Berlin. Knapp zwei Jahre vor dem Ende der Wahlperiode deutet sich an, dass die Große Koalition die selbst gesteckten Lärmschutzziele im Schienenverkehr nicht erreichen wird. Aus der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion geht hervor, dass derzeit nur 17,6 Prozent der Güterwaggons mit den leisen Verbundstoffbremsen, den sogenannten Flüsterbremsen, ausgestattet oder Neuwagen sind, die weniger Lärm verursachen. In absoluten Zahlen wird ausgewiesen, dass im Nationalen Fahrzeugregister etwa 173.000 Güterwagen aufgeführt sind. Davon sind nur 21.100 Neuwagen sowie weitere 9300 Wagen mit leisen Bremsen (LL- und K-Sohlen) ausgerüstet. Die Opposition sieht die Regierung deshalb als überfordert an und fordert gesetzgeberische Maßnahmen.
Und weiter heißt es in dem von Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) unterzeichneten Schreiben: „Aus dem Lärmsanierungstitel sind mit Stand 8.10.2015 im Haushaltstitel 2015 insgesamt 61.581.980,26 Euro abgeflossen“. Zur Verfügung für die Umrüstung stehen in diesem Jahr aber 130 Millionen Euro, der Bund beteiligt sich mit 50 Prozent an den Kosten.
„Bei der Umrüstung der Güterwagen auf ‚leise‘ Bremsen ist die Bundesregierung meilenweit von ihren eigenen Zielen entfernt“, kritisierte der Grünen-Bahnpolitiker Matthias Gastel gegenüber der VerkehrsRundschau. Es sei ein Unding, dass über Jahre weite Teile der bereitgestellten Haushaltsmittel verfielen.
Die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Leidig, forderte die Bundesregierung auf, „schleunigst einen Gesetzentwurf zu verabschieden, mit dem das Verbot lauter Güterwagen ab 2020 rechtssicher durchgesetzt werden kann“. Die sehr schleppend erfolgte Umrüstung zeige, dass die bestehenden finanziellen Anreize zu niedrig seien, um jetzt schon umzurüsten, erklärte Leidig auf Anfrage.
Lösung für ausländische Wagen gesucht
Der Verband der Güterwagenhalter (VPI) hält es für falsch, nur den Bestand des deutschen Nationalen Fahrzeugregisters auszuwerten, da etliche Eisenbahngüterwagen von deutschen privaten Haltern in ausländischen Fahrzeugregistern geführt würden. „Die deutschen Wagenhalter werden bis 2020 ihre gesamte in Deutschland verkehrende Flotte auf leise Waggons umgestellt haben; deshalb ist dringend eine eindeutige Regelung für Wagen ausländischer Halter erforderlich“, versicherte Verbandsgeschäftsführer Jürgen Tuscher im Gespräch mit der VerkehrsRundschau.
In dem Antwortschreiben nimmt das Ministerium auch Stellung zu der Frage, ob zwischen Straßen- und Schienenverkehr eine ungleiche Wettbewerbssituation besteht. Die Grünen hatten in ihrer Anfrage darauf hingewiesen, dass die Trassenpreise lärmabhängig, die Lkw-Maut jedoch lärmunabhängig seien. „Die Einbeziehung von Lärmbelastungskosten bei der Lkw-Maut wird derzeit von der Bundesregierung geprüft“, schreibt Ferlemann. (jök)