiden Parteien nun auf den 5. August 2012 als Betriebsstart geeinigt. Dass der neue Hafen dann von den Reedern auch angelaufen wird, scheint gesichert. Zum einen ist die weltgrößte Containerreederei Maersk zu 30 Prozent am Jadeweserport beteiligt. Außerdem ist eine 18-prozentige Beteiligung der russischen Reederei National Container Company (NCC) in Vorbereitung, die für Feederverkehre nach Ust-Luga bei St. Petersburg sorgen soll.Änderungen beim AutoumschlagNicht ganz so optimistisch wie beim Containerverkehr ist die Lage der deutschen Häfen beim Autoumschlag. Hier rutschte die Zahl der Fahrzeuge, die die Rampe des Autotransportschiffes überquerten, im Jahr 2009 um 46 Prozent ab. Zu spüren war dies vor allem in Bremerhaven – im größten Autohafen der Welt. In Spitzenzeiten wurden an der Wesermündung 2,2 Millionen Automobile abgewickelt. Letztes Jahr waren es 1,2 Millionen. Für dieses Jahr rechnet die BLG mit 1,4 Millionen Fahrzeugen. „Ich glaube nicht, dass wir wieder die 2,2 Millionen Fahrzeuge erreichen werden, da sich die Strukturen verändert haben“, meint Detthold Aden. Denn normalerweise betrage das Verhältnis von Im- zu Exportfahrzeugen ungefähr 50 zu 50. Derzeit sorgen aber nur die Ausfuhren deutscher Premiummarken für Wachstum in den Häfen. Der Exportanteil sei auf 86 Prozent geklettert. Die kleinen Importautos liefen derzeit gar nicht. „Dies liegt zum einen am Abklingen der Abwrackprämie in Deutschland und den vielen neuen Kleinwagenwerken in Osteuropa, die derzeit auch die Westmärkte bedienen. Hier haben wir eine Strukturveränderung – nach der Krise ist hier nicht vor der Krise“, schlussfolgert Detthold Aden. ❙❚■ Andre KrankeContainerumschlag im Hamburger Hafen: Langsam geht es wieder bergaufDie VerkehrsRundschau beleuchtet die Aussichten für die Märkte: VR 28: Der NFZ-Markt in Deutschland stabilisiert sichVR 29: Boom nach der Krise? Entwicklung in den Seehäfen VR 30: So entwickelt sich der Handel weiter VR 31: Der Transportmarkt in Polen nach der KriseSeeschifffahrtHäfen dringend ausbauenIm Welthandel geht es wieder aufwärts, das zeigen die aktuellen Umschlagzahlen der deutschen Seehäfen. Doch Handel bedeutet auch immer Wandel. Das gilt besonders für die Seeschifffahrt. In den kommenden Monaten drängen immer mehr Großcontainerschiffe mit über 11.000 TEU Kapazität auf den Markt. Wettbewerber Rotterdam verzeichnete schon in den vergangenen Wochen einen extremen Zuwachs. Wenn die deutschen Seehäfen den Anschluss ans internationale Handelsnetz nicht verpassen wollen, muss die Politik dringend die Vertiefung von Elbe und Außenweser und die Hinterlandanbindung für Wilhelmshaven in Angriff nehmen. akFazitBremerhaven und HamburgHamburgBremerhaven/BremenContainerumschlag 2007 bis 2010:Halbjahreszahlen (Januar bis Juni) im Vergleich Das 1. Halbjahr 2010 verlief vor allem für Bremerhaven sehr erfolgreich. Rund 13 Prozent mehr Containerumschlag als im Vorjahreszeitraum. In Hamburg scheint der Umschlag hingegen zu stagnieren. Vom Boom-Halbjahr 2008 sind noch beide Häfen weit entfernt. ak Mio. TEU5432104,85,053,63,6*2,32,72,43*200720082009201020072008200920102,15

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